Hans-Heinrich Vater

 

Die Schneekoppe

 

Die Schneekoppe, die wir von unserer Wohnung sehen konnten, war eine Art Wetterprophet. Für uns Kinder eine Art Mythos durch Rübezahl. Hatte sie eine Wolkenmütze, war Wetterumschwung angesagt. Ich erinnere mich noch gut an den 07.01.1947, den Tag der Vertreibung. Es war am Morgen in der Dämmerung bei -20°C  klaren Wetter und viel Schnee, ging es zur Sammelstelle. Die aufgehende Sonne hatte den Gipfel der Schneekoppe rot gefärbt und ein Abschied für immer. So etwas vergisst man nie.

Die Walen auch Venediger genannt, waren im 14. Jahrhundert im Riesengebirge um nach Mineralien für die Glasherstellung zu suchen. Später gab es dann die Glashütten in Petersdorf und in der Nähe von Schreiberhau. Die Bekannteste war die Josephinenhütte, die in Oberschmiedeberg eine Glasschleiferei hatte. Bereits 1366 gab es die erste Hütte in Schreiberhau.

 

Der Schlachthof in Schmiedeberg im Riesengebirge

Zu Beginn der Oberstraße in Mittelschmiedeberg ist noch das Areal des ehemaligen Schlachthofes mit den  dunkelroten Backsteinbauten zu erkennen. Das große schmiedeiserne Eingangstor flankiert von zwei Säulen, existiert heute nicht mehr. Der Schmuckplatz zwischen dem Eingang und dem ehemaligen Altersheim, mit einer gepflegten Rosenrabatte verfiel nach 1945 zunehmend.

Der Schlachthof wurde 1927 von der Stadt Schmiedeberg als städtische Einrichtung erbaut um die Hygiene bei Schlachtvorgängen zukünftig zu verbessern. Fortan mussten alle Fleischer von Schmiedeberg ihre Schlachtungen dort durchführen.
Diese Anlage war damals eines der modernsten Schlachthäuser in Deutschland. Das Schlachthofareal war sehr großzügig angelegt.
Rechts neben der Zufahrt die Villa, im Erdgeschoß 2 Räume für die tierarztamtsärztliche Praxis und Wohnräume für den Schlachthofverwalter.
Der Schlachthof in Schmiedeberg im Riesengebirge

Die Villa mit einem in der ersten Etage  großzügig angelegtem Wohnbereich, war die Dienstwohnung des damaligen Amtstierarztes Dr. Gustav Schiefner, bis zu seinem Tode im Jahr 1940.
 Der neue Amtstierarzt verzichtete auf die Dienstwohnung da er in Schmiedeberg ein eigenes Haus hatte.
1941/42 konnten meine Eltern mit uns Kindern diese Wohnung beziehen, die wir bis Januar 1947, bis zur Vertreibung, bewohnten.
Die Wohnung ging über die gesamte 1. Etage, hatte 4 Zimmer, und eine große  Wohnküche mit einem gemauerten Herd mit Backofen und einer großen Wasserpfanne. Geheizt wurde mit Steinkohle, die es in Schlesien stets ausreichend gab. Im Sommer wurde mit Stadtgas gekocht.
Alle Zimmer hatten große Kachelöfen. Es gab ein rosa gefliestes Bad mit einem Kohlebadeofen und eine hellgrün geflieste separate Toilette.

Der Wohnbereich war vom Schlachtbetrieb durch eine parkähnliche Anlage, mit großen Buchen, Ahornbäumen und Fliederbüschen und einem Rasenplatz getrennt.
Rechts von der Einfahrt der Flachbau der Freibank und ein groß angelegtes Areal mit Obstbäumen, dahinter die Stallungen für das Schlachtvieh.

Das Schlachthaus hatte mehrere Schlachtplätze für Rinder und einen separaten Schlachtbereich für Schweine etc. Im Anschluss das Kühlhaus mit den Kühlkammern für die Fleischer.

Für Pferdeschlachtungen und Freibank war wiederum   ein separates Schlachthaus eingerichtet. Es wurde auch für Notschlachtungen genutzt da solche in der regulären Schlachtanlage nicht durchgeführt werden durften.

Die anfallenden Abwässer wurden in eine, für den Schlachthof eingerichtete, Kläranlage geleitet, die aus mehreren belüfteten Auffangbecken bestand. Nach dem Klärprozess wurde das Abwasser über außen liegende Koksfilter geführt. Da die Anlage ausreichend bemessen war, gab es keine Geruchsbelästigungen, sie war die modernste Kläranlage in dieser Zeit.

Im Winter, wenn die Teiche zugefrohren waren, wurden Eisschollen geschnitten und zum Kühlhaus gebracht. Ein Elevator transportierte die zu gehauenen Eisstücken in die Kühlkammern. Jeder Fleischer hatte eine eigens zu gewiesene Kühlkammer.

