Menschen in Schlesien


Ernst Jauernick



 

 

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 Aus den Erinnerungen Ernst Jauernicks                            

Meine schlesische Heimat

Am 18. Februar 1920 wurde ich in Jauernig Kreis Waldenburg, als jüngstes von zwölf Geschwistern, geboren.

Der Ort wurde später in Hausdorf eingemeindet und nannte sich dann amtlich Hausdorf-Oberdorf. Jauernig gehörte aber zum evangelischen Kirchspiel Wüstewaltersdorf und liegt in einem Tal an den nordwestlichen Ausläufern des Eulengebirges, das in das Waldenburger Bergland übergeht. Seine nördliche Ortsgrenze liegt vor dem Fluß Weistritz und den Bahngleisen der Weistritztalbahn.

Meine Eltern bewirtschafteten in Jauernig einen Gasthof, „Zur Scholtisei“, und eine Landwirtschaft. Dazu gehörten 76 Morgen Land am Wolfsberg und 50 Morgen Wald im Wolfsberg, also insgesamt 126 Morgen = 31,5 Hektar.

15-16 rotbunte Rinder, 2-3 Pferde gehörten, mit vielen anderen Tieren zum Viehbestand. Die Rinder wurden oft auf den Waldwiesen gehütet.
Hierher kamen auch ganze Rudel Rotwild zum Äsen. Schön für Vater, der hier in der Umgebung die Jagt hatte.

2 Starke Pferde haben auf dem Land, im Wald und bei vielen wichtigen Fuhren in die Umgebung bis Waldenburg oder Schweidnitz, ständig zu tun gehabt! Sie haben alle ihre Aufgaben gut erfüllt, sei es mit Spazierschlitten, Kastenschlitten, mit der offenen oder gedeckten Kutsche, mit Brautwagen und, vor allem aber, bei der Feldarbeit!

 

 
gespann   gasthofscholtisei

Pferdegespann, mit Fohlen

  Gasthof zur Scholtisei


                                                    
silberhochzeitSilberhochzeit 1923

 

 

Im Anschluß an den Pferdestall kamen die Schweineställe, wo ständig 10-12 Schweine ein schönes Leben hatten. Sie alle konnten noch im Stroh wühlen und bekamen 3 Malzeiten Futter am Tag, alles vom Land, Kartoffeln zum Teil mit Milch und Getreide, Schrot ---- aber alles ohne schädliches Gift!

Natürlich gehören zum kompletten Bauernhof viele Hühner und Gänse, die sich noch auf freiem Land wohlfühlen durften. Für die Katzen gab es jeden Tag frische Kuhmilch. Als Dank fingen sie fleißig Mäuschen in den Ställen und Scheunen.

Wir brauchten ständig sehr viel Brennholz für sämtliche Kachelöfen, den Küchenherd, den großen Waschkessel und den Kartoffeldämpfer. Auch der Backofen verschluckt alle 14 Tage eine ganze Menge an trockenen Holzscheiten. Kohlen (Steinkohle) holen wir auch einige Mal im Jahr von der Melchiorgrube in Waldenburg. Wir fuhren mit dem großen Kastenwagen dahin, denn 30-35 Zentner betrug meist die Ladung.

Ab Juni beginnt die Heuernte. Auf den Bergen schneiden wir noch mit der Sense, sonst mit der Maschine. Diese Arbeit ist, je nach Wetter, in etwa 4 Wochen beendet.

Ab 25. Juli, zu Mutters Geburtstag, steht das erste Roggenfeld in Puppen, die in Reih und Glied aufgestellt werden. Da wünschen wir uns gutes Wetter, denn die Ernte von Roggen, Gerste, Weizen und Hafer dauert 4-6 Wochen und alles muß trocken in die Scheune!

 

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Ernte mit der Flügelmaschine

puppenPuppen aufstellen     
    Das trockene Getreide wird eingefahren




 

ernteEinbringen des trocknen Getreides

 

Aber noch läuft die Rübenernte, Wurzeln und Weißkraut warten auf die Verarbeitung. Manches ist auch als Viehfutter bestimmt.

Vater hat mir damals recht früh selbständiges Arbeiten beigebracht. Ganz wichtig ist auch, den Mund loszumachen, wenn es ums Einkaufen und Verkaufen geht. Wer seinen Mund nicht losmacht und verhandelt, der muß seinen Geldbeutel losmachen! Recht hatte er! Diese Erfahrung habe ich gemacht und bin allemal gut dabei gefahren.

Im Winter, auch bei viel Schnee und Kälte, mußten wir immer mal im Wald arbeiten. Es war auszuforsten, Bäume waren zu fällen. Langholz wurde geschält, entästet und vermessen. Nach einer Tabelle wurde jeder Stamm nach Festmetern genau berechnet, dann wurden die Stämme von den Pferden aus dem Wald gezogen und auf einer freien Fläche gestapelt. Die Langholzfahrzeuge mußten die Möglichkeit haben, die langen Stämme auf ihre schweren Fahrzeuge zu verladen. Das Langholz die Berge herunterzufahren brauchte sehr viele Geschick und Augenmaß. Auch Grubenholz, für das Abstempeln von Kohlestollen, wurde nach Raummetern gestapelt. Ich durfte damals, schon als Kind helfen, Reisig zu einem großen Haufen aufzuschichten. Dann wurde ein ganz herrliches Feuer angezündet. Dicke Rauchschwaden durchzogen die Luft, bevor sich die Glut bildete. Es knackte und die Funken sprühten, dabei roch es so schön nach Harz! Nun konnten sich alle schön aufwärmen. Natürlich bekam man bei der frischen Waldluft Hunger, wie ein Wolf. Wenn dann das langersehnte Frühstück oder die Vesper ankam, saßen wir alle um das Feuer herum und die Butterschnitten schmeckten mit den harzigen Händen vorzüglich. Eine Gelegenheit, die Hände zu waschen, gab es nicht immer.

Auf der Waldwiese konnten wir Rehe, Hasen und manchmal auch Fasane beobachten.

Kurz vor Weihnachten holte Vater den „schönsten“ Baum aus dem eigenen Wald.

Mein Bruder Erich fertigte im Pferdestall Besen aus Birkenzweigen. Für das Einbinden der Besen hatte Vater schon vorgesorgt. Mit einem steinharten Holz-Bitschpinholz, als Keile gefertigt, spaltete er Weidenruten in 2-3 oder auch 4 Teile. Diese Besen waren sehr lange haltbar und fegten hervorragend!

Eine weitere Beschäftigung war das Flegeldreschen auf einer Lehmtenne. Die Garben von Roggen wurden, mit den Ähren zur Mitte, auf die Tenne gelegt. Die Körner herausgedroschen und das Stroh weich gemacht. Dieses Langstroh war für Seile bestimmt. Die Seile wurden im Pferdestall gemacht, weil es hier schön warm war. Die Strohseile waren für das Dreschen mit der Maschine bestimmt. Später nahm uns diese Arbeit eine neue Binderpresse ab.

Ach ja, ich wollte noch nachholen, das Dreschen mit den Flegeln war gar nicht so einfach. Mit 2 Mann 2/4 Takt, mit 3 Mann ¾ Takt und mit 4 Mann 4/4 Takt. Da mußte man schon aufpassen, sonst konnte man den anderen aus dem Takt bringen, denn man steht sich gegenüber!

Die Strohseile wurden auf Vorrat für die nächste Ernte im Schock gebündelt. Ein Schock sind 60 Stück. Damit wurden nicht nur die Garben, sondern auch die Köpfe der Getreidepuppen eingebunden. Mit diesem Langstroh wurden damals noch für uns Kinder, die Strohsäcke in den Betten gestopft. Das ergab eine mollig-warme Matratze.

Noch eine Ergänzung zu den alten Maßeinheiten, die viele heute nicht mehr kennen:

60 Stück = 1 Schock, 12 Stück = 1 Dutzend, 15 Stück = 1 Mandel.

Mit der elektrischen Häckselmaschine wurde auch das Langstroh als Häcksel unter gequetschten Hafer gemischt. Das ergab ein gutes Futter.

Ja, der Winter in unserer schlesischen Heimat war oft sehr kalt und lang.

 

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Anzeige aus den 1920er Jahren, da spielte auch schon mal die Kapelle Karl Leistritz  


schnitter39Schnitter 1939, ganz links Ernst Jauernick

kartoffelnachleseKartoffelnachlese

hausmusikHausmusik, Ernst mit Schwestern Else und Erna

kuehehuetenEine Schwester beim Kühe hüten

gasthofmitwolfsbergDas Anwesen mit Feldern dahinter und dem Wolfsberg

    olfsberg


 

 

Bevor ich zu meiner Soldatenzeit komme, will ich noch etwas aus meiner Kindheit berichten.

Als die allerersten Autos durch unser Dorf fuhren und unser Schulausflug nach Breslau, etwa 1930

Es war beim Kühehüten auf den Bergwiesen. Friedlich grasen die Tiere, ab und zu klingen die
Glocken in verschiedenen Tönen, die an einem stabilen Lederband um den Hals der Tiere hingen. Ringsherum auf den Feldern wurde fleißig gearbeitet. Mit Pferden, Ochsen oder Kühen waren die Bauern mit der Bearbeitung der eigenen Scholle beschäftigt. Oft hörte man das Lachen oder Singen von den vielen Helfern.
Auf einmal wird das Grasen der Kälber und Kühe unterbrochen, alle heben den Kopf, stellen die großen Ohren nach vorne, denn aus dem Tal unten dröhnen laute, fremde Töne. Da fährt doch so ein komisches Fahrzeug, ganz ohne Pferde und ohne Ochsen gezogen, ganz alleine die Dorfstraße entlang mit einem lauten „Tüüt, tüüt"! Die Feldarbeiter  auch die Dorfbewohner stecken schnell die Köpfe zusammen und beraten, was das wohl für ein komisches Teufelsding ist, was so ganz alleine fährt. Dabei bläst das Auto, es war ein Opel, eine schwarze Rauchfahne hinten raus. Die Räder hatten noch ganz dicke Speichen. Zum rechts oder links Abbiegen betätigte der Fahrer einen kleinen Hebel, je nach Richtung kam vorne an den Seiten ein roter Pfeil heraus. Der Motor wurde
vorne am Wagen mit kraftvollen Umdrehungen mit einer Kurbel angeworfen, so fing der Motor an zu laufen - aber manchmal auch nicht!
Statt mit dem Pferde oder Bollerwagen lieferte jetzt der Bäckermeister aus Hausdorf seine Backwaren mit dem neuen Auto an die Dorfbewohner. Es dauerte nicht lange, da kam das zweite Auto in den Ort gefahren. Die Schweinehändler Richter aus Schweidnitz kamen mit einem Hanomag Kombi auf unseren Hof gefahren. Dieser Wagen war mit vier Kabinen ausgestattet, die alle mit kleinen Ferkeln belegt waren. Zum Kauf angeboten wurden die Tiere einfach an den Hinterbeinen gepackt, herausgezogen und in die Höhe gehalten, damit man sie gut betrachten konnte. Aber der Motor von diesem Hanomag war nicht der stärkste, denn die kurvenreiche, manchmal steile Straße, machte ihm schwer zu schaffen, so kam es auch vor, daß die Dorfbewohner halfen das Fahrzeug zu schieben. Zum Totlachen war die komische Hupe! Wenn sie gebraucht wurde, kam nur ein heiseres „ööht, ööht, ööht" heraus.
 
schulejauernig30Auch unser Lehrer Schütze hat sich das erste Motorrad im Dorf angeschafft. In seinen Knickerbockerhosen, der dunklen Lederkappe mit der großen Sonnenbrille sah er aus wie Manfred v. Richthofen, wenn er in sein Flugzeug einstieg.
Aber eines Tages kam auch für uns Schulkinder viel Freude auf. Der Herr Lehrer versprach uns eine Busfahrt zur Kynsburg, dann weiter über Schweidnitz, Zobten nach Breslau in den Zoo. Wir hatten bisher noch nicht mal einen Bus gesehen. Vor lauter Freude konnte man die letzten Nächte vor der Fahrt kaum richtig schlafen. Endlich war es dann so weit. Mutter machte selbstgemachte Bauernbrotschnitten mit selbstgemachter Butter, als Belag noch Braunschweiger Wurst, dazu noch eine Banane und einige Bonbons aus dem Tante Emma Laden. Bei schönem Sommerwetter warten wir alle an der Schule (unsere schöne Schule auf dem nebenstehenden Bilde), total gespannt auf den Bus. Endlich kommt ein großer, weißblauer Bus um die Kurve geschaukelt. Die Türen öffnen sich und wir dürfen einsteigen. Herrlich mollig diese dicken,                                                                                 weichen Polster und die
 
großen Fenster! 
Es geht los, langsam fährt der Bus die kurvenreiche Dorfstraße bis zur Thielbrücke, ab hier beginnt an der Weistritz entlang die Hauptstraße. Nun kann der Bus auch schneller fahren, dabei genießen wir die vorbeiziehende, schöne Landschaft; man kann sich gar nicht genug sattsehen! Da stimmt Herr Lehrer Schütze mit uns fröhliche Lieder an - was für ein schöner Tag; es ist nicht zu beschreiben!
In Kynau angekommen, kraxeln wir durch den Laubwald in Serpentinen steil nach oben. Überraschte Eichhörnchen springen umher; die Vogelwelt bietet die schönsten Lieder. Nun sind wir an der Kynsburg, einer alten Ritterburg, die wir nun besichtigen. Viele häßliche Foltergeräte, Schwerter, Ritterausrüstungen und ein sehr tiefer Schacht wird uns gezeigt. In diesen Schacht hat man damals Schwerverbrecher einfach so hinuntergeworfen. Wir waren ganz froh, als der Lehrer rief: Kinder kommt, es geht wieder nach unten!
Jetzt beginnt eine weite Fahrt, an der Talsperre vorbei, etwas später dann der tiefliegende Ort Oberweistritz.
Hier geht es steil hinunter; es ist der Hemmstein. Seitlich kann man den Wasserfall von der Weistritz sehen und die sehr lange Eisenbahnbrücke. Ab hier kommt nur noch Flachland bis Schweidnitz, Breslau. Nur ganz allein der Zobten kann uns von oben her noch nachsehen. Unterwegs wird schon etwas genascht, der Hunger muß gestillt werden und das schmeckt jetzt. Nun fahren wir schon durch die große, unruhige Stadt Breslau und kommen zum Zoo. Bei unserem Rundgang gibt es so viele Tiere zu bewundern, am meisten Spaß haben wir bei den Affen. Es ist wirklich heute ein erlebnisreicher, schöner unvergeßlicher Tag. Viel zu schnell vergehen die Stunden und die Rückfahrt wird angesagt, aber zuvor müssen noch die Toiletten aufgesucht werden. Mein Gott, die sind ja ganz anders als bei uns im Dorf! Der Topf aus Porzellan mit schönem Deckel, an der Wand hängt ein Wasserkasten, wenn man an der herunterhängenden Kette zieht, spült das Wasser alles weg - auch ein Spiegel und Waschbecken ist da. Bei der Heimfahrt fliegt wieder die schöne Landschaft vorbei und fröhliche Lieder werden angestimmt. Unterwegs sehen wir noch schwere Lastwagen mit Anhänger. Sie fahren noch Vollgummireifen und machen einen höllischen Krach. Ein Pferdefuhrwerk wird vom Lastzug überholt, die Tiere bekommen Angst vor diesem Ungetüm, sie bäumen sich auf, springen zur anderen Seite. Der Kutscher hat große Mühe, die Pferde zu beruhigen. Viel zu schnell ist der Tag vergangen und wir sind wieder in unserem Dorf Jauernig angekommen und steigen an der Schule aus, sehen dem Bus noch nach, bis er an der nächsten Kurve verschwindet. Zuhause angekommen wird begeistert erzählt von diesem herrlichen Tag. Einige Tage später schreiben wir in der Schule den Aufsatz: „Unsere Busfahrt nach Breslau".


schulklasse26  

1926, Klasse 1-3 mit dem Lehrer, Herrn Neumann, ich bin gerade eingeschult worden, 3 meiner Schwestern sind auch auf dem Bild

 

 

1932, an der Singebuche (Naturdenkmal in Jauernig), Lehrer Schütze mit seiner Klasse



Von der Nazizeit möchte ich nichts schreiben, denn in letzter Zeit kamen im Fernsehen so viele Berichte und Filme darüber. Auch die Zeitungen sind täglich mit diesen wahnsinnigen Berichten von der Judenverfolgung und den Kriegsereignissen gefüllt! Alles, was mit Greueltaten und Gewalt zu tun hat, auch viele grauenhafte Krimis, sehe ich mir nicht an. Was ich in all den Jahren durchleben mußte, kommt mir heute noch vor Augen, wenn mich nachts Albträume quälen!

Den Verlauf meiner Soldatenzeit möchte ich aber trotzdem erzählen.

 

Meine Soldatenzeit
 

Am 1.10.1940 wurde ich in die Grenadierkaserne in Schweidnitz einberufen. Nach etwa 14-tägiger Ausbildung kam ich nach Gora Kalwaria, bei Warschau, zur Weiterausbildung mit gleichzeitigem Einsatz als Besatzungssoldat. Es war fast ein reines Judendorf. Eine steinharte Ausbildung mit so manchen häßlichen Schikanen mußten wir in Kauf nehmen, denn beschweren gab es nicht, sonst hätten wir noch mehr Härte zu spüren bekommen! ---

Wir 12 Rekruten hatten an jedem Tag vier Ausbildern zu gehorchen! Besonders groß war die Hetze auf die gekennzeichneten Juden! Da haben wir uns als junge Soldaten, nur im Stillen, gedacht, ----„wehe“ wenn wir diesen Krieg verlieren. Vor allem, wenn wir das wahrmachen, was man uns in den Unterrichtsstunden gelehrt hatte.

Nach der Rekrutenbesichtigung in Gora Kalwaria bekamen wir 14 Tage Heimaturlaub. Anschließend kam die Verlegung zur Kampftruppe nach Radom in ein erbärmliches Barakenlager. Danach Zusammenstellung der Truppenteile und einige Nachtmärsche durch die Wälder Polens bis an den Bug.

Am 22.Juni weckt uns eine Sondermeldung, morgens um 3 Uhr. Um 4 Uhr, alles antreten, der Hauptmann verließt mit Tränen in den Augen die Proklamation des Führers, Adolf Hitler, sofortiger Großangriff auf die Sowjetunion hat zu beginnen. Schon geht es über die lange, schaukelnde Pontonbrücke über den Bug. Schon brausen die Stukaverbände über uns hinweg und lassen ihre Bomben fallen. Die Panzerketten rasseln durch die Gegend. Rund um uns herum ist der Teufel los. Geschütze aller Kaliber eröffnen das höllische Feuer. Man meint, die Welt geht unter. Der weitere Verlauf der Kämpfe unserer 252. Schlesischen Eichenlaubdivision ist dem gesonderten Blatt „Der Weg der 252. Inf.-Division“, aufgeführt.  Dort stehen auf viele Orte im Mittelabschnitt, wo wir eingesetzt waren, bis kurz (14 km) vor Moskau, hin und zurück.

1943 fällt mein Bruder Erich bei Woronesch.

 

 
hitlerjunge   soldatinpolen
Hitlerjunge Ernst   Soldat in Polen


                 soldat

 

Soldat in Schweidnitz

 

 

Lieber Wolfgang, über den Kriegsverlauf möchte ich keine Angaben machen, das führt zu weit. Am Narev Brückenkopf war mein letzter Einsatz! Mit dem letzten Lazarettzug, der bei Thorn noch über die Weichselbrücke fahren konnte, kam ich nach Berlin-Buch ins Lazarett, wegen einer Fersengeschichte. Die Stadt wurde ständig mit Bomben belegt, jede Nacht ging es in den Luftschutzkeller, das war schon Wahnsinn!

Durch rauchende Trümmer fahren tatsächlich noch Züge. Ich sitze in einem der mich, im Februar 1945, zum Heimaturlaub bringt. Meine Fahrt über Görlitz, Hirschberg, Waldenburg zeigte mir, aus heutiger Sicht, unwirkliche Bilder: Überall auf den Bahnhöfen sieht man Menschen mit viel Gepäck. Was ich damals noch nicht wußte, es waren schon Flüchtlinge aus der Breslauer Gegend.

Als ich zu Hause ankomme, ist in meinem Elternhaus eine entsetzliche Stille, kein Lachen mehr, ein Platz am Tisch blieb leer! Vater war am 10. Januar 1945 gestorben und schon beerdigt. Ich hatte es nicht erfahren, denn es ging keine Post mehr. Mein erster Weg zu Vater, auf den Friedhof, der heute total von den Polen verwüstet wurde!

Über die Felder fährt eine Kleinbahn (Feldbahn), aus Richtung Hausdorf, als Zubringer für das Material, was man für den Bunkerbau am Wolfsberg benötigt (das sogenannte Objekt „Riese“). Der Russe wirft schon über unserem Dorf Flugblätter ab, daß er bald kommt, wir sollen den Ort verlassen. Ich packe den größten Wagen voll, was man unbedingt braucht, vergrabe Vaters Jagdgewehre und die Munition. Am letzten Morgen laute Schreie auf der Dorfstraße, ich gehe ans Fenster in der Gaststube und sehe eine große Herde Rindvieh und dahinter viele halbverhungerte, zerlumpte Gestalten Richtung Hausdorf ziehen, die von den Begleitern auf beiden Seiten der Straße mit Stöcken und Knüppeln geschlagen werden, weil sie vor Elend kaum noch laufen können!

Ich muß am nächsten Morgen zur 19. Panzerdivision in die Tschechei. Hier machen sich die letzten Kämpfe, zum Nachteil bemerkbar. Der Glaube an einen Endsieg ist bei niemandem mehr vorhanden.

In der letzten Feuerstellung bei Deutsch-Brod ist auf einmal alles verschwunden, nur mit 2 Mann stehen wir da, kein Befehl mehr, nie etwas erfahren durch unsere Führung. Einfach alles abgehauen, das war der Kriegsschluß am 9. Mai 1945.



 

Kriegsgefangenschaft
 

Wir beide waren uns über den letzten Weg als Soldat nicht einig, er wollte durch den Wald und ich wollte eine kahle Anhöhe hinauf, denn der Wald war voller Partisanen!

Als ich allein auf der Bergkuppe angekommen bin, sehe ich Entsetzliches im Tal. Viele hundert deutsche Soldaten werden von russischen Posten bewacht. Ich habe kaum noch gehofft, daß ich alleine da unten ankomme, denn die Iwans hatten alle ihr Maschinenpistolen und Gewehre auf die jetzt Kriegsgefangenen gerichtet. Man ließ mich kommen, nahm alles, was ich noch hatte, ab. Ich mußte mich auf das Kochgeschirr, was man mir noch gelassen hatte, setzen. Es wurden auch die persönlichen Dinge weggenommen. Was keinen Wert für die Bewacher hatte, wurde verbrannt.

Der schwere Weg nach Brünn:

In 10er Reihen trieben uns die noch ängstlichen russischen Posten, mit den Karabinern, die sie immer schußbereit hielten, wie Schlachtvieh, in der heißen Maisonne durch die Straßen. Die Tschechen bewachten jeden Wasserbrunnen, trinken durften wir nichts! Eine allererste Nacht bekamen wir im Zuchthaus in Brünn. Wir liegen wie die Heringe in der Dose, auf Lehmfußboden, Durst und Hunger quält uns. Endlich öffnet man den Essenschalter, alles stürmt auf die offene Futterluke zu, für deutsche Kriegsverbrecher gibt es nichts! Klappe zu! Am kommenden Morgen geht der Weg zum Bahntransport. In kleine Güterwagen 30 Mann, in die großen 60 Mann. Ein Loch im Fußboden war das WC. Das kleine Guckloch, oben ist mit Stacheldraht bespannt. Jeden Tag und jede Nacht kommen die Posten zum Nachzählen. Tote werden herausgenommen. Elf Tage und Nächte, jeden Tag nur 100 g Trockenbrot und nichts zu trinken. Es waren heiße Tage, kam mal ein Gewitterregen, haben wir den Kochgeschirrdeckel durch den Stacheldraht gezwängt, um etwas Nasses zu bekommen. Es schmeckte aber scheußlich. Viele, auch ich, sind so geschwächt, daß uns beim Aufrichten schwarz vor Augen wird.

Über Budapest, Bukarest ging diese endlose Fahrt bis Konstanza ans Schwarzen Meer, hier wartet die „Transilvania“ auf uns. Mit diesem Schiff ging es über das Schwarze Meer nach Noverosisk im Kaukasus. Heftige Briesen spritzen über das Deck. Viele haben diese Seefahrt nicht gut überstanden. Wer mal austreten mußte, war gezwungen, nach unten, in den Bauch des Schiffes zu gehen. Man kam am Offizierskasino vorbei, die Russen saufen und grölen und es roch nach ----- Kaffee! Die Iwans feierten den Sieg, was sind wir doch für arme Hunde!

Neben uns, kleine Begleitboote, sie verschwinden manchmal, so stark ist der Seegang. Die Krim sehen wir in der Ferne. In Noverosisk müssen wir 4 Tage unter freiem Himmel, nach erneuter Filzung, verbringen. Als Verpflegung gibt es eine Suppe und 100 g hartes Weißbrot.

Dann wieder, mit einem Güterzug geht es an das Endziel Krasnodar.

Vor dem Lager, wie üblich: Filzung. Aus riesenhaften Lautsprechern dröhnt laut die Internationale, das dann jeden Tag!

Die russischen Offiziere schreien durcheinander, denn sie müssen etwa 600 Mann unterkriegen!

Unser Lager 148/16 hat offene Fenster, kein Glas, rauher Zementfußboden, total verwanzte Lattenroste in den Bettgestellen. Schon in den ersten Tagen blaue Flecken am ganzen Körper, dazu macht uns das Krabbeln der Wanzen bald verrückt. Auch die Läuse piesacken uns die ganze Nacht.

Aber jetzt kommt`s! Alles antreten, die Russen versuchen die Hundertschaften abzuzählen. Manche Offiziere schaffen das nicht!

Im Lager, alle Körperhaare ab, nackend ausziehen, die erste Entlausung. Mit unseren kahlgeschorenen Köpfen sehen wir aus, wie die Zuchthäusler und Verbrecher. Mein Gott, man ist gar kein Mensch mehr. Wir bekommen in den Rücken und die Arme Spritzen.

Erste Einkleidung: Eine Leinenunterhose, ein Leinenhemd, Gummigaloschen, Fußlappen, eine abgetragene Russenhose und eine schäbige Jacke, das sind unsere Sachen.

Heute großer Appell auf dem Hof. -----------

 

 

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lebenszeichen2

  Das erste Lebenszeichen, es kam nach 7 Jahren im neuen Zuhause von Ernst Jauernick, in Coesfeld, an.


Ein klein wenig vom Lagerleben als Kriegsgefangener, Krasnodar im Kaukasus

Medizinisches Institut in Krasnodar im Kaukasus

Direkt gegenüber unserer Arbeitsstelle ist die Sezieranstalt. Wir beobachten öfters dort, wie Tote mit Panjefahrzeugen herangekarrt werden. Sind es einfache Leute, ohne Parteibuch, werden sie an den Füßen heruntergezogen und auf dem Rücken in die Anstalt geschleift. War der Tote ein Parteibonze, wird er behutsam hineingetragen.

Wer etwas Russisch konnte, hatte Vorteile. Unser „Vorabeiter“ Dickhard war so einer, er wollte sich bei den Russen einen guten Namen machen, darum hat er uns alle angetrieben.

Wir 12 Mann brachten dann 300% Arbeitsleistung, anstatt 100%, was die tägliche Norm war. Die Arbeitsgruppe Dickhard, mit den 12 Schwerstarbeitern, stand jeden Tag auf dem Lagerhof auf einer großen schwarzen Tafel. Von den russischen Offizieren immer wieder gelobt, im Beisein der anderen Hundertschaften, die das immer wieder zu hören bekamen. Daraufhin bekamen wir als „Dankeschön“ die allererste Rote Kreuzkarte zum nach Hause schreiben! Natürlich nur, mit von Russen vorgeschriebenen Text. Auch eine Bude für uns 12 Mann gab es, sogar mit Strohsäcken, da haben sich sogar die Wanzen und Läuse gefreut. Sie piesackten uns fleißig weiter! Sogar ein bunter Abend mit einer Zigeunerkapelle, wurde allein für uns, veranstaltet. Wir mußten uns aber dann dafür ins Antifaschistenbuch eintragen!

In den nächsten Tagen stürzte unser „armer“ Vorarbeiter und Menschenschinder ab, trudelte vom dritten Stock, durch viele Eisenträger bis nach unten und war sofort tot!

Wir bekamen einen neuen, der humaner war. Wir haben aber, von nun an, wie alle anderen, nur das Soll erfüllt: 100%.-

Dem Neuen hätte ich, nur einige Tage später, fast mit einer Brechstange von Kopf bis Fuß durchbohrt. Sie wurde im Erdgeschoß gebraucht und leider hatten wir bloß die eine. Aus lauter Blödsinn lasse ich diese schwere Eisenstange durch meine Hände gleiten, ohne Anmeldung. Ich gucke noch hinterher, wie schön sie fällt vom dritten Stock! Aber, da fährt mir der Schreck in die Knochen! Der neue Vorarbeiter kommt plötzlich, die Stange auch. Sie steht wie eine eins vor seiner Nase! Das ging noch mal gut!

Die Russen sind in allem 100 Jahre zurück. Sogar für die einfachsten Arbeiten gibt es nur veraltetes Handwerkszeug und es fehlt an allem, oft sind auch die einfachsten Hilfsmittel nicht zu besorgen.

In Hundertschaften stehen wir mittags Schlange mit zerbeulten, verrosteten Blechbüchsen und warten, daß wir aus den großen Holzkübeln, die im Hof stehen, einen Schlag Spülwasser bekommen. Abends gibt es 600 g nasses, klitschiges Maisbrot, 1 Teelöffel Zucker und einige kleine Fischchen. Manchmal findet man sogar eine Kaulquappe dazwischen oder etwas Sand. Zu rauchen gibt es täglich Tabak für 4-5 Zigaretten. Diese muß man selber drehen, aber das einzige Papier, was man dazu brauchen kann, ist die Prawda und die kann man nicht immer bekommen.

Die Toiletten sind weit hinten, im großen Hof im freien. Von zwei Seiten kann man die Stangen zum Sitzen benutzen, wie die Hühner, wenn sie schlafen gehen. Ab und zu fällt mal ein Gefangener in die Grube, aber nur eben die ganz ganz Schwachen, die dieses Elend nicht verkraften können.

Je nachdem, wo man arbeitet, kann man doch so manches „Nützliche“ an Kleinigkeiten, trotz Filzung vor dem Lagertor, noch tatsächlich durchbekommen. So ergeben sich im Laufe der Monate Tauschgelegenheiten.

Eines Tages kommt, in deutscher Offizier, in tadelloser Uniform, ein feiner Pinkel, auf unsere Baustelle in Krasnodar. Er fragt mich, wie es mir geht? Ich frage zurück, ob ich die Wahrheit sagen dürfte? Seine Antwort, ja ich bitte darum! Darauf ich: „Mir ginge es bedeutend besser, wenn ich zu Hause mit den kleinen Schweinchen aus der Futterkrippe essen könnte, denn die bekommen jeden Tag Kartoffeln mit Milch!“ Da bekomme ich zu hören, daß mich diese Antwort 15 Jahre Sibirien kostet,……mir geht die Muffe! Er guckt mich noch mal von oben bis unten an und dachte wohl, wie ich halbverhungert, mit alten, zerlumpten Russenklamotten vor ihm stehe, er ist ja doch ein armes Schwein! Dann sagt er noch: „Vielleicht vergesse ich es auch!“  Er hatte wahrscheinlich, dort, wo manche Menschen einen Stein in der Brust haben, doch noch ein Herz! Trotzdem habe ich viele Nächte noch Angst gehabt!

