Klaus Maisel (3)

Erinnerungen von Klaus Maisel (aufgeschrieben 2015/16)

 

Zur Person:

 

Klaus Maisel ist 1924 in Glatz/Niederschlesien geboren und lebt heute in Rheda-Wiedenbrück/NRW

 

Als Wehrmachtssoldat im II. Weltkrieg an der Ostfront

 

Am 15. 10. 1942 eingezogen nach Gleiwitz zur Grundausbildung zum Panzergrenadier-Ersatzbatallion 110, Dauer 3 Monate.

Nach der Grundausbildung kam ich nach Jauer in Schlesien in eine Marschkompanie, aber schon nach einer knappen Woche ging es gen Osten, über Lemberg, Winniza bis südlich von Stalino. Dort kam ich zur 23. Panzerdivision, die zur Auffrischung in Ruhestellung lag. In der Folge der Niederlage in Stalingrad war die Division stark dezimiert worden.

Das war im Mai 1943, meine Gruppe 3 von der ersten Kompanie, des Panzer-

Grenadier-Regiments 128 in der 23. Panzer-Division

(5. von links, Klaus Maisel)

In Ruhestellung am Ortsrand von Makejewska mit dem 3-Tonner

Opel Blitz, Mai 1943

(vorn, Mitte, Klaus Maisel)

Wie oben; rechts ukrainisches Mädchen

Wir befanden uns auf dem Rückzug von der Donezkfront zum Dnjepr. Donezk hieß damals Stalino, dort war ich im Feldlazarett, nach einer Verwundung. Ich hatte durch Granatwerferbeschuss einen Splitter im rechten Oberschenkel. Es war der September 1943.

(Auszug aus einem DDR-Schulatlas von 1951)

Nach der Entlassung aus dem Lazarett kam ich wieder zu meinem alten Truppenteil zurück, das war wieder die 23. Panzerdivision,  128. Panzergrenadier Regiment, 1. Kompanie.

 

 

 

Wir bildeten einen „wandernden Kessel“, d. h. Durch Bewegung in verschiedene  Richtungen, versuchten wir dem Gegner auszuweichen, bzw. zu entkommen.

 

 

 

An diesem denkwürdigen Tag meiner zweiten Verwundung befanden wir uns in dem Dorf Petropawlowka, zwischen Stalino und Dnepropetrowsk. Der Tag verlief, von einzelnen  Abschüssen aus Panzerkanonen (vermutlich T 34) abgesehen, ruhig. Es regnete und der Ort war schlammig. Unsere Soll-Kompaniestärke von 120 Mann war längst unterschritten und betrug nur noch ca. 30 Mann. Ein Oberfeldwebel der aufgelösten Divisionskapelle wurde uns zur „Verstärkung“ zugeteilt. Das Kuriose war, dass er sich bei mir, einem kleinen Gefreiten, melden musste. Der Oberfeldwebel meinte, dass er vom Kriegführen wenig Ahnung habe. Er wolle sich bei der Nahrungsbeschaffung und -bereitung nützlich machen, was er auch durch Malzeiten mit Geflügelfleisch in die Tat umsetzte.

 

Gegen 20 Uhr traf ein Kradmelder bei uns ein, der den Befehl zum sofortigen Rückzug Richtung Dnepropetrosk übermittelte.

 

Für den Transport standen uns LKW vom Typ Opel Blitz, 2,5- bzw. 3-Tonner zur Verfügung. Die beplante Ladefläche war seitlich mit Bänken versehen, so hatten 15 Mann Platz, je 6 seitlich und 3 auf der rückwärtigen Ladeklappe. Im Fahrerhaus saßen der Fahrer und der Zugführer. Ich saß auf der linken Seite, an zweiter Stelle hinter dem Fahrerhaus. Ein Kamerad, der nebem mir saß, meinte, ich säße auf seinem Stammplatz. Meine, wie sich später herausstellte, schicksalhafte Antwort lautete: „ Sei doch erst mal froh, dass wir alle untergekommen sind.“

 

 

 

Wir klopften auf das Fahrerhaus und riefen: Abfahren. Nach höchstens 2 m erwischte uns ein Volltreffer aus einer Panzerkanone. Das von dieser Waffe dabei erzeugte Geräusch hatten wir vernommen. Es bot sich ein Bild des Schreckens: Von den beiden, uns gegenübersitzenden Kameraden, war der Oberkörper weggerissen und es standen nur noch 4 Beine in ihren Stiefeln. Mein Nebenmann war nach vorn gesunken, als ich ihn aufrichten wollte, sah ich, dass seine Stirn weggerissen war und das Gehirn unter dem Stahlhelm frei lag. Hätten wir die Sitze getauscht, wie es der Kamerad wollte, wäre ich unter den Toten.

 

Die Folgen dieses Treffers auf unserem LKW waren: 7 Tote, 4 Schwerverletzte, 4 Leichtverletzte – unter den letzteren war ich, mit einem Splitter in der linken Wade, der heute noch darin steckt.

 

 

 

Wir fuhren, mit den Toten und Verletzten sofort weiter, da die Gefahr bestand, in russische Gefangenschaft zu kommen. Unterwegs hielt der Fahrer an und legte Schneeketten auf, um besser durch den Schlamm zu kommen.

 

Etwa früh gegen 8 Uhr, es war hell geworden, erreichten wir den Vorort und Güterbahnhof Barwenkowo von Dnepropetrowsk.

 

Wir hatten Glück, denn auf dem Güterbahnhof Barwenkowo stand, wie bestellt, ein Lazarettzug in den wir einsteigen konnten. Er fuhr uns nach Dnepropetrowsk, wo sich ein Hauptverbandsplatz befand.

Auch wieder Glück im Unglück, dort bekam ich einen Platz in einem Verwundetenzug, der aus lauter Güterwagen bestand, nach Deutschland!

Zunächst ging es, mit vielen Unterbrechungen wegen beschädigter Gleise, bis Lemberg (Lwow). Dort stand ein richtiger Verwundetenzug mit Rotem Kreuz und Personal. Mit diesem Ging es über Breslau nach Lichtenstein in Sachsen, 15 km von Zwickau, ins Lazarett. Dort versuchte man den Splitter zu entfernen, was sehr schmerzhaft war. Es gelang aber nicht, er ist heute noch im Bein. Nach Dienst in der Genesenden Kompanie und Regimentsschule in Frankreich und Reutlingen und der Beförderung zum Unteroffizier, kam ich als Reserveoffiziersanwärter im November 1944  wieder an die Front. Die war diesmal bedeutend weiter westlich, nämlich in Hatvan, östlich von Budapest / Ungarn.

Hier sollte ich an recht unglaublich klingenden Unternehmungen mitwirken. Unsere Kompanie, die normalerweise aus etwa 120 Leuten bestand, war noch noch 15 Hanseln stark, einschließlich Kompanieführer. Wir sollten auf einer Breite von etwa 2 km die anstürmenden Russen aufhalten.