In den 40 er Jahren war Mittwochs Schlachttag. Montag und Diensttag wurde das von den Fleischern aufgekaufte Schlachtvieh angeliefert und im Stalltrakt untergebracht.
Am Morgen des Schlachttages, in aller Herrgottfrühe, rückten die Fleischer zum Schlachten an.

An der Einfahrt zum Schlachthof auf der linken Seite befand sich die Freibank.
Die Freibank war eine Einrichtung zum Verkauf minderwertigen, aber nicht gesundheitsschädlichen Fleisches, das in der Fleischbeschau als „bedingt tauglich“ eingestuft wurde. Freibankfleisch stammte aus Schlachtungen von Tieren, die eigentlich nicht für die Schlachtung bestimmt waren, d. h. die z. B. durch Unfälle, Notschlachtungen etc. zu Tode gekommen waren. Die Preise waren hier durchgehend niedriger als in den übrigen Verkaufsstellen. In der Zeit wo bereits Lebensmittelkarten eingeführt waren, hatte die Freibank immer reichlich Kunden.

Zum Ende des 2. Weltkrieges war auch der Schlachtbetrieb in Schmiedeberg stark eingeschränkt.
Eine Einheit der „Organisation Todt“ wurde einquartiert. Die Pferde waren im Stalltrakt untergebracht,
das Schlachthofgelände mit Fahrzeugen und Gerätschaften vollgestellt .
Für uns Kinder eine interessante Abwechselung. Wir durften die Pferde zum Hufbeschlag zur Krause
Schmiede begleiten oder gar auf einem der Pferde sitzen.
An der Einfahrt zum Schlachthof auf der linken Seite befand sich die Freibank.
Die Freibank war eine Einrichtung zum Verkauf minderwertigen, aber nicht gesundheitsschädlichen Fleisches, das in der Fleischbeschau als „bedingt tauglich“ eingestuft wurde. Freibankfleisch stammte aus Schlachtungen von Tieren, die eigentlich nicht für die Schlachtung bestimmt waren, d. h. die z. B. durch Unfälle, Notschlachtungen etc. zu Tode gekommen waren. Die Preise waren hier durchgehend niedriger als in den übrigen Verkaufsstellen. In der Zeit wo bereits Lebensmittelkarten eingeführt waren, hatte die Freibank immer reichlich Kunden.

Nach dem die Front zunehmend in Richtung Niederschlesien vorrückte, verließ die „OrganisationTodt“
das Gelände und eine Sanitätseinheit der deutschen Wehrmacht belegte das Schlachthausgelände.
Verbandsmittel, Tragen, Medikamente etc. wurden eingelagert und Krankenwagen und Fahrzeuge
deponiert.
Kurz vor Kriegsende war dann auch das Sanitätspersonal geflohen und hatte fast alles zurückgelassen.

Nach Kriegsende, als auch die Sowjet-Armee die Region um das Riesengebirge besetzt hatte, Plünderer aus Polen das Chaos ausnutzten, verfiel der Schlachthof zunehmend zu einer Ablagerungsstätte von verendeten Vieh.

Im Bereich des Kühlhauses, der Kläranlage und des Pferdeschlachthauses lagerten verendete Rinder und Pferde. Die Wärme im Juni führte dazu, dass die Kadaver aufgedunsen und aufgerissen einen bestialischen Gestank verbreiteten.

Später, als sehr langsam mehr Ordnung in der Stadt einzog, wurden die Kadaver entfernt, nicht der Ordnung halber, sonder mehr aus der Angst vor Seuchen und Krankheiten.

Nach dem die Hausmeisterwohnung nicht mehr bewohnt war, da die Familie ausgewiesen wurde, zog eine polnische „Madga“ mit ihrem Sohn in die Wohnung.
Der relativ noch junge Mann sollte angeblich ein Veterinär sein. Die Mutter, eine alte verkommene Person, die ihre Notdurft grundsätzlich in der freien Natur verrichtete, weil sie mit einer normalen Wasserspültoilette nichts anfangen konnte. Ihr Erscheinungsbild war heruntergekommen und ungepflegt.
Um Salzheringe zu wässern hatte sie diese in das Toilettenbecken gelegt und wohl versehentlich die Spülung gezogen. Wir waren schuld und wurden als Faschisten beschimpft, weil die Heringe nun weg waren.
Aus welcher „Zivilisation“ mögen diese Leute wohl nach Schlesien gekommen sein?

Heute hat der Schlachthof seine Funktion verloren. Die schönen Klinkerbauten habe alle Zeit überstanden. Die Villa ist bewohnt. Das Schlachthaus und das Kühlhaus sind umgebaut und alles wird von Kleinbetrieben und vermutlich auch als Büros genutzt.

Das Eingangsportal mit den verzierten Säulen und den schmiedeeisernen kunstvollen Toren gibt es nicht mehr.
Rechts neben der Einfahrt an der Oberstraße befand sich ein Schmuckplatz mit Bänken und einer Rosenrabatte, heute verödet und heruntergekommen.


Heinrich Vater

02.08.2014