Jeden Tag müssen wir auf dem großen Hof zum Zählapell antreten, das dauert oft sehr lange. Ich hielt es einmal nicht mehr aus und mußte aufs „WC“, d. h. auf die Stange. Als ich zurückkomme, muß ich vortreten und bekomme 3 Tage Karzer, weil ich mich nicht abgemeldet hatte.  Als man mich über den Hof in den „Strafraum“ führt, ist schon einer drin! Ein leerer, kahler Raum, nur eine Holzstellage, die zum Liegen gedacht ist, bildet die einzige Ausstattung. Dafür ist, zu unserem Glück, ein großes Loch in der Decke! Ab und zu heben wir uns mal nach oben und beobachten den großen Hof. Als die dicke Luft vorbei ist, rücken wir die Holzstellage unter das Loch, ziehen uns gegenseitig hoch und kneifen aus! Wieder auf meiner verwanzten Pritsche, habe ich nächtelang keine Ruhe, denn die Strafen, die es gibt, sind unberechenbar und grausam! Das spricht sich immer wieder herum, denn in unserem Lager ist ein „scharfes Eck“ – hier werden Tag und Nacht die deutschen Soldaten verhört, Aussagen, manchmal mit häßlichen Mitteln, die an die Methoden der Inquisition im Mittelalter erinnern, erzwungen.

Bei Gesundheitsapellen von Hundertschaften von Nackedeis auf dem Hof werden für die Begutachtung bewußt junge Ärztinnen eingesetzt. Im Ergebnis werden Arbeitsgruppen I und II eingeteilt, die Kranken schickt man bald nach Hause, sie bringen keine Leistung mehr. Wenn aber tatsächlich noch ein Gefangener beim Anblick der schönen Ärztinnen Gefühle sehen läßt, bekommt er 3 Tage Bau. Auch wenn beim Abtasten des Hintern einer einen fahren läßt, muß er mit 3 Tagen rechnen. Doch es gibt solche Spaßvögel bei so vielen Gefangenen, Gott sei Dank, auch noch.

Abgemagerte kamen in kurzer Zeit auf eine Kolchose, um in der Erntezeit zu helfen.Tomaten, Zwiebeln, Gurken und Wurzeln wurden von Lastwagen abgeholt. Wir konnten dabei soviel essen, wie wir wollten, aber das machte sich mit Durchfall schwer bemerkbar.

 

Noch eine kleine Geschichte von Krasnodar und dem Einsatz in der Kolchose

An jeder Lagerküche steht in großen Buchstaben, „wer nicht arbeitet,  soll auch nicht essen!“ Zu jeder beliebigen Zeit wird zum Zählappell aufgerufen, Bevor die Russen mit dem Durchzählen der Hundertschaften fertig sind, vergeht immer eine Ewigkeit. Ein Offizier ist dabei, der überhaupt nicht zählen kann. Er schießt dafür aber mit der Pistole einen Vogel vom höchsten Baum herunter. Wir haben ihn als Bewacher mit auf der Kolchose, außerhalb von Krasnodar, gehabt. Ein guter Kerl! Als wir, ab und zu mal von der Kolchose aus, in nächtlichen Ausflügen durch die Sonnenblumen- und Maisfelder auf Melonenklaugingen, landete eine Beschwerde bei ihm, daß die Gefangenen die Melonenfelder plündern. Er  antwortete darauf glatt, daß seine Jungs das nicht machen und die Kolchose solle doch gefälligst besser auf die eigenen Leute aufpassen. Bei diesen nächtlichen Ausflügen mußten wir einen Grenzweg passieren, der von zwei russischen Posten bewacht wurde. In einem Moment, wo die Posten außer Sicht waren, haben wir die herrlichen Früchte eingesammelt und dann im Brackenlager gut verstaut. Die ganze Sache war doch recht abenteuerlich!

Vom Lager in Krasnodar zurückgeholt, konnten sich welche melden, die Ahnung haben vom Holzfällen, - und das hatte ich von zu Hause her. Deshalb meldete ich mich. Mit einem russischen Lkw, dessen Fahrer besoffen war, fuhren wir weit hinein in den Kaukasus. Hier im Wald, als Behausung ein Zeltlager, wir lernen neue Mieter kennen, das sind Flöhe, die uns ständig ärgern. In den riesenhaften Wäldern heulen, Nacht für Nacht, die Wölfe. Manchmal hört man, wie jemand ständig auf leere Benzinfässer trommelt, es soll die Wölfe abhalten, in die Dörfer zu kommen, weil ab und zu Federvieh oder Lämmchen gefressen werden. Nachts kommen Lkw bis zum Holzeinschlag und es wird geklaut, wie die Raben, die Meterware, die wir zur Begutachtung gestapelt haben! Wir müssen daraufhin Gräben auswerfen, als Hindernis für die Zufahrt. Die langen Baumstämme werden entästet, geschält und vermessen. Eines Tages, es war heiß, aber es wehte ein kühler Wind. Der russische Natschalnik (Chef) befiehlt, das Reisig zu verbrennen, wir sind dagegen, es ist heut zu gefährlich! Aber, wir müssen gehorchen, es dauert nicht lange und durch überspringende Funken hatten wir den schönsten Waldbrand, den wir dann alle gemeinsam bekämpft haben. Es ist aber viel Nutzholz dabei verbrannt!

Nach einigen Monaten holte uns das Lager Krasnodar wieder ab.

Das übliche Lagerleben dauerte hier nicht mehr lange, da kamen wieder die jungen Ärztinnen, die uns, natürlich nackend, begutachteten und Spritzen in Oberarme und Rücken, überhaupt nicht zärtlich, setzten.

Anschließend kam die Verlegung in den Kohlenpott Schachti am Donez!

 

Noch ein paar Erinnerungen an Krasnodar

Wenn wir in Krasnodar auf der Baustelle (Krasnaja) arbeiten, können wir unweit von hier, die harte Ausbildung der russischen Soldaten beobachten. Oft hören wir sie kräftig singen beim exakten marschieren, manchmal auch mit Marschmusik!....

Unsere Posten hatten ihre Waffen immer schußbereit, mit dem aufgesetzten Bajonett, ständig im Anschlag! Man meint, diese Burschen haben noch etwas Angst, dabei sind wir doch nur wehrlose Kriegsgefangene. Mit der Zeit legt es sich ein wenig. Um sich zu beruhigen, oder den Hunger zu stillen, sind sie ständig dabei Semitschki (Sonnenblumenkerne) in den Mund zu werfen und die Samen kunstgerecht aus den Hülsen zu knacken. Die Schalen werden, ganz gleich wo, in hohem Bogen durch die Gegend gespuckt! Gute Manieren kenne sie ebensowenig, wie die Amis, die Kaugummilutscher, kleben die Reste überall herum. Sogar bei der Unterhaltung wackelt die Futterluke ständig ………..scheußlich!

Die russischen Holzhäuser in den Dörfern sind mit Stroh oder Schilf gedeckt. Einen großen Raum nur im ganzen Haus müssen sich die Bewohner mit dem Vieh teilen! Auf einem Lehmbackofen ist der Schlafplatz, wo man mit denselben Sachen, die man am Tage trägt, auch schläft. Wanzen, Läuse und die Küchenschaben fühlen sich deshalb dort sehr wohl!

In der Mitte des Raumes ist ein Holzdeckel im Fußboden, darunter ist eine Art Keller.

In einer besonderen Ecke ist, fast in jedem Haus, ein Herrgottswinkel zum beten. Um die Häuser fast nur Wildwuchs, keine Blumenbeete, eventuell etwas Gemüse!

Die Wege sind der Natur überlassen, sandig oder matschig.

Das war ein kleines bißchen aus meiner Erinnerung.

 

Schachti am Donez – meine Erinnerung an 2½ Jahre unter Tage

 

Was wir hier am Donez, in den beiden letzten Jahren unserer Gefangenschaft, noch erlebt haben, läßt sich so gar nicht alles schildern. Man müßte Bücherdarüber schreiben, so viele Erlebnisse! Es waren sogar auch  welche zum Lachen dabei, wenn auch wenige!

Unsagbar schwere, unmenschliche Arbeiten unter Tage, vor Kohle.

 

In Güterwagen gepfercht, kommen wir in „Schachti“ am Donez an und werden wie eine Viehherde, immer noch streng bewacht, in ein großes Barackenlager eingewiesen. Hier werden wir in 3 Schichten für den Kohleabbau und die Umbauschicht eingeteilt. Ich bekomme ab sofort Nachtschicht. Statt 600 g Brot für Übertagearbeiten bekommen wir 1200 g Brot täglich. Wagenschieber auf der Strecke bekommen nur 900 g. An sonstigen Suppen und Zutaten ändert sich nichts. Es bleibt einfach ein Saufraß! Unser Schacht heißt „Proletarsk“. Ob Sommer oder Winter, auch bei Eis und Schnee, geht es zu Fuß in Gummigaloschen zur Arbeit. Die tägliche Schicht, ohne Essen und Trinken, mit Hin- und Rückmarsch dauert 14-15 Stunden.

Wenn wir ausgemergelt und kaputt etwas zu langsam latschten, schossen die Posten vor Wut in die Luft und fluchten das Blaue vom Himmel herunter. Als wir das alles kannten, versuchten wir manchmal bewußt, sie zu ärgern.

Die erste Einfahrt mit dem Fahrstuhl vergesse ich nie! Als er so plötzlich diese 180 m absackte, wurde einem schon ganz hübsch häßlich zu Mute, zumal der Fahrstuhl unten ganz schön ins Wasser patschte. Nun war alles dunkel, nur einige trübe Lampen an der Streckenwand gaben etwas Licht. Unsere Lampen, die wir für die Arbeit bekommen hatten, bringen auch nur einen fahlen Schein. Die Strecke, die wir jeden Tag bis zum Stollen laufen müssen, ist naß. Sie ist mit dicken Holzbalken verschalt. Die Gleise, auf denen Kohle- und Steinwaggons geschoben werden, sind schlecht verlegt und gefährlich, denn die Waggons müssen von den Wagenschiebern, beladen oder unbeladen, von Hand geschoben werden. Es passierte öfters, daß diese alten Klapperkisten in den Kurven aus den Schienen springen. Es ist alles, aber auch alles, primitiv und veraltet, auch alle Werkzeuge, die wir benötigen. Am Stollen angelangt, geht es seitlich in ein schwarzes Loch, hier kommt das Rutschenblech heraus, wo die abgebaute Kohle in die leeren Wagen geschüttet wird. Hier daneben müssen wir hinein. Der Stollen ist nur so hoch, daß man im Knien mit dem Rücken an die Decke kommt. Ich bin bei der Umbauschicht und muß dort, wo die Kohle abgebaut wurde, mit Steinen unterbauen, sonst würde der Stollen eines Tages zusammenbrechen. Die Steine dazu werden aus der Decke herausgesprengt. Dafür ist ein Sprengmeister zuständig. In der Mitte eines jeden Stollen läuft eine Schüttelrutsche mit 8-10, je 3 m langen Blechen. Sie wird von Zeit zu Zeit, je nach Abbau, verlegt. Es ist und bleibt ein gefährliches Arbeiten, unter Tage. So lösen sich manchmal „Kumpels“ aus der Steindecke, das sind jahrtausendalte Baumstümpfe, die kegelartig aussehen und unbemerkt herausrutschen. Befindet man sich gerade darunter, sieht es schlecht aus. Mir ist beim Stollen abstempeln mal ein Sargdeckel auf den Rücken gefallen. Es ging aber noch gut aus, weil der Rücken bei der Arbeit direkt an die Decke stößt. Meine Kumpels waren schnell da und nahmen den schweren Brocken herunter.

Morgen soll ich die Hauptstrecke bohren. Eine veraltete Bohrmaschine gab aber schnell auf, denn für 20 Bohrlöcher, je 1 ½ m tief, braucht man schon sehr viel Preßluft. Es kam aber zu wenig, die Maschine lief nicht mehr. Bevor der russische Vorarbeiter Rat schaffen konnte, setzte ich mich so lange auf die durch Stempelholz abgesicherte Strecke. Ich sitze noch keine Minute, da kracht es plötzlich und ein wahnsinnig dicker Stein flog dort herunter, wo ich bohren sollte. Er traf aber die Bohrstange. Sie war damit krumm. Ich braucht eine neue, doch da mußte ich lange warten.

 

Es ist Silvester 1948. unsere Nachtschicht ist beendet. Gott sei Dank! Im Waschraum läuft nur wenig Wasser. Man ist nachher mehr verschmiert, als gewaschen. Durch das Oberlicht sieht man den Wachturm. Der Posten da oben freut sich bestimmt auch auf die Ablösung. ---

Da kommt auch schon der neue Posten, Wasja ruft er nach oben, idi su da – bistra (komm mal her - schnell). Der Posten da oben beugt sich über die Brüstung, da knallt ein Schuß, Wasja bricht tot zusammen. Den Russen im Waschraum war das peinlich, weil wir das gesehen hatten. Wir mußten den Waschraum schnell verlassen.

Auch so etwas gibt es in Rußland.

 

Und wieder geht es zur Schicht. Als wir da unten mit unseren Funzeln die Strecke entlang gehen, muß ich unbedingt mal müssen, aber wo? Hier unten gibt es kein Klo. Ach ja, da habe ich einen Einfall, denn genau vor unserem Stollen steht eine ganze Schlange leerer Waggons. Ich steige in den ersten ein und bin froh, daß es so gut klappt. Aber meine Freude war zu früh, denn jetzt kommt die russische Schicht aus dem Stollen. Der erste, der dort herauskommt, sieht mich, freut sich wie ein König, kommt auf meinen Waggon zu, nimmt am Vorderrad den Keil weg und der Wagen saust mit mir los. Doswidania, ruft er mir noch zu.

Es wurde so eine verrückte Fahrt, daß mir angst und bange wurde. In so vielen Kurven und bei dem Tempo, konnte der Kohlewagen schnell entgleisen! Er donnerte die ganze Strecke entlang. Ich konnte mich an der Strebe, in der Mitte des Waggons etwas festhalten. Vor dem Fahrstuhl gab es einen Knall, der Wagen sprang vorn hoch und ich saß mit dem nackten Hintern auf der Rückwand. Das Schlimme waren die Kohlesplitter, die noch an der Rückwand klebten. Das tat wirklich weh! Das war das Ende der Fahrt des „gefüllten Waggons“. Ja, und mir blieb nur übrig, die ganze Strecke zurückzulaufen und meine Schicht zu beginnen. Von meinen Kumpeln wurde ich noch tüchtig ausgelacht.

Dabei hatte ich noch viel Glück, nicht auszudenken, wenn der Wagen in einer der engen  Kurven entgleist wäre, zerquetscht hätte ich zwischen den nassen Stempeln gelegen! ---

 

Die Gasvergiftung

Wir arbeiten, wie üblich im Stollen, als auf der Strecke die Bohrungen, die mit Sprengsätzen gefüllt worden sind, gezündet werden. Auf diese Art wird die Strecke für alle Transportmöglichkeiten, Meter für Meter, weitergetrieben und mit dicken Holzstempeln abgesichert. Wir hören bei der Arbeit das Krachen der Explosion. Da ist auf einmal die Frischluftzuführung von oben unterbrochen, auch die Absaugung der Gase fällt aus. Eine dicke Wolke zieht in unseren Stollen herein. Wir arbeiten dabei weiter, aber unsere Kräfte lassen nach. Wir werden alle so müde und schwach, daß jede Bewegung zur Qual wird. Da kommen Russen herein, helfen uns noch aus dem Stollen hinaus bis auf die Strecke und bringen uns mühsam bis zum Fahrstuhl. Als wir oben ankommen, steht schon ein Krankenwagen bereit und fährt uns sofort ins Krankenhaus! Um möglichst viel frische Luft zu atmen, werden wir ins Freie gelegt. Nach einigen schönen Maitagen, versorgt mit frischer Kuhmilch, geht es langsam wieder besser und wir können wieder einfahren.

 

Ganz großes Glück und ein guter Schutzengel!

Wie schon so oft im Krieg, bin ich auch hier oft im letzten Moment dem Totengräber, wie man so sagt, von der Schippe gehopst. Seitdem glaube ich an Schutzengel, hier, beim Schreiben steht mir einer gegenüber, den mir meine Tochter zu meinem 85. Geburtstag geschenkt hat. ---

Eines Tages bekommen wir von den Russen den Auftrag, die gesamte Kohlerutsche und die Maschine, die die Rutsche antreibt, abzubauen und vom Stollen aus auf der Strecke zu lagern. Wir merken wohl das Knistern, die Stempel, die die Decke abstützen, fangen an, sich zu spalten! Die Rutschbleche haben wir herausgeschafft und machen eine kleine Pause, dort, wo wir sicher sind. Man kann ja nie wissen! Im selben Moment ein Krachen, ein mächtiges Rumpeln im Stollen. Das Schlupfloch, wo wir eben noch die Rutschenbleche herausgezogen hatten, fällt zusammen. Da kann keine Maus mehr durch. Der schwarze Staub fliegt in einer dicken Wolke die lange Strecke entlang. Nun muß auch die Maschine dort bleiben, wo sie war!

 

Im Winter 1948 bringt uns ein Transport nach Iswarino. Wieder im Kohlenpott arbeiten! Auch hier Barackenlager und jede Menge Untermieter, die uns das Leben zur Hölle machen. Es sind Wanzen, Flöhe, Läuse und auch Küchenschaben.

Nun, wir müssen damit leben.

Zum Schacht Popowka fährt uns täglich eine kleine Lok mit zwei Güterwagen. Bis zur Haltestelle müssen wir extra 1 km laufen. Die Posten sind schon gemütlicher geworden. Die übertriebene Strenge hat nachgelassen. Im neuen Lager selbst ist noch alles so ähnlich, wie in Schacht am Donez. Die Verpflegung ist ein kleines bißchen besser, man findet in der Suppe schon mal ein paar Kartoffelschalen, statt Brennesseln, Melde und junge Rübenpflänzchen von der Kolchose! Sogar Kapustablätter (Krautblätter) oder ein paar Tomatenstückchen sind manchmal zu finden.

Als wir eines Tages durch die Kälte und den Neuschnee latschen, müssen wir lange warten. Wir haben schon eiskalte Füße, da kommt die Bahn angedampft. Schnell machen wir die Schiebetore auf und wollen einsteigen, aber heute ist die Bahn schon vollgeladen, mit Russen. Wir dürfen nicht mit einsteigen. Ein Russe tritt mir mit dem Fuß auf die Hand, als ich mich an der Außenkante festhielt. Als er nochmals mit seinem Filzstiefel auf meine Hand treten will, ziehe ich ihm schnell den Stiefel aus und werfe ihn weit weg, in den Schnee. Der Zug aber fuhr ab, der Stiefel lag im Schnee, er konnte ihn nicht wieder holen. Ein Lkw mußte uns dann zum Schacht fahren, aber der Fahrer war besoffen. So hat uns ein deutscher Landsmann noch zum Pütt gebracht.

 

Im Schacht Popowka liegt das bißchen Kohle nur in etwa 18 m Tiefe. Der Flöz ist aber nur einen Fuß hoch und überall, in diesem schwarzen Loch läuft Wasser, von der Decke und von den Seiten! Der Stollen ist nur so hoch, daß man sich nur, entweder auf dem Rücken oder auf dem Bauch, hineinschieben kann. Die Werkzeuge, eine Schippe und eine Hacke müssen wir vorher hineinwerfen. Es dauert nicht lange und wir sind komplett naß und schwarz. Das kleine bißchen Kohle müssen wir im Liegen über den Bauch hinweg, in einen Holzschlitten schippen, der ab und zu mal auf die Strecke gezogen wird. Die Lampe müssen wir seitlich in ein  Loch, das herausgehackt werden muß, stellen, sonst ist sie für diesen Stollen zu hoch!

Es ist dunkel, naß und eng, daß einem Angst wird. Nach jeder Schicht erscheinen wir pudelnaß und schmierig wieder über Tage. Dort habe ich mir geschworen, nie in meinem Leben wieder unter Tage zu arbeiten. Lieber fahre ich bei einem Bauern Jauche und Mist auf die Felder!

Gott sei Dank, sind wir hier, im Schacht Popowka, nur wenige Wochen, aber das reicht uns schon!

Diese primitiven Schachtanlagen sind überall gleich. Maschinen sind oft defekt, weil veraltet. Bei nötigen Reparaturen gibt es kaum Ersatzteile. Die Werkzeuge sind schlecht und vergammelt. Nur mit Mühe schaffen wir die geforderte Arbeitsleistung von 100 %.

Im Lager am Donez bleibt es noch bei den üblichen Zählappellen. Jeden Tag dröhnt aus riesigen Lautsprechern, unaufhörlich, die Sowjethymne!

Die ärztlichen Untersuchungen, wie üblich, viele Spritzen in Arme, Bauch oder Rücken. Wir wissen nicht, wofür!

Aber, insgesamt wird das Lagerleben etwas erträglicher.

 

Inzwischen funktionierte der Postverkehr von und zur Heimat leidlich. Das ist doch eine große Verbesserung. Wir mußten ja, bis jetzt, ohne jegliche Nachrichten aus der Heimat leben!

Hier haben wir das erste Mal etwas ausgezahlt bekommen. Was über das Lagergeld hinaus ging, bekamen wir dann später, vor der Entlassung. Man konnte sich dafür etwas Butter, Brot und Zucker dazukaufen. Eine Art von Tante Emma Laden hier am Lager durften wir schon besuchen.

Eines Tages fragte ich den russischen Posten, ob ich mal in die Stalowa (Tante Emma Laden) gehen dürfe. Da bekam ich eine Ohrfeige, da er sich gerade mit einem Offizier unterhielt. Sicher trug ich einen Teil der Schuld, da ich die Situation nicht beachtet hatte. Ich sah die Strafe, bei den dort herrschenden Verhältnissen, als einigermaßen gerechtfertigt an. Der Schlag war auch so, daß er nicht schmerzte.

Ansonsten habe ich in den 4½ Jahren drastische, persönliche Ungerechtigkeiten nicht erfahren.

 

Das Zusammenleben zwischen Gefangenen und Bewachern entspannte sich langsam. Unter den Gefangenen werden Künstler entdeckt, die der Russe sogar fördert. Es bildet sich eine Musikkapelle, der Russe besorgt Instrumente und Kostüme.

Es spricht sich herum, daß wir tatsächlich bald nach Hause kommen. Wir sind aber immer  wieder von den Russen, mir dem Versprechen, nemezki skora budjet damoi (Deutsche, ihr kommt bald nach Hause) vertröstet worden. Als alte Lanzer haben wir schon so manche Latrinenparole zu hören bekommen. Wir glauben nicht mehr so leicht etwas.

Doch von dem Nebenlager fährt ein Transport in den nächsten Tagen ab! Wir sollen die nächsten sein! Was ist das für eine herrliche, frohe Nachricht. Das wirkt sich auch noch da unten in den schwarzen Löchern, bei der Arbeit, aus. Die Woina Plennis (Kriegsgefangene) werden vor Freude bald übermütig.

In den nächsten Tagen werden wir eingekleidet, bekommen das letzte Geld ausgezahlt. Wir können es ausgeben, dafür einkaufen und „ganz frei“ im Ort herumlaufen!

Schon Wochen zuvor durften die Haare wieder wachsen. Damit wir bei der Ankunft in Deutschland besser aussehen, bekommen wir noch jeden Tag Bierhefe als Sonderzuteilung. Auch das Essen allgemein wird besser, die Suppe dicker und die Zuspeise „Kascha“ (ein dicker Brei) gibt es einen Löffel mehr.

Doch eine Verschiebung um ein paar Tage macht uns wieder mißtrauisch. Sollte es wieder einmal nur eine Latrinenparole gewesen sein?

 

Doch in den letzten Wochen erleben wir sogar noch einen bunten Abend, bei dem sich die Iwans in der ersten Reihe sogar vor Vergnügen auf die Schenkel schlagen. Es gab sogar Fußballspiele, Deutsche gegen Russen. Das Eis war damit gebrochen. Ganz besonders sogar, herzliche Abschiedsvorstellung.Lobeshymnen auf die gute Wiedergutmachungsarbeit gibt  es am laufenden Band. Die deutsche Musikkapelle spielt deutsche Schlager, die noch „Wojna Plennis“, in ihren schäbigen Klamotten müssen der Freude Luft machen, sie springen herum, wie die Kinder, tanzen miteinander, denn es geht wirklich in die geliebte Heimat zurück.

Damit waren 4 ½ Jahre einer fürchterlichen, menschenunwürdigen Zeit zu Ende!  

Als der Sonderzug mit seinen vielen Güterwagen bereit steht, dürfen wir ihn sogar schmücken.

Kein Mensch, der das nicht erlebt hat, kann mitfühlen, wie das ist, wenn man nach diesen Jahren, ohne besondere Bewachung in die Freiheit und Heimat entlassen wird! Die Tore an den Waggons bleiben offen stehen, man kann die Beine nach draußen baumeln lassen. Als die Lok anfängt zu schnaufen, zu dampfen und zu pfeifen, geht ein Schauer des Glücks durch den ganzen Körper.

Es sind schon einige, die sagen können, ich fahre nach Hause. Aber auch vielen ging es so, wie mir. Ich hatte kein Zuhause mehr! Die Siegermacht hatte sie den Polen geschenkt. Auch gibt es leider welche, die in diesen Jahren sogar die eigene Frau und die Kinder nicht wiedersehen, ein anderer hat sich der Familie angenommen!

So fährt jeder, mit seinen eigenen Gedanken beschäftigt, durch die weite russische Landschaft nach Hause oder zu einem Neubeginn zurück. Meine Mutter werde ich nicht wiedersehen, sie ist am 18. Dezember 1948 in Herzfeld bei Soest, wo sie menschenunwürdig untergekommen war, fern von ihrer schlesischen Heimat, gestorben. Sie mußte in Schlesien noch, mit meinen Schwestern, bevor sie vertrieben wurden, beim neuen polnischen Besitzer auf ihrem Eigentum als Magd arbeiten.

 

In Brest-Litowsk wird angehalten, wieder Entlausung, neue Wäsche und Verpflegung. Nächste Stationen sind Warschau und Frankfurt/Oder. Wer noch Geld hat, kann es hier ausgeben. Es gibt noch einmal Brot, bevor es weitergeht nach dem eigentlichen Entlassungslager Friedland. Als der Zug hier einfährt, steht schon das „Deutsche Rote Kreuz“ mit Kaffe und belegten Brötchen auf dem Bahnsteig. Es ist bald Abend, bis wir in das Barackenlager eingewiesen werden und ein Taschengeld in DM erhalten.

Als wir draußen noch eine Nase frische Luft holen, hören wir Blasmusik, mein Gott im Himmel, die spielen ja das Deutschlandlied! Wir sind von den Socken, denn das war in Rußland streng verboten! Aber hier im Ort ist heute Abend Tanz, mein Freund aus Borken hat Lust, mal zu schnuppern und Lust auf ein Gläschen Bier an der Theke. Ich auch, also gehen wir beide mal hin. Die Musik kann man draußen schon hören, da zuckt es wohl schon in den Knochen, aber tanzen in den Russenklamotten? Lächerlich, in der Wattejacke und Schuhen von der billigsten Art, harter Stoff mit Lederflecken an den Seiten und als Kappe.

An der Kasse am Eingang sieht man sofort, wo wir her kommen, für uns – Eintritt frei! Gerade mal drin, gibt mir einstockfremder Mann seine Frau in den Arm zum tanzen. Ich komme mir blödsinnig vor, denn diese Frau ist sehr nett, obwohl sie merkt, daß ich noch etwas tolpatschig bin. Mit Dank und einer artigen Verbeugung bringe ich sie zu ihrem Mann zurück. Etwas später erfahre ich, daß es der Bürgermeister mit seiner Gattin war. Es war noch ein schöner Abend, aber die Gedanken ließen mich nicht los. Ich hatte ja kein Zuhause mehr. Am nächsten Tag sollte ich in eine fremde Stadt im Münsterland in Westfalen. Da gingen ständig tausend Gedanken im Kopf herum!----

Am nächsten Morgen gab es nach dem reichhaltigen Frühstück auch noch eine Marschverpflegung für die Fahrt. Nach der genauen Untersuchung von Fachärzten erhielten wir die Entlassungspapiere und den Freifahrtschein nach Coesfeld. Von zwei meiner Schwestern, die hier bei netten Menschen angestellt waren, wurde ich am Bahnsteig abgeholt und in eine nette Familie eingeführt.

Ich bekam, solange ich noch keine Arbeit und kein eigenes Zimmer hatte eine gute Versorgung. Es war eine Familie, die in der Nähe des Bahnhofs ein Haushaltswarengeschäft mit Glas- und Porzellanwaren betrieb. Ich lebte in dieser Familie, die statt einer besonderen Geldspende für die Stadt, michsolange betreut und mit in die ganze Familie aufgenommen hat. So bekam ich hier schon so manchen Tip und Rat, was zum Leben notwendig war. Jahrelang keine Zeitung, kein Radio, man lebte wie auf dem Mond, das tut nicht gut.

Doch ich muß sagen, daß ich in Coesfeld in kurzer Zeit, viele nette Menschen kennengelernt habe. Ich habe nie erleben müssen, daß man mich merken ließ, ich sei nicht von hier. Vielleicht trug auch meine Musik mit dazu bei, denn Musik verbindet. An allen möglichen Festlichkeiten, mit Musik und Tanz, in unserer Umgebung habe ich mitgewirkt. So bekommt man sehr schnell gute Kontakte.

 

So, lieber Wolfgang, jetzt hast Du, trotz dieser Miniaturausgabe, eine ganze Menge zu lesen. Ich habe ja nur Volksschule auf dem Dorf gehabt, deshalb sind meine Berichte und Erinnerungen einfach und schlicht geschrieben.

Ernst Jauernick, Coesfeld, im Jahre 2005

 

Digitalisiert von Wolfgang Leistritz, Leipzig Juni 2005

 

 

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Hier folgt nun der später geschriebene Bericht über die Kriegserlebnisse 1941 - 45. Heerführer aller Kriegsbeteiligten haben darüber viel geschrieben. Hier hat mal ein einfacher Soldat seine erschütternden Erlebnisse festgehalten.



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AUS DEN ERINNERUNGEN ERNST JAUERNICKS, TEIL 2, KRIEGSERLEBNISSE

 

Vorbemerkungen

 

Lieber Wolfgang, wie versprochen, schicke ich Dir heute einige Begebenheiten aus dem Kriegsgeschehen 1941-45 der 252. Schlesischen Eichenlaubdivision, gegen Rußland.

Man kann ja von vier Jahren Krieg nur eine Auswahl zusammenstellen und die kann auch nicht jede Einzelheit enthalten. Aber, schon beim Schreiben sieht man das Geschehen so genau, als wäre es heute. Noch habe ich immer mal schwere Albträume, daß ich froh  bin, wenn ich wach werde, aber Angst habe, wieder einzuschlafen.

Deshalb verstehe ich die jungen Leute nicht, die heute Grausamkeiten und Brutalitäten verherrlichen, wie ich es in der letzten Zeit, im Fernsehen, bei den Nachrichten erfahren mußte.

Ansonsten sehe ich mir kaum Krimis an und Kriegsfilme und ganz besonders nicht diese heldenhaften Westernfilme, die ja wahre, schießwütige Alleskönner präsentieren

Ja, lieber Wolfgang, Du wirst beim Lesen merken, an der Schrift, daß mich diese ganzen Erinnerungen an die Geschehnisse ziemlich mitnehmen. Ich denke, daß Du auch beim Lesen der 18 Seiten manchen Fehler entschuldigst.

Eine Abschrift von dem gesamten Bericht geht wahrscheinlich zum ZDF. Sie hatten mich gebeten, den gesamten Bericht für sie aufzuschreiben, denn für das Buch „Barbarossa – der verdammte Krieg“, von Guido Knopp hat man von meiner Geschichte nur den Artikel (mit Bild) vom eiskalten Winter 1941, im Buch veröffentlich.

Dir und Deiner Familie alles Gute und Gesundheit, viele herzliche Grüße

Dein Landsmann Ernst

 

Coesfeld, den 2. März 2007



Mein Weg in der Schlesischen Eichenlaubdivision 252

 

Die sehr harte Rekrutenausbildung in Gora Kalwaria ist vorbei, wir werden verlegt in das Barackenlager in Radom, für die weitere Ausbildung, zum Fahrunterricht mit Pferden. Sie müssen jeden Tag in einem unheimlichen Matsche auf dem Übungsplatz einige Runden bewegt werden und auch das Einspannen im Sielengeschirr am Munitionswagen üben. Rund um das Lager ist nur Matsche, die Pferde müssen danach zum Teil abgewaschen werden. Ebenso verdreckt sind auch unsere Stiefeln. Wir, als junge Pimpfe, wie uns die älteren, schon erfahrenen Landser nennen, müssen auch nachts die Stallwachen übernehmen. Eine Unzahl Ratten glotzt von oben aus dem Gebälk. Ab und zu bekommen wir auch Besuch von den Biestern. Sie belästigen uns unter dem Woilach (Pferdedecke) mit dem wir uns zudecken können.

Nach einigen häßlichen Tagen wird die Munitionskolonne 7 zusammengestellt. Bespannt geht es in Nachtmärschen durch Dörfer, sehr oft auch durch Wälder, wo wir auch kampieren müssen und die Tiere versorgen. Nach einigen Tagen sind wir an der russischen Grenze, in der Nähe vom Bug.

Am 22. Juni, um 3 Uhr früh wird Alarm gemeldet. Um 4 Uhr verliest der Führer, Adolf Hitler, die Proklamation, daß ab sofort in Rußland einmarschiert wird. Die Deutsche Wehrmacht beginnt den Krieg mit der Sowjetunion.

Über eine behelfsmäßige Pontonbrücke schaukeln wir über den Bug.

Inzwischen donnert es aus allen Rohren, leichte und schwere Geschütze, Panzerketten rollen lautstark ins feindliche Land. Die Luft dröhnt von Stukas und schweren Bombern. Es ist ein Bersten und Krachen, daß man meint, die Welt geht unter!

Die deutschen Truppen überrumpeln die Russen unverhofft; man merkt, was da alles liegenbleibt. Unsere Division mit sämtlichen Einheiten ist auf dem Vormarsch im Mittelabschnitt Byalistok, Slonin, Baranowitsch, Minsk! Schon müssen die Pioniere ganze Arbeit leisten, durch Anlegen von Knüppeldämmen durch Sumpfgebiete. Alle Straßen sind miserabel, besonders durch die Dörfer.

 

     
Vormarsch bei Minsk, abgeschossener russischer Panzer, 1941    


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Kartoffeln schälen, 1941

 

 

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Meldereiter Ernst jauernick an der Ostfront, 1941

 

Erst einmal geht es zügig voran, denn einige neue Waffen werden eingesetzt, kleine, ferngesteuerte Panzer werden direkt an die Schützengräben oder auch in Bunkeranlagen gesteuert und zur Explosion gebracht. Do-Werfer mit mehreren Geschossen bringen den Russen viele Tote. Es sind Preßluftgranaten, die sofort die Lungenbläschen platzen lassen. Sie liegen da, als wenn sie nur schlafen. Der Russe wirft Flugblätter, „wenn diese Waffe im Einsatz bleibt, bleibt kein deutscher Soldat am Leben, wenn er in Gefangenschaft gerät“!

Panzerfäuste und Stukas zu Fuß werden weiterhin eingesetzt. Mit meinem Chef durfte ich diese Neuheiten mit besichtigen. Ich hatte z. Zt. das Reitpferd vom Oberleutnant in Pflege und habe ihn mit meinem tollen Schimmelchen, sie hieß Minka, begleiten dürfen.

Jetzt meldete sich öfter der Russe mit seiner heulenden Stalinorgel, eine gefürchtete Waffe. Sie streut in weitem Umfeld…..die Stahlsplitter von 24 Geschossen hintereinander. Auch die Rattas, diese leichten Sperrholzkisten, die meistens nachts umherfliegen, sind unberechenbar. Sie haben die Spitznamen „UvD“, „Nähmaschine“ und „Nebelkrähe“.

An der Desna machten sich die ersten Ausfälle von Soldaten und Pferden bemerkbar.

Bei einem Gewaltmarsch bei Bobruisk machten wir mit unserer bespannten Nachschubkolonne in einem großen Obstgarten Pause. Hier liegen eine größere Menge halbverfaulter, hohler Baumstämme. Als erstes müssen unsere Pferde Wasser und Futter bekommen. Das Wasser müssen wir oft lange suchen, denn Wasserleitungen gibt es auf den Dörfern nicht. Man muß das Wasser aus Ziehbrunnen oder aus Teichen und Tümpeln holen. Ehe wir an uns selbst denken konnten, beginnt ein wahnsinniges Chaos! Die Pferde schlagen mit den Hinterbeinen aus, springen durcheinander, unser Schirrmeister fällt vor mir um, wie ein nasser Sack!

Hier wollen uns Abertausende von Bienen, mit uns unbekannter Aggressivität, das Leben zur Hölle machen. Sie stechen besonders die Pferde, weil sie mit den langen Schwänzen um sich schlagen. Auf schnellstem Wege müssen wir hier weg! Dem Schirrmeister ziehe ich mit einem Taschenmesser 11 Stacheln aus seiner Glatze!

Einige Pferde müssen wir zurücklassen, sie sind von den vielen Stichen stark geschwächt. Bei den anderen kommen sie Monate später aus dem Fell, diese Stellen bleiben für immer kahl.
 

Es ist die Desna bei Beresina, Rogatschow, Kritschew – in diesem Abschnitt haben wir heiße Sommertage. Wir schwitzen und haben Durst! Da kommen wir, Gott sei Dank, an einem kleinen Bach vorbei – auf die Schnelle etwas trinken, aber das Wasser schmeckt gar nicht gut! Als wir ein Stück weiterkommen, flußaufwärts, wissen wir warum! …..Im Bach liegt ein totes Pferd, dem Aussehen nach, schon längere Zeit.

Erbarmungslos geht der Vormarsch weiter, es liegen schon öfters Tote herum, die von der Sonne dick und glasig aussehen – auch Kriegsmaterial, (erst noch) von den Russen. Die Dörfer sind meistens leer. Freilich, finden wir vereinzelt auch noch Bewohner vor. Wir bemühen uns, korrekt zu diesen Menschen zu sein. Ab und zu hält sich mal einer von uns nicht dran, aber, das bleibt die Ausnahme! Die Holzhäuser sind fast alle ähnlich, Strohdächer, ein großer Raum mit einer Gebetsecke. Im Fußboden ein Deckel, darunter eine Art Keller. Auf dem Petschcu (Kachelofen) wird geschlafen, in Felle gewickelt oder in dem Pelz, den man am Tag im Winter anhatte, liegen sie auf der Plattform des Ofens. Neben der großen Stube geht es einige Stufen hinunter, dort wohnt das Vieh. Wenn wir mal das Glück haben, ein solches Haus oder Scheune als Unterkunft zu benutzen, lernen wir, überall, wo wir auch sind, noch Mitbewohner auf unliebsame Weise kennen! Wir bekommen seit einiger Zeit die ersten Läuse, die uns Tag und Nacht piesacken. Auch Kakerlaken Wanzen und Flöhe sind immer wieder unsere ekelhaften Begleiter! Unser Eindruck, daß vor allem das Leben auf den Dörfern in Rußland 100 Jahre zurück ist, wird immer wieder untermauert!

Der Russe läßt die Stalinorgel aufheulen und Geschützdonner macht sich in unserer Nähe gewaltig bemerkbar! Noch kann die Deutsche Wehrmacht genügend dagegen setzen. Manchmal werden schon zum Schutz Bunker gebaut. Dicke, auf die Schnelle gefällte Baumstämme werden als Decke eingelegt.

Wir erleben in der folgenden Zeit die Kesselschlacht bei Wjasma. Viele, viele tote russische Soldaten werden mit Panjefahrzeugen herangefahren, auf einen großen Haufen geworfen und verbrannt. Im Radio kommt der tolle Wehrmachtbericht! Schon jetzt gibt es aus unserer Gulaschkanone schlechteres Essen. Partisanen sprengen oft Schienen an den Bahnlinien oder auch den Nachschub. Es fehlen Bekleidung, Munition und Sprit für alle motorisierten Einheiten!

Wir, als junge Soldaten sehen jeden Tag die fürchterlichen Grausamkeiten, die ein so elender, menschenunwürdiger Krieg mit sich bringt….

Nach einigen Tagen Stellungskrieg geht es wieder weiter, auf sehr schlechten Wegen und Straßen, die nur so heißen, in Richtung Smolensk, Moscheisk – Rusa. Aber es ist inzwischen Herbst und es beginnen die Schlammschlachten. Wir, ein paar junge Soldaten, melden uns zur schweren Artillerie. Das Munitionfahren waren wir leid.

 

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Noch geht es nach vorn!    

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10,5 cm Geschütz

 

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Dorogobusch im Kessel von Wjasma, russ. Gefangene

 

 

Aber auch die schwere Artillerie war noch bespannt. Vier Pferdpaare zogen den 80 Zentner schweren Rohrwagen und auch die Lafette, 120 Zentner schwer, wurde von vier Pferdegespannen gezogen. Komischerweise hatten wir noch keine Reithose und Reitstiefeln. So saßen wir noch lange Zeit mit der langen Hose und mit Schuhen im Sattel. Natürlich fühlten wir uns nicht ganz wohl dabei.

Erst war es die unheimliche Schlammperiode, die unseren Einheiten sehr stark zugesetzt hatte und so manche Ausfälle an Pferden und Mannschaften verursachte, so war es jetzt Väterchen Frost, mit dem frühen Wintereinbruch, worüber Stalin sich die Hände reiben konnte, denn seine Soldaten hatten von Kopf bis Fuß warme Winterbekleidung und wir ….. Sommersachen! Blieben im Schlamm Panzer, Geschütze und Fahrzeuge aller Art stecken begann uns nun erbärmlich zu frieren.

Der Stellungskrieg war vorbei und der letzte, ganz bedeutende Großangriff für dieses Jahr in Richtung Moskau, Borodino, Moshaisk, Rusa, Istra beginnt. Nur noch nachts geht der große Vormarsch bis Moskau. Wir hausen in diesen Wochen nur in Wäldern und frieren, wie die Hunde. Mit ein paar grünen Zweigen von Fichten machen wir ein Feuer an. In den Qualm dieses Feuers hängen wir unsere Unterwäsche, um die vielen Läuse zu vernichten! Was es bei -45° Grad bedeutet, kann nur jemand erfassen, der das erlebt hat. Schon beim Anziehen sind die Mistviecher wieder da! Besonders an den eitrigen Frostbeule im Nacken und unter den Armen stillen sie ihren Hunger am liebsten.

Die armen Pferde bekommen nur noch grüne Zweige von Fichten und eiskaltes Wasser, das wir mit der Spitzhacke aus einem Teich holen. Jeden Morgen sind 2 oder 3 Pferde tot, liegen mit aufgeblähten Bäuchen, erfroren im Schnee. Mit diesen Ausfällen wird der Gewaltmarsch nach Moskau stark gefährdet. Hungern und frieren müssen auch wir, was ist das doch für ein Scheiß-Krieg!

Nach 6 langen Wochen erreichen wir Istra, 14 km vor Moskau. Unsere 12. Batterie schießt sich nach Planquadrat ein! Das bißchen Brot, was uns noch am Leben hält, ist gefroren. Wir müssen es mit dem Beil in Stücke hacken und in der Hosentasche auftauen! Es kommt nicht mehr zum Beschuß nach Moskau, denn wir haben viele Ausfälle an Soldaten, die verwundet und krank sind oder Erfrierungen haben. Es fehlt an allem, der Nachschub wird ständig von den Russen bombardiert oder Partisanen sprengen die Nachschubzüge. Neuerdings schieben sogar die Urlauberzüge 2 leere Waggons vor sich her! Ehe wir die Stadt beschießen können, kommt uns der Russe zuvor! Er hat 11 sibirische Divisionen im Einsatz. Mit einem höllischen Krach beginnt er an der ganzen Front eine gewaltige Offensive, daß uns Hören und Sehen vergeht. In der Luft gewaltige Bomberverbände, Panzer rollen in unsere Stellungen. Geschütze aller Art schicken ihre todbringenden Granaten herüber und die Stalinorgeln sendet rotglühende Granaten das alles jagt uns wie die Stoppelhasen zum Teufel. Unser allererster Rückzug beginnt kurz vor Weihnachten 1941 so überraschend schnell, daß auch vieles von unserem Kriegsmaterial liegen bleibt. In der Nähe von Rusa ist großes Antreten, derer, die es noch geschafft haben, wegzukommen.

 

ostfrwinterkrieg ostfrmoskau ostfreisenbahn
Der Winter, Stalins Verbündeter Moskau, Dezember 1941, die Russen haben noch Reserven Die Partisanen werden immer aktiver, besonders den
Nachschublinien gelten ihre Aktivitäten


Die Front hat sich wieder beruhigt, ---- so können wir die Zugpferde nach einigen eisigen Wochen, in einem großen Stall auf einer Kolchose unterbringen. Gott sei ewig Lob und Dank, auch ich kann mir nach dem Versorgen der Pferde, ein Plätzchen im Stroh zum Schlafen suchen. Seit Wochen das erste Mal kann ich mir die Schuh ausziehen! Ach du lieber Himmel, ich hätte in den letzten Tagen in den Waldgebieten heulen können vor Schmerzen, bei der eisigen Kälte, jetzt sehe ich auch, warum! An den Socken bleiben zwei Fußnägel hängen, sie sind abgefroren. Ein Arzt war nicht bei uns, aber ein Veterinär, für die Behandlung von Pferden. Als er das sieht, sagt er nur „oh“ und streut mir ein Puder drauf. Ich kann weder in Schuhe, noch in Stiefel. Da kommt auch schon ein Überfall von den Iwans. Ganz schnell zerreiße ich eine Pferdedecke und wickle beide Füße ein. Da kommt auch schon der Chef und schreit, alles sofort marschbereit machen, anspannen zum Rückzug! Wer nicht schnell genug ist, fällt dem Russen in die Hände. Ich hole meine beiden Pferde und „möchte“ wohl noch anspannen, aber ---- da tritt mir ein Pferd auf die Fußlappen und ich stehe barfuß im eiskalten Schnee. Beim Laufen ist jeder Fußabdruck im Schnee blutig! Einer der Kameraden sieht das und setzt mich auf einem Munitionswagen auf den Bock! Beide Seiten der Rollbahn sind vom Iwan besetzt, ich sitze als Zielscheibe auf dem Bock des Wagens, denn laufen kann ich nicht mehr. Aber, ich hatte wohl einen Schutzengel, denn kein Schuß fiel auf mich. Unser Chef wurde auf einem Schlitten vorbeigefahren, er hatte einen Bauchschuß abbekommen. Als unsere Einheit etwa 20 km Rückzug hinter sich hatte, trat wieder etwas Ruhe ein. Ein Offizier ließ den Rest seiner Truppe antreten. Da wurden erst einmal die Verwundeten und die mit Erfrierungen aussortiert. Ich noch am selben Tag, abends, auf den Hauptverbandsplatz. In einem gedeckten Plattenwagen, der mit etwas Stroh ausgelegt war, wurden wir durch die eiskalte Nacht und den dicken Schnee gefahren. Es war so kalt, daß im Wagen jedes Eisenteil eine weiße Mütze aufhatte. Einige Male mußte uns der Fahrer des Lkw und sein Beifahrer aus den Schneewehen herausschaufeln. Als wir am Verbandsplatz ankamen, bekommen wir etwas Warmes zu trinken und ein Käsebrot, das schon sehr trocken war. Heute war Heiliger Abend, wir liegen auf Stroh, bis zur Abfahrt ins Lazarett Gschatzk, das etwa 80 km von Moskau entfernt ist.

Erst werden Verwundete und Soldaten, die Erfrierungen haben, mit neuen Verbänden versorgt, denn die Läuse machen allen zu schaffen, denn sie machen sich über die eitrigen Wunden her! Am frühen Morgen kommt ein Krankenwagen und holt uns ab. Hier im Lazarett können wir erst einmal anständig baden und bekommen frische Wäsche. Ein Kumpel von mir, mit dem ich bis zu meinem weiteren Abtransport in ein Heimatlazarett, ständig zusammen war, hatte nur die Fingerspitzen angefroren. Er konnte laufen und holte ab und zu unsere Feldpost. Manchmal kam sogar ein 100-g-Päckchenmit Speck an, was wir uns dann geteilt haben. Er bekam in diesen Tagen die Gelbsucht und mußte zurückbleiben in Gschatzk und wir haben uns nicht wiedergesehen. Er war fast ein Freund. Nach 26 Jahren lese ich im „Wüstewaltersdorfer Heimatboten“ seine Anschrift! Ich schreibe von Coesfeld aus und meine Nachricht bekommt er genau an seinem Geburtstag! Die Freude war so groß, daß er sofort antwortete, Mensch Ernst, das war mein allerschönstes Geburtstagsgeschenk! --------

Mein Lazarettzug fuhr durch die russische Landschaft bis Brest-Litowsk. Hier wieder Entlausung, frische Wäsche, gute Verpflegung und ein weißes Bett. Mannometer, man kam sich vor, wie Graf Rotz! Aber ----- ich habe die erste Nacht im molligen Bett so gut geschlafen, daß ich das Bett vollgepinkelt habe, so daß noch eine Lache unter dem Bett hervorlief. Als am Morgen die hübschen jungen Schwestern das erste tolle Frühstück ans Bett bringen, sahen sie die Bescherung. Ich hätte vor Scham ins kleinste Mauseloch kriechen wollen, konnte mich aber nur entschuldigen. Da lachte die Schwester und sagte, Sie brauchen sich bestimmt nicht zuschämen, denn das passiert allen, die von der Ostfront kommen und die eisige Kälte von 45 Grad ertragen mußten! Hier wurde ich 14 Tage fast verwöhnt und dann mit dem Lazarettzug von Brest-Litowsk nach Wien verlegt. Hier wieder Entlausung, frische Wäsche und ein frisches, weiches Bett. Schlimm war für uns, daß uns sämtliche Körperhaare abgeschnitten bzw. abrasiert wurden. Offiziere blieben von dieser Prozedur verschont. Wenn man in den Spiegel sah, kam man sich vor, wie ein Zuchthäusler. Sonst war es in Wien sehr schön, besonders dann, als ich nach Wochen wieder Schuhe anziehen konnte!

Von Wie aus bekam ich, vor der Abfahrt an die Ostfront, 1 Tage Genesungsurlaub. Danach mußte ich mich beim Ersatzhaufen in Königshütte melden und wurde nach wenigen Tagen wieder an die Front geschickt.

Hier bei Gschatzk werde ich zur II. Abteilung der Artillerie, kommandiert. Es ist die leichte Artillerie, 10,5 cm Geschütze, erst als Meldereiter dann auch am Geschütz eingeteilt. Noch ist Stellungskrieg, wir hausen in Bunkern, die Einheiten werden neu aufgestellt.

Das Leben im Bunker ist fürchterlich, mit mehreren Mann schlafen, die Schweißsocken stinken zum Himmel, alle furzen – sicher, das ist menschlich, wenn aber dann noch in diesem Gemeinschaftsraum getrunken und gegessen werden muß, da schmecken Essen und Kaffee nicht mehr. Das wiederholt sich während des ganzen Rückzuges. Der Russe wird immer stärker und die deutsche Armee ----- immer schwächer! Es bleiben meist nur Abwehrkämpfe und Rückzugsmöglichkeiten. An einen Sieg glaubt keiner mehr, man darf es nur nicht laut sagen! Scheiß-Krieg! Daß Hitler, der Kriegsverbrecher, mit seinem Gefolge in bombensicheren Bunkern Sicherheit genießt, dürfen wir nur denken! Die Soldaten müssen nur den Arsch hinhalten und den Mund halten! -------

Ein Rückzug nach dem anderen, wenig Gegenwehr, es fehlt an allem. Essen aus der Gulaschkanone, fast jeden Tag Graupen, Erbsen, Linsen und Kartoffelsuppe. Mit dieser Suppe habe ich eine dicke, schwarze, glänzende Kakerlake auf dem Löffel. Vor Ekel und Wut werfe ich das Kochgeschirr mit Inhalt weit in die Landschaft. Mir ist der Appetit vergangen!

Wieder kommt ein Stellungswechsel, die armen Pferde müssen sofort eingespannt werden und über den langen Knüppeldamm zur Feuerstellung der 4 Geschütze, nach dem Waldrand in Grebenzi gebracht werden. Der Russe ist aber fast ehre da, als wir, denn wir können nicht mehr weg. Mit einem Geschrei und „uhrää, uhrää“ kommen sie an, die Maschinenpistole unter dem Arm, schon im Anschlag und besetzen so ganz einfach unsere Geschütze. Unsere ganzen eigenen Sachen liegen in den Protzen und sind auch vereinnahmt – weg für immer!

Als ich meinen Karabiner zur Verteidigung über beide Pferderücken in Anschlag bringe, saust mir ein Geschoß vom Russen direkt am linken Auge und Ohr vorbei, aber schlitzt mit, Gott sei Dank, nur die Haut auf. Wieder einmal hatte ich einen Schutzengel! Natürlich blieb mir nur das Fliehen durch den Wald. An einer Anhöhe kam ich heraus, rannte, wie ein Stoppelhase, denn der Russe konnte die Fläche einsehen und noch einmal hatte ich Glück, denn hinter dem Hügel fand ich meine versprengte Einheit. Der Chef kam sofort und freute sich, Mensch Jauernick, meinte er, ich habe sie schon als vermißt geglaubt! Ich bekam von ihm sofort eine Zigarette und das blutunterlaufene Auge wurde behandelt. Einen Gegenangriff, am nächsten Tag, brauchte ich nicht mitzumachen. So, wie ich hörte, war er sowieso erfolglos Bis wir wieder Geschütze bekamen, das dauerte. Inzwischen wurden wir auf andere Einheiten aufgeteilt.

Es geht wieder einmal zurück, bei Gorki ist die neue Stellung. Hier sehe ich eines Tages von einem Splitterloch her einen Luftkampf zwischen deutschen und russischen Fliegern, daß einem Angst und Bange wird. Ich kann alles beobachten, wenn ich den Kopf aus dem Loch stecke. Jagdflugzeuge rasen durch die Luft, von beiden Seiten schießt die Flak. Ich zähle 11 Flugzeuge, die abstürzen, einem reißt die ganze Kanzel ab, das Flugzeug kommt kopfüber herunter, die Besatzung mit. Andere kommen heruntergepurzelt, weil die Tragflächen abgeschossen wurden.

Es geht in den nächsten Tagen wieder zurück, oft bleibt nur noch eine kleiner Schlauch, wo wir noch durchkommen können. Der Russe fängt an, seine eigenen Dörfer niederzubrennen, damit wir behindert werden, uns irgendwo zu erholen. Inzwischen piesacken uns die Läuse und wenn wir mal eine alte Scheune oder einen Stall für eine Pause erwischen, kommen noch die Ratten und Mäuse, die uns auch nicht leiden mögen!

Die Front hat sich wieder beruhigt, ---- so können wir die Zugpferde nach einigen eisigen Wochen, in einem großen Stall auf einer Kolchose unterbringen. Gott sei ewig Lob und Dank, auch ich kann mir nach dem Versorgen der Pferde, ein Plätzchen im Stroh zum Schlafen suchen. Seit Wochen das erste Mal kann ich mir die Schuh ausziehen! Ach du lieber Himmel, ich hätte in den letzten Tagen in den Waldgebieten heulen können vor Schmerzen, bei der eisigen Kälte, jetzt sehe ich auch, warum! An den Socken bleiben zwei Fußnägel hängen, sie sind abgefroren. Ein Arzt war nicht bei uns, aber ein Veterinär, für die Behandlung von Pferden. Als er das sieht, sagt er nur „oh“ und streut mir ein Puder drauf. Ich kann weder in Schuhe, noch in Stiefel. Da kommt auch schon ein Überfall von den Iwans. Ganz schnell zerreiße ich eine Pferdedecke und wickle beide Füße ein. Da kommt auch schon der Chef und schreit, alles sofort marschbereit machen, anspannen zum Rückzug! Wer nicht schnell genug ist, fällt dem Russen in die Hände. Ich hole meine beiden Pferde und „möchte“ wohl noch anspannen, aber ---- da tritt mir ein Pferd auf die Fußlappen und ich stehe barfuß im eiskalten Schnee. Beim Laufen ist jeder Fußabdruck im Schnee blutig! Einer der Kameraden sieht das und setzt mich auf einem Munitionswagen auf den Bock! Beide Seiten der Rollbahn sind vom Iwan besetzt, ich sitze als Zielscheibe auf dem Bock des Wagens, denn laufen kann ich nicht mehr. Aber, ich hatte wohl einen Schutzengel, denn kein Schuß fiel auf mich. Unser Chef wurde auf einem Schlitten vorbeigefahren, er hatte einen Bauchschuß abbekommen. Als unsere Einheit etwa 20 km Rückzug hinter sich hatte, trat wieder etwas Ruhe ein. Ein Offizier ließ den Rest seiner Truppe antreten. Da wurden erst einmal die Verwundeten und die mit Erfrierungen aussortiert. Ich noch am selben Tag, abends, auf den Hauptverbandsplatz. In einem gedeckten Plattenwagen, der mit etwas Stroh ausgelegt war, wurden wir durch die eiskalte Nacht und den dicken Schnee gefahren. Es war so kalt, daß im Wagen jedes Eisenteil eine weiße Mütze aufhatte. Einige Male mußte uns der Fahrer des Lkw und sein Beifahrer aus den Schneewehen herausschaufeln. Als wir am Verbandsplatz ankamen, bekommen wir etwas Warmes zu trinken und ein Käsebrot, das schon sehr trocken war. Heute war Heiliger Abend, wir liegen auf Stroh, bis zur Abfahrt ins Lazarett Gschatzk, das etwa 80 km von Moskau entfernt ist.

Erst werden Verwundete und Soldaten, die Erfrierungen haben, mit neuen Verbänden versorgt, denn die Läuse machen allen zu schaffen, denn sie machen sich über die eitrigen Wunden her! Am frühen Morgen kommt ein Krankenwagen und holt uns ab. Hier im Lazarett können wir erst einmal anständig baden und bekommen frische Wäsche. Ein Kumpel von mir, mit dem ich bis zu meinem weiteren Abtransport in ein Heimatlazarett, ständig zusammen war, hatte nur die Fingerspitzen angefroren. Er konnte laufen und holte ab und zu unsere Feldpost. Manchmal kam sogar ein 100-g-Päckchenmit Speck an, was wir uns dann geteilt haben. Er bekam in diesen Tagen die Gelbsucht und mußte zurückbleiben in Gschatzk und wir haben uns nicht wiedergesehen. Er war fast ein Freund. Nach 26 Jahren lese ich im „Wüstewaltersdorfer Heimatboten“ seine Anschrift! Ich schreibe von Coesfeld aus und meine Nachricht bekommt er genau an seinem Geburtstag! Die Freude war so groß, daß er sofort antwortete, Mensch Ernst, das war mein allerschönstes Geburtstagsgeschenk! --------

Mein Lazarettzug fuhr durch die russische Landschaft bis Brest-Litowsk. Hier wieder Entlausung, frische Wäsche, gute Verpflegung und ein weißes Bett. Mannometer, man kam sich vor, wie Graf Rotz! Aber ----- ich habe die erste Nacht im molligen Bett so gut geschlafen, daß ich das Bett vollgepinkelt habe, so daß noch eine Lache unter dem Bett hervorlief. Als am Morgen die hübschen jungen Schwestern das erste tolle Frühstück ans Bett bringen, sahen sie die Bescherung. Ich hätte vor Scham ins kleinste Mauseloch kriechen wollen, konnte mich aber nur entschuldigen. Da lachte die Schwester und sagte, Sie brauchen sich bestimmt nicht zuschämen, denn das passiert allen, die von der Ostfront kommen und die eisige Kälte von 45 Grad ertragen mußten! Hier wurde ich 14 Tage fast verwöhnt und dann mit dem Lazarettzug von Brest-Litowsk nach Wien verlegt. Hier wieder Entlausung, frische Wäsche und ein frisches, weiches Bett. Schlimm war für uns, daß uns sämtliche Körperhaare abgeschnitten bzw. abrasiert wurden. Offiziere blieben von dieser Prozedur verschont. Wenn man in den Spiegel sah, kam man sich vor, wie ein Zuchthäusler. Sonst war es in Wien sehr schön, besonders dann, als ich nach Wochen wieder Schuhe anziehen konnte!

Von Wie aus bekam ich, vor der Abfahrt an die Ostfront, 1 Tage Genesungsurlaub. Danach mußte ich mich beim Ersatzhaufen in Königshütte melden und wurde nach wenigen Tagen wieder an die Front geschickt.

Hier bei Gschatzk werde ich zur II. Abteilung der Artillerie, kommandiert. Es ist die leichte Artillerie, 10,5 cm Geschütze, erst als Meldereiter dann auch am Geschütz eingeteilt. Noch ist Stellungskrieg, wir hausen in Bunkern, die Einheiten werden neu aufgestellt.

Das Leben im Bunker ist fürchterlich, mit mehreren Mann schlafen, die Schweißsocken stinken zum Himmel, alle furzen – sicher, das ist menschlich, wenn aber dann noch in diesem Gemeinschaftsraum getrunken und gegessen werden muß, da schmecken Essen und Kaffee nicht mehr. Das wiederholt sich während des ganzen Rückzuges. Der Russe wird immer stärker und die deutsche Armee ----- immer schwächer! Es bleiben meist nur Abwehrkämpfe und Rückzugsmöglichkeiten. An einen Sieg glaubt keiner mehr, man darf es nur nicht laut sagen! Scheiß-Krieg! Daß Hitler, der Kriegsverbrecher, mit seinem Gefolge in bombensicheren Bunkern Sicherheit genießt, dürfen wir nur denken! Die Soldaten müssen nur den Arsch hinhalten und den Mund halten! -------

Ein Rückzug nach dem anderen, wenig Gegenwehr, es fehlt an allem. Essen aus der Gulaschkanone, fast jeden Tag Graupen, Erbsen, Linsen und Kartoffelsuppe. Mit dieser Suppe habe ich eine dicke, schwarze, glänzende Kakerlake auf dem Löffel. Vor Ekel und Wut werfe ich das Kochgeschirr mit Inhalt weit in die Landschaft. Mir ist der Appetit vergangen!

Wieder kommt ein Stellungswechsel, die armen Pferde müssen sofort eingespannt werden und über den langen Knüppeldamm zur Feuerstellung der 4 Geschütze, nach dem Waldrand in Grebenzi gebracht werden. Der Russe ist aber fast eher da, als wir, denn wir können nicht mehr weg. Mit einem Geschrei und „uhrää, uhrää“ kommen sie an, die Maschinenpistole unter dem Arm, schon im Anschlag und besetzen so ganz einfach unsere Geschütze. Unsere ganzen eigenen Sachen liegen in den Protzen und sind auch vereinnahmt – weg für immer!

Als ich meinen Karabiner zur Verteidigung über beide Pferderücken in Anschlag bringe, saust mir ein Geschoß vom Russen direkt am linken Auge und Ohr vorbei, aber schlitzt mit, Gott sei Dank, nur die Haut auf. Wieder einmal hatte ich einen Schutzengel! Natürlich blieb mir nur das Fliehen durch den Wald. An einer Anhöhe kam ich heraus, rannte, wie ein Stoppelhase, denn der Russe konnte die Fläche einsehen und noch einmal hatte ich Glück, denn hinter dem Hügel fand ich meine versprengte Einheit. Der Chef kam sofort und freute sich, Mensch Jauernick, meinte er, ich habe sie schon als vermißt geglaubt! Ich bekam von ihm sofort eine Zigarette und das blutunterlaufene Auge wurde behandelt. Einen Gegenangriff, am nächsten Tag, brauchte ich nicht mitzumachen. So, wie ich hörte, war er sowieso erfolglos Bis wir wieder Geschütze bekamen, das dauerte. Inzwischen wurden wir auf andere Einheiten aufgeteilt.

Es geht wieder einmal zurück, bei Gorki ist die neue Stellung. Hier sehe ich eines Tages von einem Splitterloch her einen Luftkampf zwischen deutschen und russischen Fliegern, daß einem Angst und Bange wird. Ich kann alles beobachten, wenn ich den Kopf aus dem Loch stecke. Jagdflugzeuge rasen durch die Luft, von beiden Seiten schießt die Flak. Ich zähle 11 Flugzeuge, die abstürzen, einem reißt die ganze Kanzel ab, das Flugzeug kommt kopfüber herunter, die Besatzung mit. Andere kommen heruntergepurzelt, weil die Tragflächen abgeschossen wurden.

Es geht in den nächsten Tagen wieder zurück, oft bleibt nur noch eine kleiner Schlauch, wo wir noch durchkommen können. Der Russe fängt an, seine eigenen Dörfer niederzubrennen, damit wir behindert werden, uns irgendwo zu erholen. Inzwischen piesacken uns die Läuse und wenn wir mal eine alte Scheune oder einen Stall für eine Pause erwischen, kommen noch die Ratten und Mäuse, die uns auch nicht leiden mögen!

 

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Meldereiter Wer von den Landsern wird überleben? Getarntes Geschütz - Alarm!

 

Als wir eines Tages in Dorogobusch ankommen, will man uns das Leben etwas verschönern, hier ist nämlich, bis jetzt noch, die Frontbühne. Wir dürfen uns an einem Film mit Marika Rökk erfreuen. So lange, schöne tanzende Frauenbeine haben auch sehr lange nicht gesehen. Ich bekomme sogar den Jahresurlaub und darf für 14 Tage nach Hause fahren. Meine Fahrt geht über Brest-Litowsk, Litzmannstadt, Warschau, Breslau, Schweidnitz, Hausdorf. Von hier werde ich mit der Kutsche abgeholt.

Als ich dann zurückkomme, hat die Einheit Stellungskrieg, beide Seiten gönnen sich eine Pause. Es sind inzwischen auch Bunker gebaut worden. Ab und zu hört man Abschüsse von der Artillerie. Die Geschützbedienung vom II. Geschütz sitzt zwischen den Holmen und spielt Skat. Ich grabe mit dem Spaten, sicherheitshalber, ein Splitterschutzloch. Man kann nie wissen! Da brummt es in der Luft, man hört auch schon, daß in der Nähe Bomben fallen. Da sage ich noch zu den Spielern, die tun uns hier nichts mehr, die haben schon abgeladen. Aber, da kommt einer, genau in unsere Richtung, öffnet die Luken und 4 Bomben wackeln auf uns zu! Ach, du Scheiße, die kommen genau hier her! ----- Ich verkrieche mich im Ein-Mann-Splitterschutzloch. Es knallt und kracht, die Splitter und der Dreck fliegen über das Loch.

Das Geschütz total im Eimer und die Mannschaft schwer verwundet Ich denke wieder an den Schutzengel und der hilft mir noch oft! -----

Die Geschütze sind kaputt und ich werde Meldereiter. Mein Chef ist jetzt ein großer, breitschultriger, rothaariger Ostpreuße. Er heißt „Weier“. Wenn er telefoniert, meldet er sich: „Hier ist Oberleutnant Weier, großes W und kleine Eier.“ Er sagt zu mir, Jauernick, da unten im Tal ist eine Kolchose, reiten Sie mal dahin und gucken, ob da Hühner sind. Ich habe so Appetit auf ein gebratenes Huhn! An der Front war es still, mit etwas Schiß reite ich hin, mit dem Huhn das klappt. Es steht sogar mitten auf dem Hof ein Backofenhäuschen ausHolzbalken. Das Huhn in heißem Wasser gebrüht, gerupft, gewaschen und ausgenommen. Das klappte prima, da hingen sogar Pfannen an der Wand! Fett in die Pfanne, das Huhn in das heiße Fett, Pfeffer und Salz hatte ich mit. Nach etwa einer viertel Stunde hebe ich den Deckel, da höre ich, von weit her einen Abschuß, das Huhn schön braun, ehe ich mich freuen kann, könnte ich heulen, denn die Granatsplitter zerfetzen die Holzbalken. Der Staub und Dreck auch Holzsplitter bedecken das braungebackene Tier. Rechts und links, wo ich stand, waren die Holzbalken von Splittern zerfetzt und ich stand mittendrin! Ist das nicht Glück? Es kommen noch zwei Abschüsse, aber sie treffen nicht mehr diese Bude. Als ich zurückreite, wartet schon mein Chef auf mich: „Jauernick, ich hatte verdammte Angst um sie, ich hatte sie schon auf die Vermißtenliste gesetzt.“

Einige Tage später wurde ich an der Ferse operiert und mußte ------- wieder einmal ins Lazarett, diesmal in Warschau und nach etwa einer Woche nach Lähn, im Riesengebirge. Als ich wieder Laufen konnte, kam ich erst nach Baumholder, von hier wieder an die Ostfront.

Mit meinem Chef mußte ich zur B-Stelle (Beobachtungsstelle) reiten, direkt an der Front, Frontkämpferpäckchen abgeben. Der nächste Weg dahin führte durch einen Wald, der voller Sumpflöcher war. Die Löcher kannte ich schon, die waren zum Teil unberechenbar. So schlug ich dem Chef vor, vorneweg zu reiten, weil ich wußte, daß er die hinterlistigen Wasserlöcher nicht kannte. „Jauernick, ich reite vorneweg! Es dauerte nicht lange, da sank sein Pferd mit den Vorderfüßen tief in den Schlamm und mein Herr Oberleutnant machte einen tollen Salto über den Kopf des Pferdes. Ich durfte ja nicht lachen, aber als er sich aus dem Schlamm aufrappelte, war er von oben bis unten voller Matsche! Wer nicht hören will, muß fühlen! -----

Nicht immer haben die Offiziere recht, ich habe es erlebt bei Orscha. Unsere Batterie hat sich um einen großen Strohschober zu einer Pause gelagert. Der Herr Chef ritt allein ins Gelände, um zu prüfen, wo wir am besten in Stellung gehen könnten. Als er zurückkommt, befiehlt er den Weitermarsch mit den Geschützen. . Ich hatte noch mein liebes Reitpferdchen Minka, ein geflecktes Schimmelchen.

In den Munitionswagen lagen zum Teil Verwundete, weil wir sowieso auf dem Rückzug nicht verteidigen konnten. Dazu kam es aber nicht mehr, in einer halbrunden Schützenkette kommt der Russe an und jagt uns in den dort liegenden Sumpf. Um zu entkommen, müssen wir alle über eine Schmalspurbahn, die am Sumpf vorbei führt, die einzige Möglichkeit, um nicht den Russen in die Hände zu fallen! Auf der andern Seite ist nur Sumpf, aber wir müssen über die Gleise, die höher liegen – auf dem Damm! Die Fahrer der Geschütze und Munitionswagen ------  müssen und können nur noch über die Gleise, aber die Pferde, 4-spännig, verstricken sich in den Sielengeschirren, weil sie alle den Hang hinunterfallen, in den Sumpf. Die Verwundeten schreien in den umgekippten Wagen, nach dem Arzt, nach dem Sanitäter und auch nach der Mutter. Der Morast, das Wasser, löscht alles Leben aus. Auch ich muß mein liebes Schimmelchen zurücklassen. Als nur noch der Kopf aus dem saugenden Sumpf herausguckt, wiehert es noch nach mir hin und versank!

Ich habe bei dieser Flucht geheult, wie ein kleines Kind! Wenn man heute von „Helden“ spricht, was sind Helden?

Der Schutzengel hat es mit mir wieder gut gemeint ! ----- Aber mein armes Pferdchen ist versunken und ich konnte ihm nicht helfen.

Diese letzten Berichte sind von den Kämpfen Jelnja – Dorogobusch und Gorki, 1943, an der Pantherstellung.

Mit einem Mittelhandbruch schickt man mich erst einmal in die Krankenstation. Nach einigen Wochen kommen ich zur Truppe zurück, sie liegt bei Orscha, wird aber bald verlegt in den Raum in den Raum Gorodok, Newel, wo eine Gegenoffensive gestartet werden soll.

Ich habe jetzt ein anderes Pferd und unternehme mit dem Chef einen flotten Geländeritt in einem großen Wiesengelände, eingerahmt von Sträuchern, auch ein kleines Bächlein plätschert in vielen Kurven dahin. Es macht Spaß, denn es ist schönes Wetter! In der einen Kurve ist eine kleine Holzbrücke, der Chef ist schon drüber weg und mein Pferd schiebt beim Galopp die Rundhölzer zusammen. Die Vorderbeine sacken in den Bach und ich mache einen Salto über den Kopf des Pferdes und bleibe mit dem linken Fuß im Steigbügel hängen. Die dabei verdrehte Stelle im Knie habe ich noch viele Jahre mit leichtem Schmerz gemerkt.

Hier bei Gorodino, Schumolino, Obol ist reines Partisanengebiet. Es werden wiederholt Nachschubzüge gesprengt. Wir müssen uns ans Hungern gewöhnen, es gibt schon lange nur Kartoffelsuppe, Erbsensuppe und Linsensuppe. Ab und zu reicht es mal für Nudeln mit Gulasch.

Die Amis helfen den Russen mit vielen Bombengeschwadern. Unsere eigenen Flugzeuge, Panzer und die sonstigen motorisierten Fahrzeuge bekommen nur sehr wenig Sprit! Die Wehrkraft ist fast im Eimer. Da denke ich oft an die Worte, die ein Gast in unserem Gasthof meinem Vater sagte: Du Karl, paß mal auf, die deutschen Truppen werden sich in diesem Riesenreich totlaufen und so schnell zurückgetrieben werden, daß sie sich die braunen Hosen vollscheißen. Er meinte damit die fanatischen Hitleranhänger. Zu meinem Vater konnte er das sagen, denn mein Vater war ein Erzgegner von den Hitlergenossen!

So ging es auch mit den deutschen Truppen ständig zurück, sie waren ziemlich machtlos geworden.

Von der Düna, Ulla, Uschatschi wurden die deutschen Truppen nach dem Abschnitt Raseinen verlegt. Im September 1944 weiterer Rückzug an den Brückenkopf am Narew. Der Rückzug erfolgte von Zichenau – Nas


Als wir eines Tages in Dorogobusch ankommen, will man uns das Leben etwas verschönern, hier ist nämlich, bis jetzt noch, die Frontbühne. Wir dürfen uns an einem Film mit Marika Rökk erfreuen. So lange, schöne tanzende Frauenbeine haben auch sehr lange nicht gesehen. Ich bekomme sogar den Jahresurlaub und darf für 14 Tage nach Hause fahren. Meine Fahrt geht über Brest-Litowsk, Litzmannstadt, Warschau, Breslau, Schweidnitz, Hausdorf. Von hier werde ich mit der Kutsche abgeholt.

Als ich dann zurückkomme, hat die Einheit Stellungskrieg, beide Seiten gönnen sich eine Pause. Es sind inzwischen auch Bunker gebaut worden. Ab und zu hört man Abschüsse von der Artillerie. Die Geschützbedienung vom II. Geschütz sitzt zwischen den Holmen und spielt Skat. Ich grabe mit dem Spaten, sicherheitshalber, ein Splitterschutzloch. Man kann nie wissen! Da brummt es in der Luft, man hört auch schon, daß in der Nähe Bomben fallen. Da sage ich noch zu den Spielern, die tun uns hier nichts mehr, die haben schon abgeladen. Aber, da kommt einer, genau in unsere Richtung, öffnet die Luken und 4 Bomben wackeln auf uns zu! Ach, du Scheiße, die kommen genau hier her! ----- Ich verkrieche mich im Ein-Mann-Splitterschutzloch. Es knallt und kracht, die Splitter und der Dreck fliegen über das Loch.

Das Geschütz total im Eimer und die Mannschaft schwer verwundet Ich denke wieder an den Schutzengel und der hilft mir noch oft! -----

Die Geschütze sind kaputt und ich werde Meldereiter. Mein Chef ist jetzt ein großer, breitschultriger, rothaariger Ostpreuße. Er heißt „Weier“. Wenn er telefoniert, meldet er sich: „Hier ist Oberleutnant Weier, großes W und kleine Eier.“ Er sagt zu mir, Jauernick, da unten im Tal ist eine Kolchose, reiten Sie mal dahin und gucken, ob da Hühner sind. Ich habe so Appetit auf ein gebratenes Huhn! An der Front war es still, mit etwas Schiß reite ich hin, mit dem Huhn das klappt. Es steht sogar mitten auf dem Hof ein Backofenhäuschen aus Holzbalken. Das Huhn in heißem Wasser gebrüht, gerupft, gewaschen und ausgenommen. Das klappte prima, da hingen sogar Pfannen an der Wand! Fett in die Pfanne, das Huhn in das heiße Fett, Pfeffer und Salz hatte ich mit. Nach etwa einer viertel Stunde hebe ich den Deckel, da höre ich, von weit her einen Abschuß, das Huhn schön braun, ehe ich mich freuen kann, könnte ich heulen, denn die Granatsplitter zerfetzen die Holzbalken. Der Staub und Dreck auch Holzsplitter bedecken das braungebackene Tier. Rechts und links, wo ich stand, waren die Holzbalken von Splittern zerfetzt und ich stand mittendrin! Ist das nicht Glück? Es kommen noch zwei Abschüsse, aber sie treffen nicht mehr diese Bude. Als ich zurückreite, wartet schon mein Chef auf mich: „Jauernick, ich hatte verdammte Angst um sie, ich hatte sie schon auf die Vermißtenliste gesetzt.“

Einige Tage später wurde ich an der Ferse operiert und mußte ------- wieder einmal ins Lazarett, diesmal in Warschau und nach etwa einer Woche nach Lähn, im Riesengebirge. Als ich wieder Laufen konnte, kam ich erst nach Baumholder, von hier wieder an die Ostfront.

Mit meinem Chef mußte ich zur B-Stelle (Beobachtungsstelle) reiten, direkt an der Front, Frontkämpferpäckchen abgeben. Der nächste Weg dahin führte durch einen Wald, der voller Sumpflöcher war. Die Löcher kannte ich schon, die waren zum Teil unberechenbar. So schlug ich dem Chef vor, vorneweg zu reiten, weil ich wußte, daß er die hinterlistigen Wasserlöcher nicht kannte. „Jauernick, ich reite vorneweg! Es dauerte nicht lange, da sank sein Pferd mit den Vorderfüßen tief in den Schlamm und mein Herr Oberleutnant machte einen tollen Salto über den Kopf des Pferdes. Ich durfte ja nicht lachen, aber als er sich aus dem Schlamm aufrappelte, war er von oben bis unten voller Matsche! Wer nicht hören will, muß fühlen! -----

Nicht immer haben die Offiziere recht, ich habe es erlebt bei Orscha. Unsere Batterie hat sich um einen großen Strohschober zu einer Pause gelagert. Der Herr Chef ritt allein ins Gelände, um zu prüfen, wo wir am besten in Stellung gehen könnten. Als er zurückkommt, befiehlt er den Weitermarsch mit den Geschützen. . Ich hatte noch mein liebes Reitpferdchen Minka, ein geflecktes Schimmelchen.

In den Munitionswagen lagen zum Teil Verwundete, weil wir sowieso auf dem Rückzug nicht verteidigen konnten. Dazu kam es aber nicht mehr, in einer halbrunden Schützenkette kommt der Russe an und jagt uns in den dort liegenden Sumpf. Um zu entkommen, müssen wir alle über eine Schmalspurbahn, die am Sumpf vorbei führt, die einzige Möglichkeit, um nicht den Russen in die Hände zu fallen! Auf der andern Seite ist nur Sumpf, aber wir müssen über die Gleise, die höher liegen – auf dem Damm! Die Fahrer der Geschütze und Munitionswagen ------  müssen und können nur noch über die Gleise, aber die Pferde, 4-spännig, verstricken sich in den Sielengeschirren, weil sie alle den Hang hinunterfallen, in den Sumpf. Die Verwundeten schreien in den umgekippten Wagen, nach dem Arzt, nach dem Sanitäter und auch nach der Mutter. Der Morast, das Wasser, löscht alles Leben aus. Auch ich muß mein liebes Schimmelchen zurücklassen. Als nur noch der Kopf aus dem saugenden Sumpf herausguckt, wiehert es noch nach mir hin und versank!

Ich habe bei dieser Flucht geheult, wie ein kleines Kind! Wenn man heute von „Helden“ spricht, was sind Helden?

Der Schutzengel hat es mit mir wieder gut gemeint ! ----- Aber mein armes Pferdchen ist versunken und ich konnte ihm nicht helfen.

Diese letzten Berichte sind von den Kämpfen Jelnja – Dorogobusch und Gorki, 1943, an der Pantherstellung.

Mit einem Mittelhandbruch schickt man mich erst einmal in die Krankenstation. Nach einigen Wochen kommen ich zur Truppe zurück, sie liegt bei Orscha, wird aber bald verlegt in den Raum in den Raum Gorodok, Newel, wo eine Gegenoffensive gestartet werden soll.

Ich habe jetzt ein anderes Pferd und unternehme mit dem Chef einen flotten Geländeritt in einem großen Wiesengelände, eingerahmt von Sträuchern, auch ein kleines Bächlein plätschert in vielen Kurven dahin. Es macht Spaß, denn es ist schönes Wetter! In der einen Kurve ist eine kleine Holzbrücke, der Chef ist schon drüber weg und mein Pferd schiebt beim Galopp die Rundhölzer zusammen. Die Vorderbeine sacken in den Bach und ich mache einen Salto über den Kopf des Pferdes und bleibe mit dem linken Fuß im Steigbügel hängen. Die dabei verdrehte Stelle im Knie habe ich noch viele Jahre mit leichtem Schmerz gemerkt.

Hier bei Gorodino, Schumolino, Obol ist reines Partisanengebiet. Es werden wiederholt Nachschubzüge gesprengt. Wir müssen uns ans Hungern gewöhnen, es gibt schon lange nur Kartoffelsuppe, Erbsensuppe und Linsensuppe. Ab und zu reicht es mal für Nudeln mit Gulasch.

Die Amis helfen den Russen mit vielen Bombengeschwadern. Unsere eigenen Flugzeuge, Panzer und die sonstigen motorisierten Fahrzeuge bekommen nur sehr wenig Sprit! Die Wehrkraft ist fast im Eimer. Da denke ich oft an die Worte, die ein Gast in unserem Gasthof meinem Vater sagte: Du Karl, paß mal auf, die deutschen Truppen werden sich in diesem Riesenreich totlaufen und so schnell zurückgetrieben werden, daß sie sich die braunen Hosen vollscheißen. Er meinte damit die fanatischen Hitleranhänger. Zu meinem Vater konnte er das sagen, denn mein Vater war ein Erzgegner von den Hitlergenossen!

So ging es auch mit den deutschen Truppen ständig zurück, sie waren ziemlich machtlos geworden.

  1. Von der Düna, Ulla, Uschatschi wurden die deutschen Truppen nach dem Abschnitt Raseinen verlegt. Im September 1944 weiterer Rückzug an den Brückenkopf am Narew. Der Rückzug erfolgte von Zichenau – Nasielsk.

 

 

Als wir eines Tages in Dorogobusch ankommen, will man uns das Leben etwas verschönern, hier ist nämlich, bis jetzt noch, die Frontbühne. Wir dürfen uns an einem Film mit Marika Rökk erfreuen. So lange, schöne tanzende Frauenbeine haben auch sehr lange nicht gesehen. Ich bekomme sogar den Jahresurlaub und darf für 14 Tage nach Hause fahren. Meine Fahrt geht über Brest-Litowsk, Litzmannstadt, Warschau, Breslau, Schweidnitz, Hausdorf. Von hier werde ich mit der Kutsche abgeholt.

Als ich dann zurückkomme, hat die Einheit Stellungskrieg, beide Seiten gönnen sich eine Pause. Es sind inzwischen auch Bunker gebaut worden. Ab und zu hört man Abschüsse von der Artillerie. Die Geschützbedienung vom II. Geschütz sitzt zwischen den Holmen und spielt Skat. Ich grabe mit dem Spaten, sicherheitshalber, ein Splitterschutzloch. Man kann nie wissen! Da brummt es in der Luft, man hört auch schon, daß in der Nähe Bomben fallen. Da sage ich noch zu den Spielern, die tun uns hier nichts mehr, die haben schon abgeladen. Aber, da kommt einer, genau in unsere Richtung, öffnet die Luken und 4 Bomben wackeln auf uns zu! Ach, du Scheiße, die kommen genau hier her! ----- Ich verkrieche mich im Ein-Mann-Splitterschutzloch. Es knallt und kracht, die Splitter und der Dreck fliegen über das Loch.

Das Geschütz total im Eimer und die Mannschaft schwer verwundet Ich denke wieder an den Schutzengel und der hilft mir noch oft! -----

Die Geschütze sind kaputt und ich werde Meldereiter. Mein Chef ist jetzt ein großer, breitschultriger, rothaariger Ostpreuße. Er heißt „Weier“. Wenn er telefoniert, meldet er sich: „Hier ist Oberleutnant Weier, großes W und kleine Eier.“ Er sagt zu mir, Jauernick, da unten im Tal ist eine Kolchose, reiten Sie mal dahin und gucken, ob da Hühner sind. Ich habe so Appetit auf ein gebratenes Huhn! An der Front war es still, mit etwas Schiß reite ich hin, mit dem Huhn das klappt. Es steht sogar mitten auf dem Hof ein Backofenhäuschen aus Holzbalken. Das Huhn in heißem Wasser gebrüht, gerupft, gewaschen und ausgenommen. Das klappte prima, da hingen sogar Pfannen an der Wand! Fett in die Pfanne, das Huhn in das heiße Fett, Pfeffer und Salz hatte ich mit. Nach etwa einer viertel Stunde hebe ich den Deckel, da höre ich, von weit her einen Abschuß, das Huhn schön braun, ehe ich mich freuen kann, könnte ich heulen, denn die Granatsplitter zerfetzen die Holzbalken. Der Staub und Dreck auch Holzsplitter bedecken das braungebackene Tier. Rechts und links, wo ich stand, waren die Holzbalken von Splittern zerfetzt und ich stand mittendrin! Ist das nicht Glück? Es kommen noch zwei Abschüsse, aber sie treffen nicht mehr diese Bude. Als ich zurückreite, wartet schon mein Chef auf mich: „Jauernick, ich hatte verdammte Angst um sie, ich hatte sie schon auf die Vermißtenliste gesetzt.“

Einige Tage später wurde ich an der Ferse operiert und mußte ------- wieder einmal ins Lazarett, diesmal in Warschau und nach etwa einer Woche nach Lähn, im Riesengebirge. Als ich wieder Laufen konnte, kam ich erst nach Baumholder, von hier wieder an die Ostfront.

Mit meinem Chef mußte ich zur B-Stelle (Beobachtungsstelle) reiten, direkt an der Front, Frontkämpferpäckchen abgeben. Der nächste Weg dahin führte durch einen Wald, der voller Sumpflöcher war. Die Löcher kannte ich schon, die waren zum Teil unberechenbar. So schlug ich dem Chef vor, vorneweg zu reiten, weil ich wußte, daß er die hinterlistigen Wasserlöcher nicht kannte. „Jauernick, ich reite vorneweg! Es dauerte nicht lange, da sank sein Pferd mit den Vorderfüßen tief in den Schlamm und mein Herr Oberleutnant machte einen tollen Salto über den Kopf des Pferdes. Ich durfte ja nicht lachen, aber als er sich aus dem Schlamm aufrappelte, war er von oben bis unten voller Matsche! Wer nicht hören will, muß fühlen! -----

Nicht immer haben die Offiziere recht, ich habe es erlebt bei Orscha. Unsere Batterie hat sich um einen großen Strohschober zu einer Pause gelagert. Der Herr Chef ritt allein ins Gelände, um zu prüfen, wo wir am besten in Stellung gehen könnten. Als er zurückkommt, befiehlt er den Weitermarsch mit den Geschützen. . Ich hatte noch mein liebes Reitpferdchen Minka, ein geflecktes Schimmelchen.

In den Munitionswagen lagen zum Teil Verwundete, weil wir sowieso auf dem Rückzug nicht verteidigen konnten. Dazu kam es aber nicht mehr, in einer halbrunden Schützenkette kommt der Russe an und jagt uns in den dort liegenden Sumpf. Um zu entkommen, müssen wir alle über eine Schmalspurbahn, die am Sumpf vorbei führt, die einzige Möglichkeit, um nicht den Russen in die Hände zu fallen! Auf der andern Seite ist nur Sumpf, aber wir müssen über die Gleise, die höher liegen – auf dem Damm! Die Fahrer der Geschütze und Munitionswagen ------  müssen und können nur noch über die Gleise, aber die Pferde, 4-spännig, verstricken sich in den Sielengeschirren, weil sie alle den Hang hinunterfallen, in den Sumpf. Die Verwundeten schreien in den umgekippten Wagen, nach dem Arzt, nach dem Sanitäter und auch nach der Mutter. Der Morast, das Wasser, löscht alles Leben aus. Auch ich muß mein liebes Schimmelchen zurücklassen. Als nur noch der Kopf aus dem saugenden Sumpf herausguckt, wiehert es noch nach mir hin und versank!

Ich habe bei dieser Flucht geheult, wie ein kleines Kind! Wenn man heute von „Helden“ spricht, was sind Helden?

Der Schutzengel hat es mit mir wieder gut gemeint ! ----- Aber mein armes Pferdchen ist versunken und ich konnte ihm nicht helfen.

Diese letzten Berichte sind von den Kämpfen Jelnja – Dorogobusch und Gorki, 1943, an der Pantherstellung.

Mit einem Mittelhandbruch schickt man mich erst einmal in die Krankenstation. Nach einigen Wochen kommen ich zur Truppe zurück, sie liegt bei Orscha, wird aber bald verlegt in den Raum in den Raum Gorodok, Newel, wo eine Gegenoffensive gestartet werden soll.

Ich habe jetzt ein anderes Pferd und unternehme mit dem Chef einen flotten Geländeritt in einem großen Wiesengelände, eingerahmt von Sträuchern, auch ein kleines Bächlein plätschert in vielen Kurven dahin. Es macht Spaß, denn es ist schönes Wetter! In der einen Kurve ist eine kleine Holzbrücke, der Chef ist schon drüber weg und mein Pferd schiebt beim Galopp die Rundhölzer zusammen. Die Vorderbeine sacken in den Bach und ich mache einen Salto über den Kopf des Pferdes und bleibe mit dem linken Fuß im Steigbügel hängen. Die dabei verdrehte Stelle im Knie habe ich noch viele Jahre mit leichtem Schmerz gemerkt.

Hier bei Gorodino, Schumolino, Obol ist reines Partisanengebiet. Es werden wiederholt Nachschubzüge gesprengt. Wir müssen uns ans Hungern gewöhnen, es gibt schon lange nur Kartoffelsuppe, Erbsensuppe und Linsensuppe. Ab und zu reicht es mal für Nudeln mit Gulasch.

Die Amis helfen den Russen mit vielen Bombengeschwadern. Unsere eigenen Flugzeuge, Panzer und die sonstigen motorisierten Fahrzeuge bekommen nur sehr wenig Sprit! Die Wehrkraft ist fast im Eimer. Da denke ich oft an die Worte, die ein Gast in unserem Gasthof meinem Vater sagte: Du Karl, paß mal auf, die deutschen Truppen werden sich in diesem Riesenreich totlaufen und so schnell zurückgetrieben werden, daß sie sich die braunen Hosen vollscheißen. Er meinte damit die fanatischen Hitleranhänger. Zu meinem Vater konnte er das sagen, denn mein Vater war ein Erzgegner von den Hitlergenossen!

So ging es auch mit den deutschen Truppen ständig zurück, sie waren ziemlich machtlos geworden.

Von der Düna, Ulla, Uschatschi wurden die deutschen Truppen nach dem Abschnitt Raseinen verlegt. Im September 1944 weiterer Rückzug an den Brückenkopf am Narew. Der Rückzug erfolgte von Zichenau – Nasielsk.

Als wir eines Tages in Dorogobusch ankommen, will man uns das Leben etwas verschönern, hier ist nämlich, bis jetzt noch, die Frontbühne. Wir dürfen uns an einem Film mit Marika Rökk erfreuen. So lange, schöne tanzende Frauenbeine haben auch sehr lange nicht gesehen. Ich bekomme sogar den Jahresurlaub und darf für 14 Tage nach Hause fahren. Meine Fahrt geht über Brest-Litowsk, Litzmannstadt, Warschau, Breslau, Schweidnitz, Hausdorf. Von hier werde ich mit der Kutsche abgeholt.

Als ich dann zurückkomme, hat die Einheit Stellungskrieg, beide Seiten gönnen sich eine Pause. Es sind inzwischen auch Bunker gebaut worden. Ab und zu hört man Abschüsse von der Artillerie. Die Geschützbedienung vom II. Geschütz sitzt zwischen den Holmen und spielt Skat. Ich grabe mit dem Spaten, sicherheitshalber, ein Splitterschutzloch. Man kann nie wissen! Da brummt es in der Luft, man hört auch schon, daß in der Nähe Bomben fallen. Da sage ich noch zu den Spielern, die tun uns hier nichts mehr, die haben schon abgeladen. Aber, da kommt einer, genau in unsere Richtung, öffnet die Luken und 4 Bomben wackeln auf uns zu! Ach, du Scheiße, die kommen genau hier her! ----- Ich verkrieche mich im Ein-Mann-Splitterschutzloch. Es knallt und kracht, die Splitter und der Dreck fliegen über das Loch.

Das Geschütz total im Eimer und die Mannschaft schwer verwundet Ich denke wieder an den Schutzengel und der hilft mir noch oft! -----

Die Geschütze sind kaputt und ich werde Meldereiter. Mein Chef ist jetzt ein großer, breitschultriger, rothaariger Ostpreuße. Er heißt „Weier“. Wenn er telefoniert, meldet er sich: „Hier ist Oberleutnant Weier, großes W und kleine Eier.“ Er sagt zu mir, Jauernick, da unten im Tal ist eine Kolchose, reiten Sie mal dahin und gucken, ob da Hühner sind. Ich habe so Appetit auf ein gebratenes Huhn! An der Front war es still, mit etwas Schiß reite ich hin, mit dem Huhn das klappt. Es steht sogar mitten auf dem Hof ein Backofenhäuschen aus Holzbalken. Das Huhn in heißem Wasser gebrüht, gerupft, gewaschen und ausgenommen. Das klappte prima, da hingen sogar Pfannen an der Wand! Fett in die Pfanne, das Huhn in das heiße Fett, Pfeffer und Salz hatte ich mit. Nach etwa einer viertel Stunde hebe ich den Deckel, da höre ich, von weit her einen Abschuß, das Huhn schön braun, ehe ich mich freuen kann, könnte ich heulen, denn die Granatsplitter zerfetzen die Holzbalken. Der Staub und Dreck auch Holzsplitter bedecken das braungebackene Tier. Rechts und links, wo ich stand, waren die Holzbalken von Splittern zerfetzt und ich stand mittendrin! Ist das nicht Glück? Es kommen noch zwei Abschüsse, aber sie treffen nicht mehr diese Bude. Als ich zurückreite, wartet schon mein Chef auf mich: „Jauernick, ich hatte verdammte Angst um sie, ich hatte sie schon auf die Vermißtenliste gesetzt.“

Einige Tage später wurde ich an der Ferse operiert und mußte ------- wieder einmal ins Lazarett, diesmal in Warschau und nach etwa einer Woche nach Lähn, im Riesengebirge. Als ich wieder Laufen konnte, kam ich erst nach Baumholder, von hier wieder an die Ostfront.

Mit meinem Chef mußte ich zur B-Stelle (Beobachtungsstelle) reiten, direkt an der Front, Frontkämpferpäckchen abgeben. Der nächste Weg dahin führte durch einen Wald, der voller Sumpflöcher war. Die Löcher kannte ich schon, die waren zum Teil unberechenbar. So schlug ich dem Chef vor, vorneweg zu reiten, weil ich wußte, daß er die hinterlistigen Wasserlöcher nicht kannte. „Jauernick, ich reite vorneweg! Es dauerte nicht lange, da sank sein Pferd mit den Vorderfüßen tief in den Schlamm und mein Herr Oberleutnant machte einen tollen Salto über den Kopf des Pferdes. Ich durfte ja nicht lachen, aber als er sich aus dem Schlamm aufrappelte, war er von oben bis unten voller Matsche! Wer nicht hören will, muß fühlen! -----

Nicht immer haben die Offiziere recht, ich habe es erlebt bei Orscha. Unsere Batterie hat sich um einen großen Strohschober zu einer Pause gelagert. Der Herr Chef ritt allein ins Gelände, um zu prüfen, wo wir am besten in Stellung gehen könnten. Als er zurückkommt, befiehlt er den Weitermarsch mit den Geschützen. . Ich hatte noch mein liebes Reitpferdchen Minka, ein geflecktes Schimmelchen.

In den Munitionswagen lagen zum Teil Verwundete, weil wir sowieso auf dem Rückzug nicht verteidigen konnten. Dazu kam es aber nicht mehr, in einer halbrunden Schützenkette kommt der Russe an und jagt uns in den dort liegenden Sumpf. Um zu entkommen, müssen wir alle über eine Schmalspurbahn, die am Sumpf vorbei führt, die einzige Möglichkeit, um nicht den Russen in die Hände zu fallen! Auf der andern Seite ist nur Sumpf, aber wir müssen über die Gleise, die höher liegen – auf dem Damm! Die Fahrer der Geschütze und Munitionswagen ------  müssen und können nur noch über die Gleise, aber die Pferde, 4-spännig, verstricken sich in den Sielengeschirren, weil sie alle den Hang hinunterfallen, in den Sumpf. Die Verwundeten schreien in den umgekippten Wagen, nach dem Arzt, nach dem Sanitäter und auch nach der Mutter. Der Morast, das Wasser, löscht alles Leben aus. Auch ich muß mein liebes Schimmelchen zurücklassen. Als nur noch der Kopf aus dem saugenden Sumpf herausguckt, wiehert es noch nach mir hin und versank!

Ich habe bei dieser Flucht geheult, wie ein kleines Kind! Wenn man heute von „Helden“ spricht, was sind Helden?

Der Schutzengel hat es mit mir wieder gut gemeint ! ----- Aber mein armes Pferdchen ist versunken und ich konnte ihm nicht helfen.

Diese letzten Berichte sind von den Kämpfen Jelnja – Dorogobusch und Gorki, 1943, an der Pantherstellung.

Mit einem Mittelhandbruch schickt man mich erst einmal in die Krankenstation. Nach einigen Wochen kommen ich zur Truppe zurück, sie liegt bei Orscha, wird aber bald verlegt in den Raum in den Raum Gorodok, Newel, wo eine Gegenoffensive gestartet werden soll.

Ich habe jetzt ein anderes Pferd und unternehme mit dem Chef einen flotten Geländeritt in einem großen Wiesengelände, eingerahmt von Sträuchern, auch ein kleines Bächlein plätschert in vielen Kurven dahin. Es macht Spaß, denn es ist schönes Wetter! In der einen Kurve ist eine kleine Holzbrücke, der Chef ist schon drüber weg und mein Pferd schiebt beim Galopp die Rundhölzer zusammen. Die Vorderbeine sacken in den Bach und ich mache einen Salto über den Kopf des Pferdes und bleibe mit dem linken Fuß im Steigbügel hängen. Die dabei verdrehte Stelle im Knie habe ich noch viele Jahre mit leichtem Schmerz gemerkt.

Hier bei Gorodino, Schumolino, Obol ist reines Partisanengebiet. Es werden wiederholt Nachschubzüge gesprengt. Wir müssen uns ans Hungern gewöhnen, es gibt schon lange nur Kartoffelsuppe, Erbsensuppe und Linsensuppe. Ab und zu reicht es mal für Nudeln mit Gulasch.

Die Amis helfen den Russen mit vielen Bombengeschwadern. Unsere eigenen Flugzeuge, Panzer und die sonstigen motorisierten Fahrzeuge bekommen nur sehr wenig Sprit! Die Wehrkraft ist fast im Eimer. Da denke ich oft an die Worte, die ein Gast in unserem Gasthof meinem Vater sagte: Du Karl, paß mal auf, die deutschen Truppen werden sich in diesem Riesenreich totlaufen und so schnell zurückgetrieben werden, daß sie sich die braunen Hosen vollscheißen. Er meinte damit die fanatischen Hitleranhänger. Zu meinem Vater konnte er das sagen, denn mein Vater war ein Erzgegner von den Hitlergenossen!

So ging es auch mit den deutschen Truppen ständig zurück, sie waren ziemlich machtlos geworden.

Von der Düna, Ulla, Uschatschi wurden die deutschen Truppen nach dem Abschnitt Raseinen verlegt. Im September 1944 weiterer Rückzug an den Brückenkopf am Narew. Der Rückzug erfolgte von Zichenau – Nasielsk.

 

Als wir eines Tages in Dorogobusch ankommen, will man uns das Leben etwas verschönern, hier ist nämlich, bis jetzt noch, die Frontbühne. Wir dürfen uns an einem Film mit Marika Rökk erfreuen. So lange, schöne tanzende Frauenbeine haben auch sehr lange nicht gesehen. Ich bekomme sogar den Jahresurlaub und darf für 14 Tage nach Hause fahren. Meine Fahrt geht über Brest-Litowsk, Litzmannstadt, Warschau, Breslau, Schweidnitz, Hausdorf. Von hier werde ich mit der Kutsche abgeholt.

Als ich dann zurückkomme, hat die Einheit Stellungskrieg, beide Seiten gönnen sich eine Pause. Es sind inzwischen auch Bunker gebaut worden. Ab und zu hört man Abschüsse von der Artillerie. Die Geschützbedienung vom II. Geschütz sitzt zwischen den Holmen und spielt Skat. Ich grabe mit dem Spaten, sicherheitshalber, ein Splitterschutzloch. Man kann nie wissen! Da brummt es in der Luft, man hört auch schon, daß in der Nähe Bomben fallen. Da sage ich noch zu den Spielern, die tun uns hier nichts mehr, die haben schon abgeladen. Aber, da kommt einer, genau in unsere Richtung, öffnet die Luken und 4 Bomben wackeln auf uns zu! Ach, du Scheiße, die kommen genau hier her! ----- Ich verkrieche mich im Ein-Mann-Splitterschutzloch. Es knallt und kracht, die Splitter und der Dreck fliegen über das Loch.

Das Geschütz total im Eimer und die Mannschaft schwer verwundet Ich denke wieder an den Schutzengel und der hilft mir noch oft! -----

Die Geschütze sind kaputt und ich werde Meldereiter. Mein Chef ist jetzt ein großer, breitschultriger, rothaariger Ostpreuße. Er heißt „Weier“. Wenn er telefoniert, meldet er sich: „Hier ist Oberleutnant Weier, großes W und kleine Eier.“ Er sagt zu mir, Jauernick, da unten im Tal ist eine Kolchose, reiten Sie mal dahin und gucken, ob da Hühner sind. Ich habe so Appetit auf ein gebratenes Huhn! An der Front war es still, mit etwas Schiß reite ich hin, mit dem Huhn das klappt. Es steht sogar mitten auf dem Hof ein Backofenhäuschen aus Holzbalken. Das Huhn in heißem Wasser gebrüht, gerupft, gewaschen und ausgenommen. Das klappte prima, da hingen sogar Pfannen an der Wand! Fett in die Pfanne, das Huhn in das heiße Fett, Pfeffer und Salz hatte ich mit. Nach etwa einer viertel Stunde hebe ich den Deckel, da höre ich, von weit her einen Abschuß, das Huhn schön braun, ehe ich mich freuen kann, könnte ich heulen, denn die Granatsplitter zerfetzen die Holzbalken. Der Staub und Dreck auch Holzsplitter bedecken das braungebackene Tier. Rechts und links, wo ich stand, waren die Holzbalken von Splittern zerfetzt und ich stand mittendrin! Ist das nicht Glück? Es kommen noch zwei Abschüsse, aber sie treffen nicht mehr diese Bude. Als ich zurückreite, wartet schon mein Chef auf mich: „Jauernick, ich hatte verdammte Angst um sie, ich hatte sie schon auf die Vermißtenliste gesetzt.“

Einige Tage später wurde ich an der Ferse operiert und mußte ------- wieder einmal ins Lazarett, diesmal in Warschau und nach etwa einer Woche nach Lähn, im Riesengebirge. Als ich wieder Laufen konnte, kam ich erst nach Baumholder, von hier wieder an die Ostfront.

Mit meinem Chef mußte ich zur B-Stelle (Beobachtungsstelle) reiten, direkt an der Front, Frontkämpferpäckchen abgeben. Der nächste Weg dahin führte durch einen Wald, der voller Sumpflöcher war. Die Löcher kannte ich schon, die waren zum Teil unberechenbar. So schlug ich dem Chef vor, vorneweg zu reiten, weil ich wußte, daß er die hinterlistigen Wasserlöcher nicht kannte. „Jauernick, ich reite vorneweg! Es dauerte nicht lange, da sank sein Pferd mit den Vorderfüßen tief in den Schlamm und mein Herr Oberleutnant machte einen tollen Salto über den Kopf des Pferdes. Ich durfte ja nicht lachen, aber als er sich aus dem Schlamm aufrappelte, war er von oben bis unten voller Matsche! Wer nicht hören will, muß fühlen! -----

Nicht immer haben die Offiziere recht, ich habe es erlebt bei Orscha. Unsere Batterie hat sich um einen großen Strohschober zu einer Pause gelagert. Der Herr Chef ritt allein ins Gelände, um zu prüfen, wo wir am besten in Stellung gehen könnten. Als er zurückkommt, befiehlt er den Weitermarsch mit den Geschützen. . Ich hatte noch mein liebes Reitpferdchen Minka, ein geflecktes Schimmelchen.

In den Munitionswagen lagen zum Teil Verwundete, weil wir sowieso auf dem Rückzug nicht verteidigen konnten. Dazu kam es aber nicht mehr, in einer halbrunden Schützenkette kommt der Russe an und jagt uns in den dort liegenden Sumpf. Um zu entkommen, müssen wir alle über eine Schmalspurbahn, die am Sumpf vorbei führt, die einzige Möglichkeit, um nicht den Russen in die Hände zu fallen! Auf der andern Seite ist nur Sumpf, aber wir müssen über die Gleise, die höher liegen – auf dem Damm! Die Fahrer der Geschütze und Munitionswagen ------  müssen und können nur noch über die Gleise, aber die Pferde, 4-spännig, verstricken sich in den Sielengeschirren, weil sie alle den Hang hinunterfallen, in den Sumpf. Die Verwundeten schreien in den umgekippten Wagen, nach dem Arzt, nach dem Sanitäter und auch nach der Mutter. Der Morast, das Wasser, löscht alles Leben aus. Auch ich muß mein liebes Schimmelchen zurücklassen. Als nur noch der Kopf aus dem saugenden Sumpf herausguckt, wiehert es noch nach mir hin und versank!

Ich habe bei dieser Flucht geheult, wie ein kleines Kind! Wenn man heute von „Helden“ spricht, was sind Helden?

Der Schutzengel hat es mit mir wieder gut gemeint ! ----- Aber mein armes Pferdchen ist versunken und ich konnte ihm nicht helfen.

Diese letzten Berichte sind von den Kämpfen Jelnja – Dorogobusch und Gorki, 1943, an der Pantherstellung.

Mit einem Mittelhandbruch schickt man mich erst einmal in die Krankenstation. Nach einigen Wochen kommen ich zur Truppe zurück, sie liegt bei Orscha, wird aber bald verlegt in den Raum in den Raum Gorodok, Newel, wo eine Gegenoffensive gestartet werden soll.

Ich habe jetzt ein anderes Pferd und unternehme mit dem Chef einen flotten Geländeritt in einem großen Wiesengelände, eingerahmt von Sträuchern, auch ein kleines Bächlein plätschert in vielen Kurven dahin. Es macht Spaß, denn es ist schönes Wetter! In der einen Kurve ist eine kleine Holzbrücke, der Chef ist schon drüber weg und mein Pferd schiebt beim Galopp die Rundhölzer zusammen. Die Vorderbeine sacken in den Bach und ich mache einen Salto über den Kopf des Pferdes und bleibe mit dem linken Fuß im Steigbügel hängen. Die dabei verdrehte Stelle im Knie habe ich noch viele Jahre mit leichtem Schmerz gemerkt.

Hier bei Gorodino, Schumolino, Obol ist reines Partisanengebiet. Es werden wiederholt Nachschubzüge gesprengt. Wir müssen uns ans Hungern gewöhnen, es gibt schon lange nur Kartoffelsuppe, Erbsensuppe und Linsensuppe. Ab und zu reicht es mal für Nudeln mit Gulasch.

Die Amis helfen den Russen mit vielen Bombengeschwadern. Unsere eigenen Flugzeuge, Panzer und die sonstigen motorisierten Fahrzeuge bekommen nur sehr wenig Sprit! Die Wehrkraft ist fast im Eimer. Da denke ich oft an die Worte, die ein Gast in unserem Gasthof meinem Vater sagte: Du Karl, paß mal auf, die deutschen Truppen werden sich in diesem Riesenreich totlaufen und so schnell zurückgetrieben werden, daß sie sich die braunen Hosen vollscheißen. Er meinte damit die fanatischen Hitleranhänger. Zu meinem Vater konnte er das sagen, denn mein Vater war ein Erzgegner von den Hitlergenossen!

So ging es auch mit den deutschen Truppen ständig zurück, sie waren ziemlich machtlos geworden.

Von der Düna, Ulla, Uschatschi wurden die deutschen Truppen nach dem Abschnitt Raseinen verlegt. Im September 1944 weiterer Rückzug an den Brückenkopf am Narew. Der Rückzug erfolgte von Zichenau – Nasielsk.

Die Front hat sich wieder beruhigt, ---- so können wir die Zugpferde nach einigen eisigen Wochen, in einem großen Stall auf einer Kolchose unterbringen. Gott sei ewig Lob und Dank, auch ich kann mir nach dem Versorgen der Pferde, ein Plätzchen im Stroh zum Schlafen suchen. Seit Wochen das erste Mal kann ich mir die Schuh ausziehen! Ach du lieber Himmel, ich hätte in den letzten Tagen in den Waldgebieten heulen können vor Schmerzen, bei der eisigen Kälte, jetzt sehe ich auch, warum! An den Socken bleiben zwei Fußnägel hängen, sie sind abgefroren. Ein Arzt war nicht bei uns, aber ein Veterinär, für die Behandlung von Pferden. Als er das sieht, sagt er nur „oh“ und streut mir ein Puder drauf. Ich kann weder in Schuhe, noch in Stiefel. Da kommt auch schon ein Überfall von den Iwans. Ganz schnell zerreiße ich eine Pferdedecke und wickle beide Füße ein. Da kommt auch schon der Chef und schreit, alles sofort marschbereit machen, anspannen zum Rückzug! Wer nicht schnell genug ist, fällt dem Russen in die Hände. Ich hole meine beiden Pferde und „möchte“ wohl noch anspannen, aber ---- da tritt mir ein Pferd auf die Fußlappen und ich stehe barfuß im eiskalten Schnee. Beim Laufen ist jeder Fußabdruck im Schnee blutig! Einer der Kameraden sieht das und setzt mich auf einem Munitionswagen auf den Bock! Beide Seiten der Rollbahn sind vom Iwan besetzt, ich sitze als Zielscheibe auf dem Bock des Wagens, denn laufen kann ich nicht mehr. Aber, ich hatte wohl einen Schutzengel, denn kein Schuß fiel auf mich. Unser Chef wurde auf einem Schlitten vorbeigefahren, er hatte einen Bauchschuß abbekommen. Als unsere Einheit etwa 20 km Rückzug hinter sich hatte, trat wieder etwas Ruhe ein. Ein Offizier ließ den Rest seiner Truppe antreten. Da wurden erst einmal die Verwundeten und die mit Erfrierungen aussortiert. Ich noch am selben Tag, abends, auf den Hauptverbandsplatz. In einem gedeckten Plattenwagen, der mit etwas Stroh ausgelegt war, wurden wir durch die eiskalte Nacht und den dicken Schnee gefahren. Es war so kalt, daß im Wagen jedes Eisenteil eine weiße Mütze aufhatte. Einige Male mußte uns der Fahrer des Lkw und sein Beifahrer aus den Schneewehen herausschaufeln. Als wir am Verbandsplatz ankamen, bekommen wir etwas Warmes zu trinken und ein Käsebrot, das schon sehr trocken war. Heute war Heiliger Abend, wir liegen auf Stroh, bis zur Abfahrt ins Lazarett Gschatzk, das etwa 80 km von Moskau entfernt ist.

Erst werden Verwundete und Soldaten, die Erfrierungen haben, mit neuen Verbänden versorgt, denn die Läuse machen allen zu schaffen, denn sie machen sich über die eitrigen Wunden her! Am frühen Morgen kommt ein Krankenwagen und holt uns ab. Hier im Lazarett können wir erst einmal anständig baden und bekommen frische Wäsche. Ein Kumpel von mir, mit dem ich bis zu meinem weiteren Abtransport in ein Heimatlazarett, ständig zusammen war, hatte nur die Fingerspitzen angefroren. Er konnte laufen und holte ab und zu unsere Feldpost. Manchmal kam sogar ein 100-g-Päckchenmit Speck an, was wir uns dann geteilt haben. Er bekam in diesen Tagen die Gelbsucht und mußte zurückbleiben in Gschatzk und wir haben uns nicht wiedergesehen. Er war fast ein Freund. Nach 26 Jahren lese ich im „Wüstewaltersdorfer Heimatboten“ seine Anschrift! Ich schreibe von Coesfeld aus und meine Nachricht bekommt er genau an seinem Geburtstag! Die Freude war so groß, daß er sofort antwortete, Mensch Ernst, das war mein allerschönstes Geburtstagsgeschenk! --------

Mein Lazarettzug fuhr durch die russische Landschaft bis Brest-Litowsk. Hier wieder Entlausung, frische Wäsche, gute Verpflegung und ein weißes Bett. Mannometer, man kam sich vor, wie Graf Rotz! Aber ----- ich habe die erste Nacht im molligen Bett so gut geschlafen, daß ich das Bett vollgepinkelt habe, so daß noch eine Lache unter dem Bett hervorlief. Als am Morgen die hübschen jungen Schwestern das erste tolle Frühstück ans Bett bringen, sahen sie die Bescherung. Ich hätte vor Scham ins kleinste Mauseloch kriechen wollen, konnte mich aber nur entschuldigen. Da lachte die Schwester und sagte, Sie brauchen sich bestimmt nicht zuschämen, denn das passiert allen, die von der Ostfront kommen und die eisige Kälte von 45 Grad ertragen mußten! Hier wurde ich 14 Tage fast verwöhnt und dann mit dem Lazarettzug von Brest-Litowsk nach Wien verlegt. Hier wieder Entlausung, frische Wäsche und ein frisches, weiches Bett. Schlimm war für uns, daß uns sämtliche Körperhaare abgeschnitten bzw. abrasiert wurden. Offiziere blieben von dieser Prozedur verschont. Wenn man in den Spiegel sah, kam man sich vor, wie ein Zuchthäusler. Sonst war es in Wien sehr schön, besonders dann, als ich nach Wochen wieder Schuhe anziehen konnte!

Von Wie aus bekam ich, vor der Abfahrt an die Ostfront, 1 Tage Genesungsurlaub. Danach mußte ich mich beim Ersatzhaufen in Königshütte melden und wurde nach wenigen Tagen wieder an die Front geschickt.

Hier bei Gschatzk werde ich zur II. Abteilung der Artillerie, kommandiert. Es ist die leichte Artillerie, 10,5 cm Geschütze, erst als Meldereiter dann auch am Geschütz eingeteilt. Noch ist Stellungskrieg, wir hausen in Bunkern, die Einheiten werden neu aufgestellt.

Das Leben im Bunker ist fürchterlich, mit mehreren Mann schlafen, die Schweißsocken stinken zum Himmel, alle furzen – sicher, das ist menschlich, wenn aber dann noch in diesem Gemeinschaftsraum getrunken und gegessen werden muß, da schmecken Essen und Kaffee nicht mehr. Das wiederholt sich während des ganzen Rückzuges. Der Russe wird immer stärker und die deutsche Armee ----- immer schwächer! Es bleiben meist nur Abwehrkämpfe und Rückzugsmöglichkeiten. An einen Sieg glaubt keiner mehr, man darf es nur nicht laut sagen! Scheiß-Krieg! Daß Hitler, der Kriegsverbrecher, mit seinem Gefolge in bombensicheren Bunkern Sicherheit genießt, dürfen wir nur denken! Die Soldaten müssen nur den Arsch hinhalten und den Mund halten! -------

Ein Rückzug nach dem anderen, wenig Gegenwehr, es fehlt an allem. Essen aus der Gulaschkanone, fast jeden Tag Graupen, Erbsen, Linsen und Kartoffelsuppe. Mit dieser Suppe habe ich eine dicke, schwarze, glänzende Kakerlake auf dem Löffel. Vor Ekel und Wut werfe ich das Kochgeschirr mit Inhalt weit in die Landschaft. Mir ist der Appetit vergangen!

Wieder kommt ein Stellungswechsel, die armen Pferde müssen sofort eingespannt werden und über den langen Knüppeldamm zur Feuerstellung der 4 Geschütze, nach dem Waldrand in Grebenzi gebracht werden. Der Russe ist aber fast ehre da, als wir, denn wir können nicht mehr weg. Mit einem Geschrei und „uhrää, uhrää“ kommen sie an, die Maschinenpistole unter dem Arm, schon im Anschlag und besetzen so ganz einfach unsere Geschütze. Unsere ganzen eigenen Sachen liegen in den Protzen und sind auch vereinnahmt – weg für immer!

Als ich meinen Karabiner zur Verteidigung über beide Pferderücken in Anschlag bringe, saust mir ein Geschoß vom Russen direkt am linken Auge und Ohr vorbei, aber schlitzt mit, Gott sei Dank, nur die Haut auf. Wieder einmal hatte ich einen Schutzengel! Natürlich blieb mir nur das Fliehen durch den Wald. An einer Anhöhe kam ich heraus, rannte, wie ein Stoppelhase, denn der Russe konnte die Fläche einsehen und noch einmal hatte ich Glück, denn hinter dem Hügel fand ich meine versprengte Einheit. Der Chef kam sofort und freute sich, Mensch Jauernick, meinte er, ich habe sie schon als vermißt geglaubt! Ich bekam von ihm sofort eine Zigarette und das blutunterlaufene Auge wurde behandelt. Einen Gegenangriff, am nächsten Tag, brauchte ich nicht mitzumachen. So, wie ich hörte, war er sowieso erfolglos Bis wir wieder Geschütze bekamen, das dauerte. Inzwischen wurden wir auf andere Einheiten aufgeteilt.

Es geht wieder einmal zurück, bei Gorki ist die neue Stellung. Hier sehe ich eines Tages von einem Splitterloch her einen Luftkampf zwischen deutschen und russischen Fliegern, daß einem Angst und Bange wird. Ich kann alles beobachten, wenn ich den Kopf aus dem Loch stecke. Jagdflugzeuge rasen durch die Luft, von beiden Seiten schießt die Flak. Ich zähle 11 Flugzeuge, die abstürzen, einem reißt die ganze Kanzel ab, das Flugzeug kommt kopfüber herunter, die Besatzung mit. Andere kommen heruntergepurzelt, weil die Tragflächen abgeschossen wurden.

Es geht in den nächsten Tagen wieder zurück, oft bleibt nur noch eine kleiner Schlauch, wo wir noch durchkommen können. Der Russe fängt an, seine eigenen Dörfer niederzubrennen, damit wir behindert werden, uns irgendwo zu erholen. Inzwischen piesacken uns die Läuse und wenn wir mal eine alte Scheune oder einen Stall für eine Pause erwischen, kommen noch die Ratten und Mäuse, die uns auch nicht leiden mögen!

 

 

Einige Tage später wurde ich an der Ferse operiert und mußte ------- wieder einmal ins Lazarett, diesmal in Warschau und nach etwa einer Woche nach Lähn, im Riesengebirge. Als ich wieder Laufen konnte, kam ich erst nach Baumholder, von hier wieder an die Ostfront.

Mit meinem Chef mußte ich zur B-Stelle (Beobachtungsstelle) reiten, direkt an der Front, Frontkämpferpäckchen abgeben. Der nächste Weg dahin führte durch einen Wald, der voller Sumpflöcher war. Die Löcher kannte ich schon, die waren zum Teil unberechenbar. So schlug ich dem Chef vor, vorneweg zu reiten, weil ich wußte, daß er die hinterlistigen Wasserlöcher nicht kannte. „Jauernick, ich reite vorneweg! Es dauerte nicht lange, da sank sein Pferd mit den Vorderfüßen tief in den Schlamm und mein Herr Oberleutnant machte einen tollen Salto über den Kopf des Pferdes. Ich durfte ja nicht lachen, aber als er sich aus dem Schlamm aufrappelte, war er von oben bis unten voller Matsche! Wer nicht hören will, muß fühlen! -----

Nicht immer haben die Offiziere recht, ich habe es erlebt bei Orscha. Unsere Batterie hat sich um einen großen Strohschober zu einer Pause gelagert. Der Herr Chef ritt allein ins Gelände, um zu prüfen, wo wir am besten in Stellung gehen könnten. Als er zurückkommt, befiehlt er den Weitermarsch mit den Geschützen. . Ich hatte noch mein liebes Reitpferdchen Minka, ein geflecktes Schimmelchen.

In den Munitionswagen lagen zum Teil Verwundete, weil wir sowieso auf dem Rückzug nicht verteidigen konnten. Dazu kam es aber nicht mehr, in einer halbrunden Schützenkette kommt der Russe an und jagt uns in den dort liegenden Sumpf. Um zu entkommen, müssen wir alle über eine Schmalspurbahn, die am Sumpf vorbei führt, die einzige Möglichkeit, um nicht den Russen in die Hände zu fallen! Auf der andern Seite ist nur Sumpf, aber wir müssen über die Gleise, die höher liegen – auf dem Damm! Die Fahrer der Geschütze und Munitionswagen ------  müssen und können nur noch über die Gleise, aber die Pferde, 4-spännig, verstricken sich in den Sielengeschirren, weil sie alle den Hang hinunterfallen, in den Sumpf. Die Verwundeten schreien in den umgekippten Wagen, nach dem Arzt, nach dem Sanitäter und auch nach der Mutter. Der Morast, das Wasser, löscht alles Leben aus. Auch ich muß mein liebes Schimmelchen zurücklassen. Als nur noch der Kopf aus dem saugenden Sumpf herausguckt, wiehert es noch nach mir hin und versank!

Ich habe bei dieser Flucht geheult, wie ein kleines Kind! Wenn man heute von „Helden“ spricht, was sind Helden?

Der Schutzengel hat es mit mir wieder gut gemeint ! ----- Aber mein armes Pferdchen ist versunken und ich konnte ihm nicht helfen.

Diese letzten Berichte sind von den Kämpfen Jelnja – Dorogobusch und Gorki, 1943, an der Pantherstellung.

Mit einem Mittelhandbruch schickt man mich erst einmal in die Krankenstation. Nach einigen Wochen kommen ich zur Truppe zurück, sie liegt bei Orscha, wird aber bald verlegt in den Raum in den Raum Gorodok, Newel, wo eine Gegenoffensive gestartet werden soll.

Ich habe jetzt ein anderes Pferd und unternehme mit dem Chef einen flotten Geländeritt in einem großen Wiesengelände, eingerahmt von Sträuchern, auch ein kleines Bächlein plätschert in vielen Kurven dahin. Es macht Spaß, denn es ist schönes Wetter! In der einen Kurve ist eine kleine Holzbrücke, der Chef ist schon drüber weg und mein Pferd schiebt beim Galopp die Rundhölzer zusammen. Die Vorderbeine sacken in den Bach und ich mache einen Salto über den Kopf des Pferdes und bleibe mit dem linken Fuß im Steigbügel hängen. Die dabei verdrehte Stelle im Knie habe ich noch viele Jahre mit leichtem Schmerz gemerkt.

Hier bei Gorodino, Schumolino, Obol ist reines Partisanengebiet. Es werden wiederholt Nachschubzüge gesprengt. Wir müssen uns ans Hungern gewöhnen, es gibt schon lange nur Kartoffelsuppe, Erbsensuppe und Linsensuppe. Ab und zu reicht es mal für Nudeln mit Gulasch.

Die Amis helfen den Russen mit vielen Bombengeschwadern. Unsere eigenen Flugzeuge, Panzer und die sonstigen motorisierten Fahrzeuge bekommen nur sehr wenig Sprit! Die Wehrkraft ist fast im Eimer. Da denke ich oft an die Worte, die ein Gast in unserem Gasthof meinem Vater sagte: Du Karl, paß mal auf, die deutschen Truppen werden sich in diesem Riesenreich totlaufen und so schnell zurückgetrieben werden, daß sie sich die braunen Hosen vollscheißen. Er meinte damit die fanatischen Hitleranhänger. Zu meinem Vater konnte er das sagen, denn mein Vater war ein Erzgegner von den Hitlergenossen!

So ging es auch mit den deutschen Truppen ständig zurück, sie waren ziemlich machtlos geworden.

Von der Düna, Ulla, Uschatschi wurden die deutschen Truppen nach dem Abschnitt Raseinen verlegt. Im September 1944 weiterer Rückzug an den Brückenkopf am Narew. Der

Als wir eines Tages in Dorogobusch ankommen, will man uns das Leben etwas verschönern, hier ist nämlich, bis jetzt noch, die Frontbühne. Wir dürfen uns an einem Film mit Marika Rökk erfreuen. So lange, schöne tanzende Frauenbeine haben auch sehr lange nicht gesehen. Ich bekomme sogar den Jahresurlaub und darf für 14 Tage nach Hause fahren. Meine Fahrt geht über Brest-Litowsk, Litzmannstadt, Warschau, Breslau, Schweidnitz, Hausdorf. Von hier werde ich mit der Kutsche abgeholt.

Als ich dann zurückkomme, hat die Einheit Stellungskrieg, beide Seiten gönnen sich eine Pause. Es sind inzwischen auch Bunker gebaut worden. Ab und zu hört man Abschüsse von der Artillerie. Die Geschützbedienung vom II. Geschütz sitzt zwischen den Holmen und spielt Skat. Ich grabe mit dem Spaten, sicherheitshalber, ein Splitterschutzloch. Man kann nie wissen! Da brummt es in der Luft, man hört auch schon, daß in der Nähe Bomben fallen. Da sage ich noch zu den Spielern, die tun uns hier nichts mehr, die haben schon abgeladen. Aber, da kommt einer, genau in unsere Richtung, öffnet die Luken und 4 Bomben wackeln auf uns zu! Ach, du Scheiße, die kommen genau hier her! ----- Ich verkrieche mich im Ein-Mann-Splitterschutzloch. Es knallt und kracht, die Splitter und der Dreck fliegen über das Loch.

Das Geschütz total im Eimer und die Mannschaft schwer verwundet Ich denke wieder an den Schutzengel und der hilft mir noch oft! -----

Die Geschütze sind kaputt und ich werde Meldereiter. Mein Chef ist jetzt ein großer, breitschultriger, rothaariger Ostpreuße. Er heißt „Weier“. Wenn er telefoniert, meldet er sich: „Hier ist Oberleutnant Weier, großes W und kleine Eier.“ Er sagt zu mir, Jauernick, da unten im Tal ist eine Kolchose, reiten Sie mal dahin und gucken, ob da Hühner sind. Ich habe so Appetit auf ein gebratenes Huhn! An der Front war es still, mit etwas Schiß reite ich hin, mit dem Huhn das klappt. Es steht sogar mitten auf dem Hof ein Backofenhäuschen aus Holzbalken. Das Huhn in heißem Wasser gebrüht, gerupft, gewaschen und ausgenommen. Das klappte prima, da hingen sogar Pfannen an der Wand! Fett in die Pfanne, das Huhn in das heiße Fett, Pfeffer und Salz hatte ich mit. Nach etwa einer viertel Stunde hebe ich den Deckel, da höre ich, von weit her einen Abschuß, das Huhn schön braun, ehe ich mich freuen kann, könnte ich heulen, denn die Granatsplitter zerfetzen die Holzbalken. Der Staub und Dreck auch Holzsplitter bedecken das braungebackene Tier. Rechts und links, wo ich stand, waren die Holzbalken von Splittern zerfetzt und ich stand mittendrin! Ist das nicht Glück? Es kommen noch zwei Abschüsse, aber sie treffen nicht mehr diese Bude. Als ich zurückreite, wartet schon mein Chef auf mich: „Jauernick, ich hatte verdammte Angst um sie, ich hatte sie schon auf die Vermißtenliste gesetzt.“

Einige Tage später wurde ich an der Ferse operiert und mußte ------- wieder einmal ins Lazarett, diesmal in Warschau und nach etwa einer Woche nach Lähn, im Riesengebirge. Als ich wieder Laufen konnte, kam ich erst nach Baumholder, von hier wieder an die Ostfront.

Mit meinem Chef mußte ich zur B-Stelle (Beobachtungsstelle) reiten, direkt an der Front, Frontkämpferpäckchen abgeben. Der nächste Weg dahin führte durch einen Wald, der voller Sumpflöcher war. Die Löcher kannte ich schon, die waren zum Teil unberechenbar. So schlug ich dem Chef vor, vorneweg zu reiten, weil ich wußte, daß er die hinterlistigen Wasserlöcher nicht kannte. „Jauernick, ich reite vorneweg! Es dauerte nicht lange, da sank sein Pferd mit den Vorderfüßen tief in den Schlamm und mein Herr Oberleutnant machte einen tollen Salto über den Kopf des Pferdes. Ich durfte ja nicht lachen, aber als er sich aus dem Schlamm aufrappelte, war er von oben bis unten voller Matsche! Wer nicht hören will, muß fühlen! -----

Nicht immer haben die Offiziere recht, ich habe es erlebt bei Orscha. Unsere Batterie hat sich um einen großen Strohschober zu einer Pause gelagert. Der Herr Chef ritt allein ins Gelände, um zu prüfen, wo wir am besten in Stellung gehen könnten. Als er zurückkommt, befiehlt er den Weitermarsch mit den Geschützen. . Ich hatte noch mein liebes Reitpferdchen Minka, ein geflecktes Schimmelchen.

In den Munitionswagen lagen zum Teil Verwundete, weil wir sowieso auf dem Rückzug nicht verteidigen konnten. Dazu kam es aber nicht mehr, in einer halbrunden Schützenkette kommt der Russe an und jagt uns in den dort liegenden Sumpf. Um zu entkommen, müssen wir alle über eine Schmalspurbahn, die am Sumpf vorbei führt, die einzige Möglichkeit, um nicht den Russen in die Hände zu fallen! Auf der andern Seite ist nur Sumpf, aber wir müssen über die Gleise, die höher liegen – auf dem Damm! Die Fahrer der Geschütze und Munitionswagen ------  müssen und können nur noch über die Gleise, aber die Pferde, 4-spännig, verstricken sich in den Sielengeschirren, weil sie alle den Hang hinunterfallen, in den Sumpf. Die Verwundeten schreien in den umgekippten Wagen, nach dem Arzt, nach dem Sanitäter und auch nach der Mutter. Der Morast, das Wasser, löscht alles Leben aus. Auch ich muß mein liebes Schimmelchen zurücklassen. Als nur noch der Kopf aus dem saugenden Sumpf herausguckt, wiehert es noch nach mir hin und versank!

Ich habe bei dieser Flucht geheult, wie ein kleines Kind! Wenn man heute von „Helden“ spricht, was sind Helden?

Der Schutzengel hat es mit mir wieder gut gemeint ! ----- Aber mein armes Pferdchen ist versunken und ich konnte ihm nicht helfen.

Diese letzten Berichte sind von den Kämpfen Jelnja – Dorogobusch und Gorki, 1943, an der Pantherstellung.

Mit einem Mittelhandbruch schickt man mich erst einmal in die Krankenstation. Nach einigen Wochen kommen ich zur Truppe zurück, sie liegt bei Orscha, wird aber bald verlegt in den Raum in den Raum Gorodok, Newel, wo eine Gegenoffensive gestartet werden soll.

Ich habe jetzt ein anderes Pferd und unternehme mit dem Chef einen flotten Geländeritt in einem großen Wiesengelände, eingerahmt von Sträuchern, auch ein kleines Bächlein plätschert in vielen Kurven dahin. Es macht Spaß, denn es ist schönes Wetter! In der einen Kurve ist eine kleine Holzbrücke, der Chef ist schon drüber weg und mein Pferd schiebt beim Galopp die Rundhölzer zusammen. Die Vorderbeine sacken in den Bach und ich mache einen Salto über den Kopf des Pferdes und bleibe mit dem linken Fuß im Steigbügel hängen. Die dabei verdrehte Stelle im Knie habe ich noch viele Jahre mit leichtem Schmerz gemerkt.

Hier bei Gorodino, Schumolino, Obol ist reines Partisanengebiet. Es werden wiederholt Nachschubzüge gesprengt. Wir müssen uns ans Hungern gewöhnen, es gibt schon lange nur Kartoffelsuppe, Erbsensuppe und Linsensuppe. Ab und zu reicht es mal für Nudeln mit Gulasch.

Die Amis helfen den Russen mit vielen Bombengeschwadern. Unsere eigenen Flugzeuge, Panzer und die sonstigen motorisierten Fahrzeuge bekommen nur sehr wenig Sprit! Die Wehrkraft ist fast im Eimer. Da denke ich oft an die Worte, die ein Gast in unserem Gasthof meinem Vater sagte: Du Karl, paß mal auf, die deutschen Truppen werden sich in diesem Riesenreich totlaufen und so schnell zurückgetrieben werden, daß sie sich die braunen Hosen vollscheißen. Er meinte damit die fanatischen Hitleranhänger. Zu meinem Vater konnte er das sagen, denn mein Vater war ein Erzgegner von den Hitlergenossen!

So ging es auch mit den deutschen Truppen ständig zurück, sie waren ziemlich machtlos geworden.

Von der Düna, Ulla, Uschatschi wurden die deutschen Truppen nach dem Abschnitt Raseinen verlegt. Im September 1944 weiterer Rückzug an den Brückenkopf am Narew. Der Rückzug erfolgte von Zichenau – Nasielsk.

Rückzug erfolgte von Zichenau – Nasielsk.

 

osrfrberlin ostfrdresden ostfrtreck
Berlin, nach Bombenangriff Viele Kinder, die ihr Leben erst noch beginnen 
wollten, sind unter den 
Bombenopfern  (Dresden)
Grausamkeiten gegen die Zivilbevölkerung durch
die Rote Armee, war keine Erfindung der
 
Nazipropaganda. Viele Ostdeutsche versuchen nach
Westen zu entkommen.


infanteriedivision252
Divisionsgeschichte, der Name "Eichenblatt" bezieht sich auf die Landkarte Schlesiens


Hier endete für mich der Krieg im Osten, vorläufig! Ich kam noch einmal ins Lazarett. Mit dem letzten Lazarettzug, der noch über die Weichselbrücke fuhr, kam ich von Thorn nach Berlin! Hier erlebe ich diese wahnsinnigen Bombenangriffe, Nacht für Nacht.  Auf eigenen Wunsch wurde ich nach etwa 14 Tagen nach Hause entlassen. Inzwischen war Vater gestorben, das hatte ich nicht erfahren. Ein Platz am großen Eßtisch blieb leer. Als ich Vater auf dem Friedhof besuche, sehe ich mit Entsetzen, daß sich viel verändert hat, auf unserem Grundstück. Über unsere Felder fährt quer durch, bis in den Wolfsberg hinein, eine Schmalspurbahn, die das ganze Material für den Bunkerbau „Riese“ hineintransportiert. Der ganze Wald von 50 Morgen und etwa 25 Morgen Land, sind enteignet worden. Ein hoher Wall mit mehrfachem Stacheldraht, die Wachen mit geladenen Karabinern. Sie gehen auf und ab, so daß kein Mensch von uns mehr hinein kann. Auf einem großen Schild steht, ---- Halt! Kein Eingang! Hier wird geschossen! Der Russe wirft schon Flugblätter ab, die Bewohner sollen den Ort verlassen, er sei bald hier!

Ich kann noch meinen 25. Geburtstag (18. Februar 1945) zu Hause feiern. Mein Heimatdorf sollte ich nicht wiedersehen!

Ehe ich losfahren muß, packe ich noch einen großen Wagen mit den notwendigsten Sachen und vergrabe noch Vaters Jagdgewehre.

Am anderen Morgen muß ich nach Waldenburg, hier bekomme ich die Überweisung zu einer neuen Einheit, denn die 252. Eichenlaubdivision besteht nicht mehr!

Ein lautes Gebrüll und Geschrei am frühen Morgen. Als ich vom Fenster der Gaststube auf die Straße sehen kann, treibt man halbverhungerte, dem Tode ähnlich, zerlumpte Menschen vorbei. ----- Die Bewacher von beiden Seiten haben Stöcke und Knüppel in der Hand und machten manchmal auch Gebrauch davon. Vorneweg wurde eine riesige Kuhherde getrieben. ------

Ich dachte noch, wehe uns, wenn wir diesen Krieg verlieren!

Von Waldenburg aus muß ich zur 19. Panzerdivision in die Tschechei. Hier haben wir noch versucht zu kämpfen, aber auch hier half der Amerikaner kräftig. Habe ich schon die ständigen Bombennächte in Berlin erlebt, hier ist der Teufel los und die Tschechen machen uns das Leben zur Hölle. Am 8. Mai schießen wir noch mit dem 15 cm Geschütz einen russischen Panzer ab. Am frühen Morgen des 9. Mai 1945 ist, außer uns beiden am Geschütz, kein Soldat von uns mehr da. Die Führung und alle anderen waren weg, nur wir beide waren so blöd und haben nichts gemerkt! Vor uns, auf der einen Seite, eine Anhöhe auf der anderen Seite Wald, Wald, Wald --- nur etwa 60 km und ich wäre zu Hause. Wir waren hier in der Nähe von Deutsch-Brod. Aber, der Wald sitzt voller Partisanen. Wir werden uns nicht einig und gehen getrennte Wege. Meiner ist die Anhöhe – ich komme mir recht komisch vor, so alleine den Berg hinauf zu gehen! Es ist ein sonnig-heißer Tag. Ich komme ganz schön ins Schwitzen. Oben angelangt, liegt das Tal vor mir, der Anblick: Hunderte deutscher Gefangener werden von vielen russischen Posten bewacht. Ihre Karabiner mit aufgepflanztem, spitzen Bajonett, immer tief auf die Gefangenen gerichtet, die auf ihren Kochgeschirren sitzen müssen! -----

Da habe ich gedacht, du bist alleine, die knallen dich jeden Moment ab, aber nein, sie ließen mich kommen, ich war ja unbewaffnet. Aber sofort wurden meine sämtlichen Taschen ausgeräumt, das Koppelschloß, mit dem Hakenkreuz flog über Bord, Auszeichnungen abgerissen und in bereitstehende Behälter geworfen. Es blieb mir nichts, als die Uniform und das Kochgeschirr, auf das ich mich sofort zu setzen hatte. Alles andere war für immer weg, sogar das Soldbuch und die Hundemarke, die man um den Hals tragen mußte.

Abmarsch in 12-er Reihen nach Brünn, ins Zuchthaus. Hier kampieren wir alle auf dem Lehmboden. Am nächsten Tag ging es zum Bahnhof, mit 30 Mann im kleinen Viehwaggon, mit 60 Mann im großen, fuhr man uns von der Tschechei aus über Ungarn, Rumänien nach Konstanza. In der Mitte, im Fußboden ist ein kleines Loch, das WC für Gefangene. In Konstanza nimmt uns das rumänische Schiff „Transsilvania. auf und bringt uns nach Noverosisk von wo uns Lkw nach Krasnodar weitertransportieren.

Vier Jahren Krieg folgen viereinhalb Jahre Kriegsgefangenschaft, von der ich ja schon zuerst berichtet habe. Ein Wunder, daß ich diese lange, schwere Zeit überlebt habe, Millionen haben es nicht!

 

E N D E

 

Coesfeld, im März 2007,  Ernst Jauernick

 

Bei der Übertragung der Erinnerungen habe ich bewußt nicht chronologisch aneinander gereiht, sondern bin der  Reihenfolge des Niederschreibens gefolgt. Manche Ereignisse tauchen zweimal auf, da ja ursprünglich eine Niederschrift der Kriegserlebnisse nicht vorgesehen war. So sind mitunter Einzelheiten hinzugekommen, wodurch die wenigen sich wiederholenden Einzelereignisse nicht stören.

Auf meine Frage, ob ihm Vergewaltigungen durch Angehörige seiner Einheit in Rußland bekannt geworden sind, antwortete mir Ernst Jauernick mit „Nein!“

 

Digitalisiert, mit Bildern aus dem Buch „Der zweite Weltkrieg“, von Heinz Bergschicker, Deutscher Militärverlag, DDR 1963, ergänzt von Wolfgang Leistritz.

 

Leipzig, im Mai 2007, Wolfgang Leistritz

 

Am 4. Februar 2009 ist Ernst Jauernick in Coesfeld gestorben.

Menschen in Schlesien


Ernst Jauernick



 

 

jauernig500




 Aus den Erinnerungen Ernst Jauernicks                            

Meine schlesische Heimat

Am 18. Februar 1920 wurde ich in Jauernig Kreis Waldenburg, als jüngstes von zwölf Geschwistern, geboren.

Der Ort wurde später in Hausdorf eingemeindet und nannte sich dann amtlich Hausdorf-Oberdorf. Jauernig gehörte aber zum evangelischen Kirchspiel Wüstewaltersdorf und liegt in einem Tal an den nordwestlichen Ausläufern des Eulengebirges, das in das Waldenburger Bergland übergeht. Seine nördliche Ortsgrenze liegt vor dem Fluß Weistritz und den Bahngleisen der Weistritztalbahn.

Meine Eltern bewirtschafteten in Jauernig einen Gasthof, „Zur Scholtisei“, und eine Landwirtschaft. Dazu gehörten 76 Morgen Land am Wolfsberg und 50 Morgen Wald im Wolfsberg, also insgesamt 126 Morgen = 31,5 Hektar.

15-16 rotbunte Rinder, 2-3 Pferde gehörten, mit vielen anderen Tieren zum Viehbestand. Die Rinder wurden oft auf den Waldwiesen gehütet.
Hierher kamen auch ganze Rudel Rotwild zum Äsen. Schön für Vater, der hier in der Umgebung die Jagt hatte.

2 Starke Pferde haben auf dem Land, im Wald und bei vielen wichtigen Fuhren in die Umgebung bis Waldenburg oder Schweidnitz, ständig zu tun gehabt! Sie haben alle ihre Aufgaben gut erfüllt, sei es mit Spazierschlitten, Kastenschlitten, mit der offenen oder gedeckten Kutsche, mit Brautwagen und, vor allem aber, bei der Feldarbeit!

 

 
gespann   gasthofscholtisei

Pferdegespann, mit Fohlen

  Gasthof zur Scholtisei


                                                    
silberhochzeitSilberhochzeit 1923

 

 

Im Anschluß an den Pferdestall kamen die Schweineställe, wo ständig 10-12 Schweine ein schönes Leben hatten. Sie alle konnten noch im Stroh wühlen und bekamen 3 Malzeiten Futter am Tag, alles vom Land, Kartoffeln zum Teil mit Milch und Getreide, Schrot ---- aber alles ohne schädliches Gift!

Natürlich gehören zum kompletten Bauernhof viele Hühner und Gänse, die sich noch auf freiem Land wohlfühlen durften. Für die Katzen gab es jeden Tag frische Kuhmilch. Als Dank fingen sie fleißig Mäuschen in den Ställen und Scheunen.

Wir brauchten ständig sehr viel Brennholz für sämtliche Kachelöfen, den Küchenherd, den großen Waschkessel und den Kartoffeldämpfer. Auch der Backofen verschluckt alle 14 Tage eine ganze Menge an trockenen Holzscheiten. Kohlen (Steinkohle) holen wir auch einige Mal im Jahr von der Melchiorgrube in Waldenburg. Wir fuhren mit dem großen Kastenwagen dahin, denn 30-35 Zentner betrug meist die Ladung.

Ab Juni beginnt die Heuernte. Auf den Bergen schneiden wir noch mit der Sense, sonst mit der Maschine. Diese Arbeit ist, je nach Wetter, in etwa 4 Wochen beendet.

Ab 25. Juli, zu Mutters Geburtstag, steht das erste Roggenfeld in Puppen, die in Reih und Glied aufgestellt werden. Da wünschen wir uns gutes Wetter, denn die Ernte von Roggen, Gerste, Weizen und Hafer dauert 4-6 Wochen und alles muß trocken in die Scheune!

 

fluegelmaemaschine

Ernte mit der Flügelmaschine

puppenPuppen aufstellen     
    Das trockene Getreide wird eingefahren




 

ernteEinbringen des trocknen Getreides

 

Aber noch läuft die Rübenernte, Wurzeln und Weißkraut warten auf die Verarbeitung. Manches ist auch als Viehfutter bestimmt.

Vater hat mir damals recht früh selbständiges Arbeiten beigebracht. Ganz wichtig ist auch, den Mund loszumachen, wenn es ums Einkaufen und Verkaufen geht. Wer seinen Mund nicht losmacht und verhandelt, der muß seinen Geldbeutel losmachen! Recht hatte er! Diese Erfahrung habe ich gemacht und bin allemal gut dabei gefahren.

Im Winter, auch bei viel Schnee und Kälte, mußten wir immer mal im Wald arbeiten. Es war auszuforsten, Bäume waren zu fällen. Langholz wurde geschält, entästet und vermessen. Nach einer Tabelle wurde jeder Stamm nach Festmetern genau berechnet, dann wurden die Stämme von den Pferden aus dem Wald gezogen und auf einer freien Fläche gestapelt. Die Langholzfahrzeuge mußten die Möglichkeit haben, die langen Stämme auf ihre schweren Fahrzeuge zu verladen. Das Langholz die Berge herunterzufahren brauchte sehr viele Geschick und Augenmaß. Auch Grubenholz, für das Abstempeln von Kohlestollen, wurde nach Raummetern gestapelt. Ich durfte damals, schon als Kind helfen, Reisig zu einem großen Haufen aufzuschichten. Dann wurde ein ganz herrliches Feuer angezündet. Dicke Rauchschwaden durchzogen die Luft, bevor sich die Glut bildete. Es knackte und die Funken sprühten, dabei roch es so schön nach Harz! Nun konnten sich alle schön aufwärmen. Natürlich bekam man bei der frischen Waldluft Hunger, wie ein Wolf. Wenn dann das langersehnte Frühstück oder die Vesper ankam, saßen wir alle um das Feuer herum und die Butterschnitten schmeckten mit den harzigen Händen vorzüglich. Eine Gelegenheit, die Hände zu waschen, gab es nicht immer.

Auf der Waldwiese konnten wir Rehe, Hasen und manchmal auch Fasane beobachten.

Kurz vor Weihnachten holte Vater den „schönsten“ Baum aus dem eigenen Wald.

Mein Bruder Erich fertigte im Pferdestall Besen aus Birkenzweigen. Für das Einbinden der Besen hatte Vater schon vorgesorgt. Mit einem steinharten Holz-Bitschpinholz, als Keile gefertigt, spaltete er Weidenruten in 2-3 oder auch 4 Teile. Diese Besen waren sehr lange haltbar und fegten hervorragend!

Eine weitere Beschäftigung war das Flegeldreschen auf einer Lehmtenne. Die Garben von Roggen wurden, mit den Ähren zur Mitte, auf die Tenne gelegt. Die Körner herausgedroschen und das Stroh weich gemacht. Dieses Langstroh war für Seile bestimmt. Die Seile wurden im Pferdestall gemacht, weil es hier schön warm war. Die Strohseile waren für das Dreschen mit der Maschine bestimmt. Später nahm uns diese Arbeit eine neue Binderpresse ab.

Ach ja, ich wollte noch nachholen, das Dreschen mit den Flegeln war gar nicht so einfach. Mit 2 Mann 2/4 Takt, mit 3 Mann ¾ Takt und mit 4 Mann 4/4 Takt. Da mußte man schon aufpassen, sonst konnte man den anderen aus dem Takt bringen, denn man steht sich gegenüber!

Die Strohseile wurden auf Vorrat für die nächste Ernte im Schock gebündelt. Ein Schock sind 60 Stück. Damit wurden nicht nur die Garben, sondern auch die Köpfe der Getreidepuppen eingebunden. Mit diesem Langstroh wurden damals noch für uns Kinder, die Strohsäcke in den Betten gestopft. Das ergab eine mollig-warme Matratze.

Noch eine Ergänzung zu den alten Maßeinheiten, die viele heute nicht mehr kennen:

60 Stück = 1 Schock, 12 Stück = 1 Dutzend, 15 Stück = 1 Mandel.

Mit der elektrischen Häckselmaschine wurde auch das Langstroh als Häcksel unter gequetschten Hafer gemischt. Das ergab ein gutes Futter.

Ja, der Winter in unserer schlesischen Heimat war oft sehr kalt und lang.

 

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Anzeige aus den 1920er Jahren, da spielte auch schon mal die Kapelle Karl Leistritz  


schnitter39Schnitter 1939, ganz links Ernst Jauernick

kartoffelnachleseKartoffelnachlese

hausmusikHausmusik, Ernst mit Schwestern Else und Erna

kuehehuetenEine Schwester beim Kühe hüten

gasthofmitwolfsbergDas Anwesen mit Feldern dahinter und dem Wolfsberg

    olfsberg


 

 

Bevor ich zu meiner Soldatenzeit komme, will ich noch etwas aus meiner Kindheit berichten.

Als die allerersten Autos durch unser Dorf fuhren und unser Schulausflug nach Breslau, etwa 1930

Es war beim Kühehüten auf den Bergwiesen. Friedlich grasen die Tiere, ab und zu klingen die
Glocken in verschiedenen Tönen, die an einem stabilen Lederband um den Hals der Tiere hingen. Ringsherum auf den Feldern wurde fleißig gearbeitet. Mit Pferden, Ochsen oder Kühen waren die Bauern mit der Bearbeitung der eigenen Scholle beschäftigt. Oft hörte man das Lachen oder Singen von den vielen Helfern.
Auf einmal wird das Grasen der Kälber und Kühe unterbrochen, alle heben den Kopf, stellen die großen Ohren nach vorne, denn aus dem Tal unten dröhnen laute, fremde Töne. Da fährt doch so ein komisches Fahrzeug, ganz ohne Pferde und ohne Ochsen gezogen, ganz alleine die Dorfstraße entlang mit einem lauten „Tüüt, tüüt"! Die Feldarbeiter  auch die Dorfbewohner stecken schnell die Köpfe zusammen und beraten, was das wohl für ein komisches Teufelsding ist, was so ganz alleine fährt. Dabei bläst das Auto, es war ein Opel, eine schwarze Rauchfahne hinten raus. Die Räder hatten noch ganz dicke Speichen. Zum rechts oder links Abbiegen betätigte der Fahrer einen kleinen Hebel, je nach Richtung kam vorne an den Seiten ein roter Pfeil heraus. Der Motor wurde
vorne am Wagen mit kraftvollen Umdrehungen mit einer Kurbel angeworfen, so fing der Motor an zu laufen - aber manchmal auch nicht!
Statt mit dem Pferde oder Bollerwagen lieferte jetzt der Bäckermeister aus Hausdorf seine Backwaren mit dem neuen Auto an die Dorfbewohner. Es dauerte nicht lange, da kam das zweite Auto in den Ort gefahren. Die Schweinehändler Richter aus Schweidnitz kamen mit einem Hanomag Kombi auf unseren Hof gefahren. Dieser Wagen war mit vier Kabinen ausgestattet, die alle mit kleinen Ferkeln belegt waren. Zum Kauf angeboten wurden die Tiere einfach an den Hinterbeinen gepackt, herausgezogen und in die Höhe gehalten, damit man sie gut betrachten konnte. Aber der Motor von diesem Hanomag war nicht der stärkste, denn die kurvenreiche, manchmal steile Straße, machte ihm schwer zu schaffen, so kam es auch vor, daß die Dorfbewohner halfen das Fahrzeug zu schieben. Zum Totlachen war die komische Hupe! Wenn sie gebraucht wurde, kam nur ein heiseres „ööht, ööht, ööht" heraus.
 
schulejauernig30Auch unser Lehrer Schütze hat sich das erste Motorrad im Dorf angeschafft. In seinen Knickerbockerhosen, der dunklen Lederkappe mit der großen Sonnenbrille sah er aus wie Manfred v. Richthofen, wenn er in sein Flugzeug einstieg.
Aber eines Tages kam auch für uns Schulkinder viel Freude auf. Der Herr Lehrer versprach uns eine Busfahrt zur Kynsburg, dann weiter über Schweidnitz, Zobten nach Breslau in den Zoo. Wir hatten bisher noch nicht mal einen Bus gesehen. Vor lauter Freude konnte man die letzten Nächte vor der Fahrt kaum richtig schlafen. Endlich war es dann so weit. Mutter machte selbstgemachte Bauernbrotschnitten mit selbstgemachter Butter, als Belag noch Braunschweiger Wurst, dazu noch eine Banane und einige Bonbons aus dem Tante Emma Laden. Bei schönem Sommerwetter warten wir alle an der Schule (unsere schöne Schule auf dem nebenstehenden Bilde), total gespannt auf den Bus. Endlich kommt ein großer, weißblauer Bus um die Kurve geschaukelt. Die Türen öffnen sich und wir dürfen einsteigen. Herrlich mollig diese dicken,                                                                                 weichen Polster und die
 
großen Fenster! 
Es geht los, langsam fährt der Bus die kurvenreiche Dorfstraße bis zur Thielbrücke, ab hier beginnt an der Weistritz entlang die Hauptstraße. Nun kann der Bus auch schneller fahren, dabei genießen wir die vorbeiziehende, schöne Landschaft; man kann sich gar nicht genug sattsehen! Da stimmt Herr Lehrer Schütze mit uns fröhliche Lieder an - was für ein schöner Tag; es ist nicht zu beschreiben!
In Kynau angekommen, kraxeln wir durch den Laubwald in Serpentinen steil nach oben. Überraschte Eichhörnchen springen umher; die Vogelwelt bietet die schönsten Lieder. Nun sind wir an der Kynsburg, einer alten Ritterburg, die wir nun besichtigen. Viele häßliche Foltergeräte, Schwerter, Ritterausrüstungen und ein sehr tiefer Schacht wird uns gezeigt. In diesen Schacht hat man damals Schwerverbrecher einfach so hinuntergeworfen. Wir waren ganz froh, als der Lehrer rief: Kinder kommt, es geht wieder nach unten!
Jetzt beginnt eine weite Fahrt, an der Talsperre vorbei, etwas später dann der tiefliegende Ort Oberweistritz.
Hier geht es steil hinunter; es ist der Hemmstein. Seitlich kann man den Wasserfall von der Weistritz sehen und die sehr lange Eisenbahnbrücke. Ab hier kommt nur noch Flachland bis Schweidnitz, Breslau. Nur ganz allein der Zobten kann uns von oben her noch nachsehen. Unterwegs wird schon etwas genascht, der Hunger muß gestillt werden und das schmeckt jetzt. Nun fahren wir schon durch die große, unruhige Stadt Breslau und kommen zum Zoo. Bei unserem Rundgang gibt es so viele Tiere zu bewundern, am meisten Spaß haben wir bei den Affen. Es ist wirklich heute ein erlebnisreicher, schöner unvergeßlicher Tag. Viel zu schnell vergehen die Stunden und die Rückfahrt wird angesagt, aber zuvor müssen noch die Toiletten aufgesucht werden. Mein Gott, die sind ja ganz anders als bei uns im Dorf! Der Topf aus Porzellan mit schönem Deckel, an der Wand hängt ein Wasserkasten, wenn man an der herunterhängenden Kette zieht, spült das Wasser alles weg - auch ein Spiegel und Waschbecken ist da. Bei der Heimfahrt fliegt wieder die schöne Landschaft vorbei und fröhliche Lieder werden angestimmt. Unterwegs sehen wir noch schwere Lastwagen mit Anhänger. Sie fahren noch Vollgummireifen und machen einen höllischen Krach. Ein Pferdefuhrwerk wird vom Lastzug überholt, die Tiere bekommen Angst vor diesem Ungetüm, sie bäumen sich auf, springen zur anderen Seite. Der Kutscher hat große Mühe, die Pferde zu beruhigen. Viel zu schnell ist der Tag vergangen und wir sind wieder in unserem Dorf Jauernig angekommen und steigen an der Schule aus, sehen dem Bus noch nach, bis er an der nächsten Kurve verschwindet. Zuhause angekommen wird begeistert erzählt von diesem herrlichen Tag. Einige Tage später schreiben wir in der Schule den Aufsatz: „Unsere Busfahrt nach Breslau".


schulklasse26  

1926, Klasse 1-3 mit dem Lehrer, Herrn Neumann, ich bin gerade eingeschult worden, 3 meiner Schwestern sind auch auf dem Bild

 

 

1932, an der Singebuche (Naturdenkmal in Jauernig), Lehrer Schütze mit seiner Klasse



Von der Nazizeit möchte ich nichts schreiben, denn in letzter Zeit kamen im Fernsehen so viele Berichte und Filme darüber. Auch die Zeitungen sind täglich mit diesen wahnsinnigen Berichten von der Judenverfolgung und den Kriegsereignissen gefüllt! Alles, was mit Greueltaten und Gewalt zu tun hat, auch viele grauenhafte Krimis, sehe ich mir nicht an. Was ich in all den Jahren durchleben mußte, kommt mir heute noch vor Augen, wenn mich nachts Albträume quälen!

Den Verlauf meiner Soldatenzeit möchte ich aber trotzdem erzählen.

 

Meine Soldatenzeit
 

Am 1.10.1940 wurde ich in die Grenadierkaserne in Schweidnitz einberufen. Nach etwa 14-tägiger Ausbildung kam ich nach Gora Kalwaria, bei Warschau, zur Weiterausbildung mit gleichzeitigem Einsatz als Besatzungssoldat. Es war fast ein reines Judendorf. Eine steinharte Ausbildung mit so manchen häßlichen Schikanen mußten wir in Kauf nehmen, denn beschweren gab es nicht, sonst hätten wir noch mehr Härte zu spüren bekommen! ---

Wir 12 Rekruten hatten an jedem Tag vier Ausbildern zu gehorchen! Besonders groß war die Hetze auf die gekennzeichneten Juden! Da haben wir uns als junge Soldaten, nur im Stillen, gedacht, ----„wehe“ wenn wir diesen Krieg verlieren. Vor allem, wenn wir das wahrmachen, was man uns in den Unterrichtsstunden gelehrt hatte.

Nach der Rekrutenbesichtigung in Gora Kalwaria bekamen wir 14 Tage Heimaturlaub. Anschließend kam die Verlegung zur Kampftruppe nach Radom in ein erbärmliches Barakenlager. Danach Zusammenstellung der Truppenteile und einige Nachtmärsche durch die Wälder Polens bis an den Bug.

Am 22.Juni weckt uns eine Sondermeldung, morgens um 3 Uhr. Um 4 Uhr, alles antreten, der Hauptmann verließt mit Tränen in den Augen die Proklamation des Führers, Adolf Hitler, sofortiger Großangriff auf die Sowjetunion hat zu beginnen. Schon geht es über die lange, schaukelnde Pontonbrücke über den Bug. Schon brausen die Stukaverbände über uns hinweg und lassen ihre Bomben fallen. Die Panzerketten rasseln durch die Gegend. Rund um uns herum ist der Teufel los. Geschütze aller Kaliber eröffnen das höllische Feuer. Man meint, die Welt geht unter. Der weitere Verlauf der Kämpfe unserer 252. Schlesischen Eichenlaubdivision ist dem gesonderten Blatt „Der Weg der 252. Inf.-Division“, aufgeführt.  Dort stehen auf viele Orte im Mittelabschnitt, wo wir eingesetzt waren, bis kurz (14 km) vor Moskau, hin und zurück.

1943 fällt mein Bruder Erich bei Woronesch.

 

 
hitlerjunge   soldatinpolen
Hitlerjunge Ernst   Soldat in Polen


                 soldat

 

Soldat in Schweidnitz

 

 

Lieber Wolfgang, über den Kriegsverlauf möchte ich keine Angaben machen, das führt zu weit. Am Narev Brückenkopf war mein letzter Einsatz! Mit dem letzten Lazarettzug, der bei Thorn noch über die Weichselbrücke fahren konnte, kam ich nach Berlin-Buch ins Lazarett, wegen einer Fersengeschichte. Die Stadt wurde ständig mit Bomben belegt, jede Nacht ging es in den Luftschutzkeller, das war schon Wahnsinn!

Durch rauchende Trümmer fahren tatsächlich noch Züge. Ich sitze in einem der mich, im Februar 1945, zum Heimaturlaub bringt. Meine Fahrt über Görlitz, Hirschberg, Waldenburg zeigte mir, aus heutiger Sicht, unwirkliche Bilder: Überall auf den Bahnhöfen sieht man Menschen mit viel Gepäck. Was ich damals noch nicht wußte, es waren schon Flüchtlinge aus der Breslauer Gegend.

Als ich zu Hause ankomme, ist in meinem Elternhaus eine entsetzliche Stille, kein Lachen mehr, ein Platz am Tisch blieb leer! Vater war am 10. Januar 1945 gestorben und schon beerdigt. Ich hatte es nicht erfahren, denn es ging keine Post mehr. Mein erster Weg zu Vater, auf den Friedhof, der heute total von den Polen verwüstet wurde!

Über die Felder fährt eine Kleinbahn (Feldbahn), aus Richtung Hausdorf, als Zubringer für das Material, was man für den Bunkerbau am Wolfsberg benötigt (das sogenannte Objekt „Riese“). Der Russe wirft schon über unserem Dorf Flugblätter ab, daß er bald kommt, wir sollen den Ort verlassen. Ich packe den größten Wagen voll, was man unbedingt braucht, vergrabe Vaters Jagdgewehre und die Munition. Am letzten Morgen laute Schreie auf der Dorfstraße, ich gehe ans Fenster in der Gaststube und sehe eine große Herde Rindvieh und dahinter viele halbverhungerte, zerlumpte Gestalten Richtung Hausdorf ziehen, die von den Begleitern auf beiden Seiten der Straße mit Stöcken und Knüppeln geschlagen werden, weil sie vor Elend kaum noch laufen können!

Ich muß am nächsten Morgen zur 19. Panzerdivision in die Tschechei. Hier machen sich die letzten Kämpfe, zum Nachteil bemerkbar. Der Glaube an einen Endsieg ist bei niemandem mehr vorhanden.

In der letzten Feuerstellung bei Deutsch-Brod ist auf einmal alles verschwunden, nur mit 2 Mann stehen wir da, kein Befehl mehr, nie etwas erfahren durch unsere Führung. Einfach alles abgehauen, das war der Kriegsschluß am 9. Mai 1945.



 

Kriegsgefangenschaft
 

Wir beide waren uns über den letzten Weg als Soldat nicht einig, er wollte durch den Wald und ich wollte eine kahle Anhöhe hinauf, denn der Wald war voller Partisanen!

Als ich allein auf der Bergkuppe angekommen bin, sehe ich Entsetzliches im Tal. Viele hundert deutsche Soldaten werden von russischen Posten bewacht. Ich habe kaum noch gehofft, daß ich alleine da unten ankomme, denn die Iwans hatten alle ihr Maschinenpistolen und Gewehre auf die jetzt Kriegsgefangenen gerichtet. Man ließ mich kommen, nahm alles, was ich noch hatte, ab. Ich mußte mich auf das Kochgeschirr, was man mir noch gelassen hatte, setzen. Es wurden auch die persönlichen Dinge weggenommen. Was keinen Wert für die Bewacher hatte, wurde verbrannt.

Der schwere Weg nach Brünn:

In 10er Reihen trieben uns die noch ängstlichen russischen Posten, mit den Karabinern, die sie immer schußbereit hielten, wie Schlachtvieh, in der heißen Maisonne durch die Straßen. Die Tschechen bewachten jeden Wasserbrunnen, trinken durften wir nichts! Eine allererste Nacht bekamen wir im Zuchthaus in Brünn. Wir liegen wie die Heringe in der Dose, auf Lehmfußboden, Durst und Hunger quält uns. Endlich öffnet man den Essenschalter, alles stürmt auf die offene Futterluke zu, für deutsche Kriegsverbrecher gibt es nichts! Klappe zu! Am kommenden Morgen geht der Weg zum Bahntransport. In kleine Güterwagen 30 Mann, in die großen 60 Mann. Ein Loch im Fußboden war das WC. Das kleine Guckloch, oben ist mit Stacheldraht bespannt. Jeden Tag und jede Nacht kommen die Posten zum Nachzählen. Tote werden herausgenommen. Elf Tage und Nächte, jeden Tag nur 100 g Trockenbrot und nichts zu trinken. Es waren heiße Tage, kam mal ein Gewitterregen, haben wir den Kochgeschirrdeckel durch den Stacheldraht gezwängt, um etwas Nasses zu bekommen. Es schmeckte aber scheußlich. Viele, auch ich, sind so geschwächt, daß uns beim Aufrichten schwarz vor Augen wird.

Über Budapest, Bukarest ging diese endlose Fahrt bis Konstanza ans Schwarzen Meer, hier wartet die „Transilvania“ auf uns. Mit diesem Schiff ging es über das Schwarze Meer nach Noverosisk im Kaukasus. Heftige Briesen spritzen über das Deck. Viele haben diese Seefahrt nicht gut überstanden. Wer mal austreten mußte, war gezwungen, nach unten, in den Bauch des Schiffes zu gehen. Man kam am Offizierskasino vorbei, die Russen saufen und grölen und es roch nach ----- Kaffee! Die Iwans feierten den Sieg, was sind wir doch für arme Hunde!

Neben uns, kleine Begleitboote, sie verschwinden manchmal, so stark ist der Seegang. Die Krim sehen wir in der Ferne. In Noverosisk müssen wir 4 Tage unter freiem Himmel, nach erneuter Filzung, verbringen. Als Verpflegung gibt es eine Suppe und 100 g hartes Weißbrot.

Dann wieder, mit einem Güterzug geht es an das Endziel Krasnodar.

Vor dem Lager, wie üblich: Filzung. Aus riesenhaften Lautsprechern dröhnt laut die Internationale, das dann jeden Tag!

Die russischen Offiziere schreien durcheinander, denn sie müssen etwa 600 Mann unterkriegen!

Unser Lager 148/16 hat offene Fenster, kein Glas, rauher Zementfußboden, total verwanzte Lattenroste in den Bettgestellen. Schon in den ersten Tagen blaue Flecken am ganzen Körper, dazu macht uns das Krabbeln der Wanzen bald verrückt. Auch die Läuse piesacken uns die ganze Nacht.

Aber jetzt kommt`s! Alles antreten, die Russen versuchen die Hundertschaften abzuzählen. Manche Offiziere schaffen das nicht!

Im Lager, alle Körperhaare ab, nackend ausziehen, die erste Entlausung. Mit unseren kahlgeschorenen Köpfen sehen wir aus, wie die Zuchthäusler und Verbrecher. Mein Gott, man ist gar kein Mensch mehr. Wir bekommen in den Rücken und die Arme Spritzen.

Erste Einkleidung: Eine Leinenunterhose, ein Leinenhemd, Gummigaloschen, Fußlappen, eine abgetragene Russenhose und eine schäbige Jacke, das sind unsere Sachen.

Heute großer Appell auf dem Hof. -----------

 

 

lebenszeichen1  

                                             

lebenszeichen2

  Das erste Lebenszeichen, es kam nach 7 Jahren im neuen Zuhause von Ernst Jauernick, in Coesfeld, an.


Ein klein wenig vom Lagerleben als Kriegsgefangener, Krasnodar im Kaukasus

Medizinisches Institut in Krasnodar im Kaukasus

Direkt gegenüber unserer Arbeitsstelle ist die Sezieranstalt. Wir beobachten öfters dort, wie Tote mit Panjefahrzeugen herangekarrt werden. Sind es einfache Leute, ohne Parteibuch, werden sie an den Füßen heruntergezogen und auf dem Rücken in die Anstalt geschleift. War der Tote ein Parteibonze, wird er behutsam hineingetragen.

Wer etwas Russisch konnte, hatte Vorteile. Unser „Vorabeiter“ Dickhard war so einer, er wollte sich bei den Russen einen guten Namen machen, darum hat er uns alle angetrieben.

Wir 12 Mann brachten dann 300% Arbeitsleistung, anstatt 100%, was die tägliche Norm war. Die Arbeitsgruppe Dickhard, mit den 12 Schwerstarbeitern, stand jeden Tag auf dem Lagerhof auf einer großen schwarzen Tafel. Von den russischen Offizieren immer wieder gelobt, im Beisein der anderen Hundertschaften, die das immer wieder zu hören bekamen. Daraufhin bekamen wir als „Dankeschön“ die allererste Rote Kreuzkarte zum nach Hause schreiben! Natürlich nur, mit von Russen vorgeschriebenen Text. Auch eine Bude für uns 12 Mann gab es, sogar mit Strohsäcken, da haben sich sogar die Wanzen und Läuse gefreut. Sie piesackten uns fleißig weiter! Sogar ein bunter Abend mit einer Zigeunerkapelle, wurde allein für uns, veranstaltet. Wir mußten uns aber dann dafür ins Antifaschistenbuch eintragen!

In den nächsten Tagen stürzte unser „armer“ Vorarbeiter und Menschenschinder ab, trudelte vom dritten Stock, durch viele Eisenträger bis nach unten und war sofort tot!

Wir bekamen einen neuen, der humaner war. Wir haben aber, von nun an, wie alle anderen, nur das Soll erfüllt: 100%.-

Dem Neuen hätte ich, nur einige Tage später, fast mit einer Brechstange von Kopf bis Fuß durchbohrt. Sie wurde im Erdgeschoß gebraucht und leider hatten wir bloß die eine. Aus lauter Blödsinn lasse ich diese schwere Eisenstange durch meine Hände gleiten, ohne Anmeldung. Ich gucke noch hinterher, wie schön sie fällt vom dritten Stock! Aber, da fährt mir der Schreck in die Knochen! Der neue Vorarbeiter kommt plötzlich, die Stange auch. Sie steht wie eine eins vor seiner Nase! Das ging noch mal gut!

Die Russen sind in allem 100 Jahre zurück. Sogar für die einfachsten Arbeiten gibt es nur veraltetes Handwerkszeug und es fehlt an allem, oft sind auch die einfachsten Hilfsmittel nicht zu besorgen.

In Hundertschaften stehen wir mittags Schlange mit zerbeulten, verrosteten Blechbüchsen und warten, daß wir aus den großen Holzkübeln, die im Hof stehen, einen Schlag Spülwasser bekommen. Abends gibt es 600 g nasses, klitschiges Maisbrot, 1 Teelöffel Zucker und einige kleine Fischchen. Manchmal findet man sogar eine Kaulquappe dazwischen oder etwas Sand. Zu rauchen gibt es täglich Tabak für 4-5 Zigaretten. Diese muß man selber drehen, aber das einzige Papier, was man dazu brauchen kann, ist die Prawda und die kann man nicht immer bekommen.

Die Toiletten sind weit hinten, im großen Hof im freien. Von zwei Seiten kann man die Stangen zum Sitzen benutzen, wie die Hühner, wenn sie schlafen gehen. Ab und zu fällt mal ein Gefangener in die Grube, aber nur eben die ganz ganz Schwachen, die dieses Elend nicht verkraften können.

Je nachdem, wo man arbeitet, kann man doch so manches „Nützliche“ an Kleinigkeiten, trotz Filzung vor dem Lagertor, noch tatsächlich durchbekommen. So ergeben sich im Laufe der Monate Tauschgelegenheiten.

Eines Tages kommt, in deutscher Offizier, in tadelloser Uniform, ein feiner Pinkel, auf unsere Baustelle in Krasnodar. Er fragt mich, wie es mir geht? Ich frage zurück, ob ich die Wahrheit sagen dürfte? Seine Antwort, ja ich bitte darum! Darauf ich: „Mir ginge es bedeutend besser, wenn ich zu Hause mit den kleinen Schweinchen aus der Futterkrippe essen könnte, denn die bekommen jeden Tag Kartoffeln mit Milch!“ Da bekomme ich zu hören, daß mich diese Antwort 15 Jahre Sibirien kostet,……mir geht die Muffe! Er guckt mich noch mal von oben bis unten an und dachte wohl, wie ich halbverhungert, mit alten, zerlumpten Russenklamotten vor ihm stehe, er ist ja doch ein armes Schwein! Dann sagt er noch: „Vielleicht vergesse ich es auch!“  Er hatte wahrscheinlich, dort, wo manche Menschen einen Stein in der Brust haben, doch noch ein Herz! Trotzdem habe ich viele Nächte noch Angst gehabt!

Jeden Tag müssen wir auf dem großen Hof zum Zählapell antreten, das dauert oft sehr lange. Ich hielt es einmal nicht mehr aus und mußte aufs „WC“, d. h. auf die Stange. Als ich zurückkomme, muß ich vortreten und bekomme 3 Tage Karzer, weil ich mich nicht abgemeldet hatte.  Als man mich über den Hof in den „Strafraum“ führt, ist schon einer drin! Ein leerer, kahler Raum, nur eine Holzstellage, die zum Liegen gedacht ist, bildet die einzige Ausstattung. Dafür ist, zu unserem Glück, ein großes Loch in der Decke! Ab und zu heben wir uns mal nach oben und beobachten den großen Hof. Als die dicke Luft vorbei ist, rücken wir die Holzstellage unter das Loch, ziehen uns gegenseitig hoch und kneifen aus! Wieder auf meiner verwanzten Pritsche, habe ich nächtelang keine Ruhe, denn die Strafen, die es gibt, sind unberechenbar und grausam! Das spricht sich immer wieder herum, denn in unserem Lager ist ein „scharfes Eck“ – hier werden Tag und Nacht die deutschen Soldaten verhört, Aussagen, manchmal mit häßlichen Mitteln, die an die Methoden der Inquisition im Mittelalter erinnern, erzwungen.

Bei Gesundheitsapellen von Hundertschaften von Nackedeis auf dem Hof werden für die Begutachtung bewußt junge Ärztinnen eingesetzt. Im Ergebnis werden Arbeitsgruppen I und II eingeteilt, die Kranken schickt man bald nach Hause, sie bringen keine Leistung mehr. Wenn aber tatsächlich noch ein Gefangener beim Anblick der schönen Ärztinnen Gefühle sehen läßt, bekommt er 3 Tage Bau. Auch wenn beim Abtasten des Hintern einer einen fahren läßt, muß er mit 3 Tagen rechnen. Doch es gibt solche Spaßvögel bei so vielen Gefangenen, Gott sei Dank, auch noch.

Abgemagerte kamen in kurzer Zeit auf eine Kolchose, um in der Erntezeit zu helfen.Tomaten, Zwiebeln, Gurken und Wurzeln wurden von Lastwagen abgeholt. Wir konnten dabei soviel essen, wie wir wollten, aber das machte sich mit Durchfall schwer bemerkbar.

 

Noch eine kleine Geschichte von Krasnodar und dem Einsatz in der Kolchose

An jeder Lagerküche steht in großen Buchstaben, „wer nicht arbeitet,  soll auch nicht essen!“ Zu jeder beliebigen Zeit wird zum Zählappell aufgerufen, Bevor die Russen mit dem Durchzählen der Hundertschaften fertig sind, vergeht immer eine Ewigkeit. Ein Offizier ist dabei, der überhaupt nicht zählen kann. Er schießt dafür aber mit der Pistole einen Vogel vom höchsten Baum herunter. Wir haben ihn als Bewacher mit auf der Kolchose, außerhalb von Krasnodar, gehabt. Ein guter Kerl! Als wir, ab und zu mal von der Kolchose aus, in nächtlichen Ausflügen durch die Sonnenblumen- und Maisfelder auf Melonenklaugingen, landete eine Beschwerde bei ihm, daß die Gefangenen die Melonenfelder plündern. Er  antwortete darauf glatt, daß seine Jungs das nicht machen und die Kolchose solle doch gefälligst besser auf die eigenen Leute aufpassen. Bei diesen nächtlichen Ausflügen mußten wir einen Grenzweg passieren, der von zwei russischen Posten bewacht wurde. In einem Moment, wo die Posten außer Sicht waren, haben wir die herrlichen Früchte eingesammelt und dann im Brackenlager gut verstaut. Die ganze Sache war doch recht abenteuerlich!

Vom Lager in Krasnodar zurückgeholt, konnten sich welche melden, die Ahnung haben vom Holzfällen, - und das hatte ich von zu Hause her. Deshalb meldete ich mich. Mit einem russischen Lkw, dessen Fahrer besoffen war, fuhren wir weit hinein in den Kaukasus. Hier im Wald, als Behausung ein Zeltlager, wir lernen neue Mieter kennen, das sind Flöhe, die uns ständig ärgern. In den riesenhaften Wäldern heulen, Nacht für Nacht, die Wölfe. Manchmal hört man, wie jemand ständig auf leere Benzinfässer trommelt, es soll die Wölfe abhalten, in die Dörfer zu kommen, weil ab und zu Federvieh oder Lämmchen gefressen werden. Nachts kommen Lkw bis zum Holzeinschlag und es wird geklaut, wie die Raben, die Meterware, die wir zur Begutachtung gestapelt haben! Wir müssen daraufhin Gräben auswerfen, als Hindernis für die Zufahrt. Die langen Baumstämme werden entästet, geschält und vermessen. Eines Tages, es war heiß, aber es wehte ein kühler Wind. Der russische Natschalnik (Chef) befiehlt, das Reisig zu verbrennen, wir sind dagegen, es ist heut zu gefährlich! Aber, wir müssen gehorchen, es dauert nicht lange und durch überspringende Funken hatten wir den schönsten Waldbrand, den wir dann alle gemeinsam bekämpft haben. Es ist aber viel Nutzholz dabei verbrannt!

Nach einigen Monaten holte uns das Lager Krasnodar wieder ab.

Das übliche Lagerleben dauerte hier nicht mehr lange, da kamen wieder die jungen Ärztinnen, die uns, natürlich nackend, begutachteten und Spritzen in Oberarme und Rücken, überhaupt nicht zärtlich, setzten.

Anschließend kam die Verlegung in den Kohlenpott Schachti am Donez!

 

Noch ein paar Erinnerungen an Krasnodar

Wenn wir in Krasnodar auf der Baustelle (Krasnaja) arbeiten, können wir unweit von hier, die harte Ausbildung der russischen Soldaten beobachten. Oft hören wir sie kräftig singen beim exakten marschieren, manchmal auch mit Marschmusik!....

Unsere Posten hatten ihre Waffen immer schußbereit, mit dem aufgesetzten Bajonett, ständig im Anschlag! Man meint, diese Burschen haben noch etwas Angst, dabei sind wir doch nur wehrlose Kriegsgefangene. Mit der Zeit legt es sich ein wenig. Um sich zu beruhigen, oder den Hunger zu stillen, sind sie ständig dabei Semitschki (Sonnenblumenkerne) in den Mund zu werfen und die Samen kunstgerecht aus den Hülsen zu knacken. Die Schalen werden, ganz gleich wo, in hohem Bogen durch die Gegend gespuckt! Gute Manieren kenne sie ebensowenig, wie die Amis, die Kaugummilutscher, kleben die Reste überall herum. Sogar bei der Unterhaltung wackelt die Futterluke ständig ………..scheußlich!

Die russischen Holzhäuser in den Dörfern sind mit Stroh oder Schilf gedeckt. Einen großen Raum nur im ganzen Haus müssen sich die Bewohner mit dem Vieh teilen! Auf einem Lehmbackofen ist der Schlafplatz, wo man mit denselben Sachen, die man am Tage trägt, auch schläft. Wanzen, Läuse und die Küchenschaben fühlen sich deshalb dort sehr wohl!

In der Mitte des Raumes ist ein Holzdeckel im Fußboden, darunter ist eine Art Keller.

In einer besonderen Ecke ist, fast in jedem Haus, ein Herrgottswinkel zum beten. Um die Häuser fast nur Wildwuchs, keine Blumenbeete, eventuell etwas Gemüse!

Die Wege sind der Natur überlassen, sandig oder matschig.

Das war ein kleines bißchen aus meiner Erinnerung.

 

Schachti am Donez – meine Erinnerung an 2½ Jahre unter Tage

 

Was wir hier am Donez, in den beiden letzten Jahren unserer Gefangenschaft, noch erlebt haben, läßt sich so gar nicht alles schildern. Man müßte Bücherdarüber schreiben, so viele Erlebnisse! Es waren sogar auch  welche zum Lachen dabei, wenn auch wenige!

Unsagbar schwere, unmenschliche Arbeiten unter Tage, vor Kohle.

 

In Güterwagen gepfercht, kommen wir in „Schachti“ am Donez an und werden wie eine Viehherde, immer noch streng bewacht, in ein großes Barackenlager eingewiesen. Hier werden wir in 3 Schichten für den Kohleabbau und die Umbauschicht eingeteilt. Ich bekomme ab sofort Nachtschicht. Statt 600 g Brot für Übertagearbeiten bekommen wir 1200 g Brot täglich. Wagenschieber auf der Strecke bekommen nur 900 g. An sonstigen Suppen und Zutaten ändert sich nichts. Es bleibt einfach ein Saufraß! Unser Schacht heißt „Proletarsk“. Ob Sommer oder Winter, auch bei Eis und Schnee, geht es zu Fuß in Gummigaloschen zur Arbeit. Die tägliche Schicht, ohne Essen und Trinken, mit Hin- und Rückmarsch dauert 14-15 Stunden.

Wenn wir ausgemergelt und kaputt etwas zu langsam latschten, schossen die Posten vor Wut in die Luft und fluchten das Blaue vom Himmel herunter. Als wir das alles kannten, versuchten wir manchmal bewußt, sie zu ärgern.

Die erste Einfahrt mit dem Fahrstuhl vergesse ich nie! Als er so plötzlich diese 180 m absackte, wurde einem schon ganz hübsch häßlich zu Mute, zumal der Fahrstuhl unten ganz schön ins Wasser patschte. Nun war alles dunkel, nur einige trübe Lampen an der Streckenwand gaben etwas Licht. Unsere Lampen, die wir für die Arbeit bekommen hatten, bringen auch nur einen fahlen Schein. Die Strecke, die wir jeden Tag bis zum Stollen laufen müssen, ist naß. Sie ist mit dicken Holzbalken verschalt. Die Gleise, auf denen Kohle- und Steinwaggons geschoben werden, sind schlecht verlegt und gefährlich, denn die Waggons müssen von den Wagenschiebern, beladen oder unbeladen, von Hand geschoben werden. Es passierte öfters, daß diese alten Klapperkisten in den Kurven aus den Schienen springen. Es ist alles, aber auch alles, primitiv und veraltet, auch alle Werkzeuge, die wir benötigen. Am Stollen angelangt, geht es seitlich in ein schwarzes Loch, hier kommt das Rutschenblech heraus, wo die abgebaute Kohle in die leeren Wagen geschüttet wird. Hier daneben müssen wir hinein. Der Stollen ist nur so hoch, daß man im Knien mit dem Rücken an die Decke kommt. Ich bin bei der Umbauschicht und muß dort, wo die Kohle abgebaut wurde, mit Steinen unterbauen, sonst würde der Stollen eines Tages zusammenbrechen. Die Steine dazu werden aus der Decke herausgesprengt. Dafür ist ein Sprengmeister zuständig. In der Mitte eines jeden Stollen läuft eine Schüttelrutsche mit 8-10, je 3 m langen Blechen. Sie wird von Zeit zu Zeit, je nach Abbau, verlegt. Es ist und bleibt ein gefährliches Arbeiten, unter Tage. So lösen sich manchmal „Kumpels“ aus der Steindecke, das sind jahrtausendalte Baumstümpfe, die kegelartig aussehen und unbemerkt herausrutschen. Befindet man sich gerade darunter, sieht es schlecht aus. Mir ist beim Stollen abstempeln mal ein Sargdeckel auf den Rücken gefallen. Es ging aber noch gut aus, weil der Rücken bei der Arbeit direkt an die Decke stößt. Meine Kumpels waren schnell da und nahmen den schweren Brocken herunter.

Morgen soll ich die Hauptstrecke bohren. Eine veraltete Bohrmaschine gab aber schnell auf, denn für 20 Bohrlöcher, je 1 ½ m tief, braucht man schon sehr viel Preßluft. Es kam aber zu wenig, die Maschine lief nicht mehr. Bevor der russische Vorarbeiter Rat schaffen konnte, setzte ich mich so lange auf die durch Stempelholz abgesicherte Strecke. Ich sitze noch keine Minute, da kracht es plötzlich und ein wahnsinnig dicker Stein flog dort herunter, wo ich bohren sollte. Er traf aber die Bohrstange. Sie war damit krumm. Ich braucht eine neue, doch da mußte ich lange warten.

 

Es ist Silvester 1948. unsere Nachtschicht ist beendet. Gott sei Dank! Im Waschraum läuft nur wenig Wasser. Man ist nachher mehr verschmiert, als gewaschen. Durch das Oberlicht sieht man den Wachturm. Der Posten da oben freut sich bestimmt auch auf die Ablösung. ---

Da kommt auch schon der neue Posten, Wasja ruft er nach oben, idi su da – bistra (komm mal her - schnell). Der Posten da oben beugt sich über die Brüstung, da knallt ein Schuß, Wasja bricht tot zusammen. Den Russen im Waschraum war das peinlich, weil wir das gesehen hatten. Wir mußten den Waschraum schnell verlassen.

Auch so etwas gibt es in Rußland.

 

Und wieder geht es zur Schicht. Als wir da unten mit unseren Funzeln die Strecke entlang gehen, muß ich unbedingt mal müssen, aber wo? Hier unten gibt es kein Klo. Ach ja, da habe ich einen Einfall, denn genau vor unserem Stollen steht eine ganze Schlange leerer Waggons. Ich steige in den ersten ein und bin froh, daß es so gut klappt. Aber meine Freude war zu früh, denn jetzt kommt die russische Schicht aus dem Stollen. Der erste, der dort herauskommt, sieht mich, freut sich wie ein König, kommt auf meinen Waggon zu, nimmt am Vorderrad den Keil weg und der Wagen saust mit mir los. Doswidania, ruft er mir noch zu.

Es wurde so eine verrückte Fahrt, daß mir angst und bange wurde. In so vielen Kurven und bei dem Tempo, konnte der Kohlewagen schnell entgleisen! Er donnerte die ganze Strecke entlang. Ich konnte mich an der Strebe, in der Mitte des Waggons etwas festhalten. Vor dem Fahrstuhl gab es einen Knall, der Wagen sprang vorn hoch und ich saß mit dem nackten Hintern auf der Rückwand. Das Schlimme waren die Kohlesplitter, die noch an der Rückwand klebten. Das tat wirklich weh! Das war das Ende der Fahrt des „gefüllten Waggons“. Ja, und mir blieb nur übrig, die ganze Strecke zurückzulaufen und meine Schicht zu beginnen. Von meinen Kumpeln wurde ich noch tüchtig ausgelacht.

Dabei hatte ich noch viel Glück, nicht auszudenken, wenn der Wagen in einer der engen  Kurven entgleist wäre, zerquetscht hätte ich zwischen den nassen Stempeln gelegen! ---

 

Die Gasvergiftung

Wir arbeiten, wie üblich im Stollen, als auf der Strecke die Bohrungen, die mit Sprengsätzen gefüllt worden sind, gezündet werden. Auf diese Art wird die Strecke für alle Transportmöglichkeiten, Meter für Meter, weitergetrieben und mit dicken Holzstempeln abgesichert. Wir hören bei der Arbeit das Krachen der Explosion. Da ist auf einmal die Frischluftzuführung von oben unterbrochen, auch die Absaugung der Gase fällt aus. Eine dicke Wolke zieht in unseren Stollen herein. Wir arbeiten dabei weiter, aber unsere Kräfte lassen nach. Wir werden alle so müde und schwach, daß jede Bewegung zur Qual wird. Da kommen Russen herein, helfen uns noch aus dem Stollen hinaus bis auf die Strecke und bringen uns mühsam bis zum Fahrstuhl. Als wir oben ankommen, steht schon ein Krankenwagen bereit und fährt uns sofort ins Krankenhaus! Um möglichst viel frische Luft zu atmen, werden wir ins Freie gelegt. Nach einigen schönen Maitagen, versorgt mit frischer Kuhmilch, geht es langsam wieder besser und wir können wieder einfahren.

 

Ganz großes Glück und ein guter Schutzengel!

Wie schon so oft im Krieg, bin ich auch hier oft im letzten Moment dem Totengräber, wie man so sagt, von der Schippe gehopst. Seitdem glaube ich an Schutzengel, hier, beim Schreiben steht mir einer gegenüber, den mir meine Tochter zu meinem 85. Geburtstag geschenkt hat. ---

Eines Tages bekommen wir von den Russen den Auftrag, die gesamte Kohlerutsche und die Maschine, die die Rutsche antreibt, abzubauen und vom Stollen aus auf der Strecke zu lagern. Wir merken wohl das Knistern, die Stempel, die die Decke abstützen, fangen an, sich zu spalten! Die Rutschbleche haben wir herausgeschafft und machen eine kleine Pause, dort, wo wir sicher sind. Man kann ja nie wissen! Im selben Moment ein Krachen, ein mächtiges Rumpeln im Stollen. Das Schlupfloch, wo wir eben noch die Rutschenbleche herausgezogen hatten, fällt zusammen. Da kann keine Maus mehr durch. Der schwarze Staub fliegt in einer dicken Wolke die lange Strecke entlang. Nun muß auch die Maschine dort bleiben, wo sie war!

 

Im Winter 1948 bringt uns ein Transport nach Iswarino. Wieder im Kohlenpott arbeiten! Auch hier Barackenlager und jede Menge Untermieter, die uns das Leben zur Hölle machen. Es sind Wanzen, Flöhe, Läuse und auch Küchenschaben.

Nun, wir müssen damit leben.

Zum Schacht Popowka fährt uns täglich eine kleine Lok mit zwei Güterwagen. Bis zur Haltestelle müssen wir extra 1 km laufen. Die Posten sind schon gemütlicher geworden. Die übertriebene Strenge hat nachgelassen. Im neuen Lager selbst ist noch alles so ähnlich, wie in Schacht am Donez. Die Verpflegung ist ein kleines bißchen besser, man findet in der Suppe schon mal ein paar Kartoffelschalen, statt Brennesseln, Melde und junge Rübenpflänzchen von der Kolchose! Sogar Kapustablätter (Krautblätter) oder ein paar Tomatenstückchen sind manchmal zu finden.

Als wir eines Tages durch die Kälte und den Neuschnee latschen, müssen wir lange warten. Wir haben schon eiskalte Füße, da kommt die Bahn angedampft. Schnell machen wir die Schiebetore auf und wollen einsteigen, aber heute ist die Bahn schon vollgeladen, mit Russen. Wir dürfen nicht mit einsteigen. Ein Russe tritt mir mit dem Fuß auf die Hand, als ich mich an der Außenkante festhielt. Als er nochmals mit seinem Filzstiefel auf meine Hand treten will, ziehe ich ihm schnell den Stiefel aus und werfe ihn weit weg, in den Schnee. Der Zug aber fuhr ab, der Stiefel lag im Schnee, er konnte ihn nicht wieder holen. Ein Lkw mußte uns dann zum Schacht fahren, aber der Fahrer war besoffen. So hat uns ein deutscher Landsmann noch zum Pütt gebracht.

 

Im Schacht Popowka liegt das bißchen Kohle nur in etwa 18 m Tiefe. Der Flöz ist aber nur einen Fuß hoch und überall, in diesem schwarzen Loch läuft Wasser, von der Decke und von den Seiten! Der Stollen ist nur so hoch, daß man sich nur, entweder auf dem Rücken oder auf dem Bauch, hineinschieben kann. Die Werkzeuge, eine Schippe und eine Hacke müssen wir vorher hineinwerfen. Es dauert nicht lange und wir sind komplett naß und schwarz. Das kleine bißchen Kohle müssen wir im Liegen über den Bauch hinweg, in einen Holzschlitten schippen, der ab und zu mal auf die Strecke gezogen wird. Die Lampe müssen wir seitlich in ein  Loch, das herausgehackt werden muß, stellen, sonst ist sie für diesen Stollen zu hoch!

Es ist dunkel, naß und eng, daß einem Angst wird. Nach jeder Schicht erscheinen wir pudelnaß und schmierig wieder über Tage. Dort habe ich mir geschworen, nie in meinem Leben wieder unter Tage zu arbeiten. Lieber fahre ich bei einem Bauern Jauche und Mist auf die Felder!

Gott sei Dank, sind wir hier, im Schacht Popowka, nur wenige Wochen, aber das reicht uns schon!

Diese primitiven Schachtanlagen sind überall gleich. Maschinen sind oft defekt, weil veraltet. Bei nötigen Reparaturen gibt es kaum Ersatzteile. Die Werkzeuge sind schlecht und vergammelt. Nur mit Mühe schaffen wir die geforderte Arbeitsleistung von 100 %.

Im Lager am Donez bleibt es noch bei den üblichen Zählappellen. Jeden Tag dröhnt aus riesigen Lautsprechern, unaufhörlich, die Sowjethymne!

Die ärztlichen Untersuchungen, wie üblich, viele Spritzen in Arme, Bauch oder Rücken. Wir wissen nicht, wofür!

Aber, insgesamt wird das Lagerleben etwas erträglicher.

 

Inzwischen funktionierte der Postverkehr von und zur Heimat leidlich. Das ist doch eine große Verbesserung. Wir mußten ja, bis jetzt, ohne jegliche Nachrichten aus der Heimat leben!

Hier haben wir das erste Mal etwas ausgezahlt bekommen. Was über das Lagergeld hinaus ging, bekamen wir dann später, vor der Entlassung. Man konnte sich dafür etwas Butter, Brot und Zucker dazukaufen. Eine Art von Tante Emma Laden hier am Lager durften wir schon besuchen.

Eines Tages fragte ich den russischen Posten, ob ich mal in die Stalowa (Tante Emma Laden) gehen dürfe. Da bekam ich eine Ohrfeige, da er sich gerade mit einem Offizier unterhielt. Sicher trug ich einen Teil der Schuld, da ich die Situation nicht beachtet hatte. Ich sah die Strafe, bei den dort herrschenden Verhältnissen, als einigermaßen gerechtfertigt an. Der Schlag war auch so, daß er nicht schmerzte.

Ansonsten habe ich in den 4½ Jahren drastische, persönliche Ungerechtigkeiten nicht erfahren.

 

Das Zusammenleben zwischen Gefangenen und Bewachern entspannte sich langsam. Unter den Gefangenen werden Künstler entdeckt, die der Russe sogar fördert. Es bildet sich eine Musikkapelle, der Russe besorgt Instrumente und Kostüme.

Es spricht sich herum, daß wir tatsächlich bald nach Hause kommen. Wir sind aber immer  wieder von den Russen, mir dem Versprechen, nemezki skora budjet damoi (Deutsche, ihr kommt bald nach Hause) vertröstet worden. Als alte Lanzer haben wir schon so manche Latrinenparole zu hören bekommen. Wir glauben nicht mehr so leicht etwas.

Doch von dem Nebenlager fährt ein Transport in den nächsten Tagen ab! Wir sollen die nächsten sein! Was ist das für eine herrliche, frohe Nachricht. Das wirkt sich auch noch da unten in den schwarzen Löchern, bei der Arbeit, aus. Die Woina Plennis (Kriegsgefangene) werden vor Freude bald übermütig.

In den nächsten Tagen werden wir eingekleidet, bekommen das letzte Geld ausgezahlt. Wir können es ausgeben, dafür einkaufen und „ganz frei“ im Ort herumlaufen!

Schon Wochen zuvor durften die Haare wieder wachsen. Damit wir bei der Ankunft in Deutschland besser aussehen, bekommen wir noch jeden Tag Bierhefe als Sonderzuteilung. Auch das Essen allgemein wird besser, die Suppe dicker und die Zuspeise „Kascha“ (ein dicker Brei) gibt es einen Löffel mehr.

Doch eine Verschiebung um ein paar Tage macht uns wieder mißtrauisch. Sollte es wieder einmal nur eine Latrinenparole gewesen sein?

 

Doch in den letzten Wochen erleben wir sogar noch einen bunten Abend, bei dem sich die Iwans in der ersten Reihe sogar vor Vergnügen auf die Schenkel schlagen. Es gab sogar Fußballspiele, Deutsche gegen Russen. Das Eis war damit gebrochen. Ganz besonders sogar, herzliche Abschiedsvorstellung.Lobeshymnen auf die gute Wiedergutmachungsarbeit gibt  es am laufenden Band. Die deutsche Musikkapelle spielt deutsche Schlager, die noch „Wojna Plennis“, in ihren schäbigen Klamotten müssen der Freude Luft machen, sie springen herum, wie die Kinder, tanzen miteinander, denn es geht wirklich in die geliebte Heimat zurück.

Damit waren 4 ½ Jahre einer fürchterlichen, menschenunwürdigen Zeit zu Ende!  

Als der Sonderzug mit seinen vielen Güterwagen bereit steht, dürfen wir ihn sogar schmücken.

Kein Mensch, der das nicht erlebt hat, kann mitfühlen, wie das ist, wenn man nach diesen Jahren, ohne besondere Bewachung in die Freiheit und Heimat entlassen wird! Die Tore an den Waggons bleiben offen stehen, man kann die Beine nach draußen baumeln lassen. Als die Lok anfängt zu schnaufen, zu dampfen und zu pfeifen, geht ein Schauer des Glücks durch den ganzen Körper.

Es sind schon einige, die sagen können, ich fahre nach Hause. Aber auch vielen ging es so, wie mir. Ich hatte kein Zuhause mehr! Die Siegermacht hatte sie den Polen geschenkt. Auch gibt es leider welche, die in diesen Jahren sogar die eigene Frau und die Kinder nicht wiedersehen, ein anderer hat sich der Familie angenommen!

So fährt jeder, mit seinen eigenen Gedanken beschäftigt, durch die weite russische Landschaft nach Hause oder zu einem Neubeginn zurück. Meine Mutter werde ich nicht wiedersehen, sie ist am 18. Dezember 1948 in Herzfeld bei Soest, wo sie menschenunwürdig untergekommen war, fern von ihrer schlesischen Heimat, gestorben. Sie mußte in Schlesien noch, mit meinen Schwestern, bevor sie vertrieben wurden, beim neuen polnischen Besitzer auf ihrem Eigentum als Magd arbeiten.

 

In Brest-Litowsk wird angehalten, wieder Entlausung, neue Wäsche und Verpflegung. Nächste Stationen sind Warschau und Frankfurt/Oder. Wer noch Geld hat, kann es hier ausgeben. Es gibt noch einmal Brot, bevor es weitergeht nach dem eigentlichen Entlassungslager Friedland. Als der Zug hier einfährt, steht schon das „Deutsche Rote Kreuz“ mit Kaffe und belegten Brötchen auf dem Bahnsteig. Es ist bald Abend, bis wir in das Barackenlager eingewiesen werden und ein Taschengeld in DM erhalten.

Als wir draußen noch eine Nase frische Luft holen, hören wir Blasmusik, mein Gott im Himmel, die spielen ja das Deutschlandlied! Wir sind von den Socken, denn das war in Rußland streng verboten! Aber hier im Ort ist heute Abend Tanz, mein Freund aus Borken hat Lust, mal zu schnuppern und Lust auf ein Gläschen Bier an der Theke. Ich auch, also gehen wir beide mal hin. Die Musik kann man draußen schon hören, da zuckt es wohl schon in den Knochen, aber tanzen in den Russenklamotten? Lächerlich, in der Wattejacke und Schuhen von der billigsten Art, harter Stoff mit Lederflecken an den Seiten und als Kappe.

An der Kasse am Eingang sieht man sofort, wo wir her kommen, für uns – Eintritt frei! Gerade mal drin, gibt mir einstockfremder Mann seine Frau in den Arm zum tanzen. Ich komme mir blödsinnig vor, denn diese Frau ist sehr nett, obwohl sie merkt, daß ich noch etwas tolpatschig bin. Mit Dank und einer artigen Verbeugung bringe ich sie zu ihrem Mann zurück. Etwas später erfahre ich, daß es der Bürgermeister mit seiner Gattin war. Es war noch ein schöner Abend, aber die Gedanken ließen mich nicht los. Ich hatte ja kein Zuhause mehr. Am nächsten Tag sollte ich in eine fremde Stadt im Münsterland in Westfalen. Da gingen ständig tausend Gedanken im Kopf herum!----

Am nächsten Morgen gab es nach dem reichhaltigen Frühstück auch noch eine Marschverpflegung für die Fahrt. Nach der genauen Untersuchung von Fachärzten erhielten wir die Entlassungspapiere und den Freifahrtschein nach Coesfeld. Von zwei meiner Schwestern, die hier bei netten Menschen angestellt waren, wurde ich am Bahnsteig abgeholt und in eine nette Familie eingeführt.

Ich bekam, solange ich noch keine Arbeit und kein eigenes Zimmer hatte eine gute Versorgung. Es war eine Familie, die in der Nähe des Bahnhofs ein Haushaltswarengeschäft mit Glas- und Porzellanwaren betrieb. Ich lebte in dieser Familie, die statt einer besonderen Geldspende für die Stadt, michsolange betreut und mit in die ganze Familie aufgenommen hat. So bekam ich hier schon so manchen Tip und Rat, was zum Leben notwendig war. Jahrelang keine Zeitung, kein Radio, man lebte wie auf dem Mond, das tut nicht gut.

Doch ich muß sagen, daß ich in Coesfeld in kurzer Zeit, viele nette Menschen kennengelernt habe. Ich habe nie erleben müssen, daß man mich merken ließ, ich sei nicht von hier. Vielleicht trug auch meine Musik mit dazu bei, denn Musik verbindet. An allen möglichen Festlichkeiten, mit Musik und Tanz, in unserer Umgebung habe ich mitgewirkt. So bekommt man sehr schnell gute Kontakte.

 

So, lieber Wolfgang, jetzt hast Du, trotz dieser Miniaturausgabe, eine ganze Menge zu lesen. Ich habe ja nur Volksschule auf dem Dorf gehabt, deshalb sind meine Berichte und Erinnerungen einfach und schlicht geschrieben.

Ernst Jauernick, Coesfeld, im Jahre 2005

 

Digitalisiert von Wolfgang Leistritz, Leipzig Juni 2005

 

 

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Hier folgt nun der später geschriebene Bericht über die Kriegserlebnisse 1941 - 45. Heerführer aller Kriegsbeteiligten haben darüber viel geschrieben. Hier hat mal ein einfacher Soldat seine erschütternden Erlebnisse festgehalten.



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AUS DEN ERINNERUNGEN ERNST JAUERNICKS, TEIL 2, KRIEGSERLEBNISSE

 

Vorbemerkungen

 

Lieber Wolfgang, wie versprochen, schicke ich Dir heute einige Begebenheiten aus dem Kriegsgeschehen 1941-45 der 252. Schlesischen Eichenlaubdivision, gegen Rußland.

Man kann ja von vier Jahren Krieg nur eine Auswahl zusammenstellen und die kann auch nicht jede Einzelheit enthalten. Aber, schon beim Schreiben sieht man das Geschehen so genau, als wäre es heute. Noch habe ich immer mal schwere Albträume, daß ich froh  bin, wenn ich wach werde, aber Angst habe, wieder einzuschlafen.

Deshalb verstehe ich die jungen Leute nicht, die heute Grausamkeiten und Brutalitäten verherrlichen, wie ich es in der letzten Zeit, im Fernsehen, bei den Nachrichten erfahren mußte.

Ansonsten sehe ich mir kaum Krimis an und Kriegsfilme und ganz besonders nicht diese heldenhaften Westernfilme, die ja wahre, schießwütige Alleskönner präsentieren

Ja, lieber Wolfgang, Du wirst beim Lesen merken, an der Schrift, daß mich diese ganzen Erinnerungen an die Geschehnisse ziemlich mitnehmen. Ich denke, daß Du auch beim Lesen der 18 Seiten manchen Fehler entschuldigst.

Eine Abschrift von dem gesamten Bericht geht wahrscheinlich zum ZDF. Sie hatten mich gebeten, den gesamten Bericht für sie aufzuschreiben, denn für das Buch „Barbarossa – der verdammte Krieg“, von Guido Knopp hat man von meiner Geschichte nur den Artikel (mit Bild) vom eiskalten Winter 1941, im Buch veröffentlich.

Dir und Deiner Familie alles Gute und Gesundheit, viele herzliche Grüße

Dein Landsmann Ernst

 

Coesfeld, den 2. März 2007



Mein Weg in der Schlesischen Eichenlaubdivision 252

 

Die sehr harte Rekrutenausbildung in Gora Kalwaria ist vorbei, wir werden verlegt in das Barackenlager in Radom, für die weitere Ausbildung, zum Fahrunterricht mit Pferden. Sie müssen jeden Tag in einem unheimlichen Matsche auf dem Übungsplatz einige Runden bewegt werden und auch das Einspannen im Sielengeschirr am Munitionswagen üben. Rund um das Lager ist nur Matsche, die Pferde müssen danach zum Teil abgewaschen werden. Ebenso verdreckt sind auch unsere Stiefeln. Wir, als junge Pimpfe, wie uns die älteren, schon erfahrenen Landser nennen, müssen auch nachts die Stallwachen übernehmen. Eine Unzahl Ratten glotzt von oben aus dem Gebälk. Ab und zu bekommen wir auch Besuch von den Biestern. Sie belästigen uns unter dem Woilach (Pferdedecke) mit dem wir uns zudecken können.

Nach einigen häßlichen Tagen wird die Munitionskolonne 7 zusammengestellt. Bespannt geht es in Nachtmärschen durch Dörfer, sehr oft auch durch Wälder, wo wir auch kampieren müssen und die Tiere versorgen. Nach einigen Tagen sind wir an der russischen Grenze, in der Nähe vom Bug.

Am 22. Juni, um 3 Uhr früh wird Alarm gemeldet. Um 4 Uhr verliest der Führer, Adolf Hitler, die Proklamation, daß ab sofort in Rußland einmarschiert wird. Die Deutsche Wehrmacht beginnt den Krieg mit der Sowjetunion.

Über eine behelfsmäßige Pontonbrücke schaukeln wir über den Bug.

Inzwischen donnert es aus allen Rohren, leichte und schwere Geschütze, Panzerketten rollen lautstark ins feindliche Land. Die Luft dröhnt von Stukas und schweren Bombern. Es ist ein Bersten und Krachen, daß man meint, die Welt geht unter!

Die deutschen Truppen überrumpeln die Russen unverhofft; man merkt, was da alles liegenbleibt. Unsere Division mit sämtlichen Einheiten ist auf dem Vormarsch im Mittelabschnitt Byalistok, Slonin, Baranowitsch, Minsk! Schon müssen die Pioniere ganze Arbeit leisten, durch Anlegen von Knüppeldämmen durch Sumpfgebiete. Alle Straßen sind miserabel, besonders durch die Dörfer.

 

     
Vormarsch bei Minsk, abgeschossener russischer Panzer, 1941    


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Kartoffeln schälen, 1941

 

 

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Meldereiter Ernst jauernick an der Ostfront, 1941

 

Erst einmal geht es zügig voran, denn einige neue Waffen werden eingesetzt, kleine, ferngesteuerte Panzer werden direkt an die Schützengräben oder auch in Bunkeranlagen gesteuert und zur Explosion gebracht. Do-Werfer mit mehreren Geschossen bringen den Russen viele Tote. Es sind Preßluftgranaten, die sofort die Lungenbläschen platzen lassen. Sie liegen da, als wenn sie nur schlafen. Der Russe wirft Flugblätter, „wenn diese Waffe im Einsatz bleibt, bleibt kein deutscher Soldat am Leben, wenn er in Gefangenschaft gerät“!

Panzerfäuste und Stukas zu Fuß werden weiterhin eingesetzt. Mit meinem Chef durfte ich diese Neuheiten mit besichtigen. Ich hatte z. Zt. das Reitpferd vom Oberleutnant in Pflege und habe ihn mit meinem tollen Schimmelchen, sie hieß Minka, begleiten dürfen.

Jetzt meldete sich öfter der Russe mit seiner heulenden Stalinorgel, eine gefürchtete Waffe. Sie streut in weitem Umfeld…..die Stahlsplitter von 24 Geschossen hintereinander. Auch die Rattas, diese leichten Sperrholzkisten, die meistens nachts umherfliegen, sind unberechenbar. Sie haben die Spitznamen „UvD“, „Nähmaschine“ und „Nebelkrähe“.

An der Desna machten sich die ersten Ausfälle von Soldaten und Pferden bemerkbar.

Bei einem Gewaltmarsch bei Bobruisk machten wir mit unserer bespannten Nachschubkolonne in einem großen Obstgarten Pause. Hier liegen eine größere Menge halbverfaulter, hohler Baumstämme. Als erstes müssen unsere Pferde Wasser und Futter bekommen. Das Wasser müssen wir oft lange suchen, denn Wasserleitungen gibt es auf den Dörfern nicht. Man muß das Wasser aus Ziehbrunnen oder aus Teichen und Tümpeln holen. Ehe wir an uns selbst denken konnten, beginnt ein wahnsinniges Chaos! Die Pferde schlagen mit den Hinterbeinen aus, springen durcheinander, unser Schirrmeister fällt vor mir um, wie ein nasser Sack!

Hier wollen uns Abertausende von Bienen, mit uns unbekannter Aggressivität, das Leben zur Hölle machen. Sie stechen besonders die Pferde, weil sie mit den langen Schwänzen um sich schlagen. Auf schnellstem Wege müssen wir hier weg! Dem Schirrmeister ziehe ich mit einem Taschenmesser 11 Stacheln aus seiner Glatze!

Einige Pferde müssen wir zurücklassen, sie sind von den vielen Stichen stark geschwächt. Bei den anderen kommen sie Monate später aus dem Fell, diese Stellen bleiben für immer kahl.
 

Es ist die Desna bei Beresina, Rogatschow, Kritschew – in diesem Abschnitt haben wir heiße Sommertage. Wir schwitzen und haben Durst! Da kommen wir, Gott sei Dank, an einem kleinen Bach vorbei – auf die Schnelle etwas trinken, aber das Wasser schmeckt gar nicht gut! Als wir ein Stück weiterkommen, flußaufwärts, wissen wir warum! …..Im Bach liegt ein totes Pferd, dem Aussehen nach, schon längere Zeit.

Erbarmungslos geht der Vormarsch weiter, es liegen schon öfters Tote herum, die von der Sonne dick und glasig aussehen – auch Kriegsmaterial, (erst noch) von den Russen. Die Dörfer sind meistens leer. Freilich, finden wir vereinzelt auch noch Bewohner vor. Wir bemühen uns, korrekt zu diesen Menschen zu sein. Ab und zu hält sich mal einer von uns nicht dran, aber, das bleibt die Ausnahme! Die Holzhäuser sind fast alle ähnlich, Strohdächer, ein großer Raum mit einer Gebetsecke. Im Fußboden ein Deckel, darunter eine Art Keller. Auf dem Petschcu (Kachelofen) wird geschlafen, in Felle gewickelt oder in dem Pelz, den man am Tag im Winter anhatte, liegen sie auf der Plattform des Ofens. Neben der großen Stube geht es einige Stufen hinunter, dort wohnt das Vieh. Wenn wir mal das Glück haben, ein solches Haus oder Scheune als Unterkunft zu benutzen, lernen wir, überall, wo wir auch sind, noch Mitbewohner auf unliebsame Weise kennen! Wir bekommen seit einiger Zeit die ersten Läuse, die uns Tag und Nacht piesacken. Auch Kakerlaken Wanzen und Flöhe sind immer wieder unsere ekelhaften Begleiter! Unser Eindruck, daß vor allem das Leben auf den Dörfern in Rußland 100 Jahre zurück ist, wird immer wieder untermauert!

Der Russe läßt die Stalinorgel aufheulen und Geschützdonner macht sich in unserer Nähe gewaltig bemerkbar! Noch kann die Deutsche Wehrmacht genügend dagegen setzen. Manchmal werden schon zum Schutz Bunker gebaut. Dicke, auf die Schnelle gefällte Baumstämme werden als Decke eingelegt.

Wir erleben in der folgenden Zeit die Kesselschlacht bei Wjasma. Viele, viele tote russische Soldaten werden mit Panjefahrzeugen herangefahren, auf einen großen Haufen geworfen und verbrannt. Im Radio kommt der tolle Wehrmachtbericht! Schon jetzt gibt es aus unserer Gulaschkanone schlechteres Essen. Partisanen sprengen oft Schienen an den Bahnlinien oder auch den Nachschub. Es fehlen Bekleidung, Munition und Sprit für alle motorisierten Einheiten!

Wir, als junge Soldaten sehen jeden Tag die fürchterlichen Grausamkeiten, die ein so elender, menschenunwürdiger Krieg mit sich bringt….

Nach einigen Tagen Stellungskrieg geht es wieder weiter, auf sehr schlechten Wegen und Straßen, die nur so heißen, in Richtung Smolensk, Moscheisk – Rusa. Aber es ist inzwischen Herbst und es beginnen die Schlammschlachten. Wir, ein paar junge Soldaten, melden uns zur schweren Artillerie. Das Munitionfahren waren wir leid.

 

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Noch geht es nach vorn!    

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10,5 cm Geschütz

 

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Dorogobusch im Kessel von Wjasma, russ. Gefangene

 

 

Aber auch die schwere Artillerie war noch bespannt. Vier Pferdpaare zogen den 80 Zentner schweren Rohrwagen und auch die Lafette, 120 Zentner schwer, wurde von vier Pferdegespannen gezogen. Komischerweise hatten wir noch keine Reithose und Reitstiefeln. So saßen wir noch lange Zeit mit der langen Hose und mit Schuhen im Sattel. Natürlich fühlten wir uns nicht ganz wohl dabei.

Erst war es die unheimliche Schlammperiode, die unseren Einheiten sehr stark zugesetzt hatte und so manche Ausfälle an Pferden und Mannschaften verursachte, so war es jetzt Väterchen Frost, mit dem frühen Wintereinbruch, worüber Stalin sich die Hände reiben konnte, denn seine Soldaten hatten von Kopf bis Fuß warme Winterbekleidung und wir ….. Sommersachen! Blieben im Schlamm Panzer, Geschütze und Fahrzeuge aller Art stecken begann uns nun erbärmlich zu frieren.

Der Stellungskrieg war vorbei und der letzte, ganz bedeutende Großangriff für dieses Jahr in Richtung Moskau, Borodino, Moshaisk, Rusa, Istra beginnt. Nur noch nachts geht der große Vormarsch bis Moskau. Wir hausen in diesen Wochen nur in Wäldern und frieren, wie die Hunde. Mit ein paar grünen Zweigen von Fichten machen wir ein Feuer an. In den Qualm dieses Feuers hängen wir unsere Unterwäsche, um die vielen Läuse zu vernichten! Was es bei -45° Grad bedeutet, kann nur jemand erfassen, der das erlebt hat. Schon beim Anziehen sind die Mistviecher wieder da! Besonders an den eitrigen Frostbeule im Nacken und unter den Armen stillen sie ihren Hunger am liebsten.

Die armen Pferde bekommen nur noch grüne Zweige von Fichten und eiskaltes Wasser, das wir mit der Spitzhacke aus einem Teich holen. Jeden Morgen sind 2 oder 3 Pferde tot, liegen mit aufgeblähten Bäuchen, erfroren im Schnee. Mit diesen Ausfällen wird der Gewaltmarsch nach Moskau stark gefährdet. Hungern und frieren müssen auch wir, was ist das doch für ein Scheiß-Krieg!

Nach 6 langen Wochen erreichen wir Istra, 14 km vor Moskau. Unsere 12. Batterie schießt sich nach Planquadrat ein! Das bißchen Brot, was uns noch am Leben hält, ist gefroren. Wir müssen es mit dem Beil in Stücke hacken und in der Hosentasche auftauen! Es kommt nicht mehr zum Beschuß nach Moskau, denn wir haben viele Ausfälle an Soldaten, die verwundet und krank sind oder Erfrierungen haben. Es fehlt an allem, der Nachschub wird ständig von den Russen bombardiert oder Partisanen sprengen die Nachschubzüge. Neuerdings schieben sogar die Urlauberzüge 2 leere Waggons vor sich her! Ehe wir die Stadt beschießen können, kommt uns der Russe zuvor! Er hat 11 sibirische Divisionen im Einsatz. Mit einem höllischen Krach beginnt er an der ganzen Front eine gewaltige Offensive, daß uns Hören und Sehen vergeht. In der Luft gewaltige Bomberverbände, Panzer rollen in unsere Stellungen. Geschütze aller Art schicken ihre todbringenden Granaten herüber und die Stalinorgeln sendet rotglühende Granaten das alles jagt uns wie die Stoppelhasen zum Teufel. Unser allererster Rückzug beginnt kurz vor Weihnachten 1941 so überraschend schnell, daß auch vieles von unserem Kriegsmaterial liegen bleibt. In der Nähe von Rusa ist großes Antreten, derer, die es noch geschafft haben, wegzukommen.

 

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Der Winter, Stalins Verbündeter Moskau, Dezember 1941, die Russen haben noch Reserven Die Partisanen werden immer aktiver, besonders den
Nachschublinien gelten ihre Aktivitäten


Die Front hat sich wieder beruhigt, ---- so können wir die Zugpferde nach einigen eisigen Wochen, in einem großen Stall auf einer Kolchose unterbringen. Gott sei ewig Lob und Dank, auch ich kann mir nach dem Versorgen der Pferde, ein Plätzchen im Stroh zum Schlafen suchen. Seit Wochen das erste Mal kann ich mir die Schuh ausziehen! Ach du lieber Himmel, ich hätte in den letzten Tagen in den Waldgebieten heulen können vor Schmerzen, bei der eisigen Kälte, jetzt sehe ich auch, warum! An den Socken bleiben zwei Fußnägel hängen, sie sind abgefroren. Ein Arzt war nicht bei uns, aber ein Veterinär, für die Behandlung von Pferden. Als er das sieht, sagt er nur „oh“ und streut mir ein Puder drauf. Ich kann weder in Schuhe, noch in Stiefel. Da kommt auch schon ein Überfall von den Iwans. Ganz schnell zerreiße ich eine Pferdedecke und wickle beide Füße ein. Da kommt auch schon der Chef und schreit, alles sofort marschbereit machen, anspannen zum Rückzug! Wer nicht schnell genug ist, fällt dem Russen in die Hände. Ich hole meine beiden Pferde und „möchte“ wohl noch anspannen, aber ---- da tritt mir ein Pferd auf die Fußlappen und ich stehe barfuß im eiskalten Schnee. Beim Laufen ist jeder Fußabdruck im Schnee blutig! Einer der Kameraden sieht das und setzt mich auf einem Munitionswagen auf den Bock! Beide Seiten der Rollbahn sind vom Iwan besetzt, ich sitze als Zielscheibe auf dem Bock des Wagens, denn laufen kann ich nicht mehr. Aber, ich hatte wohl einen Schutzengel, denn kein Schuß fiel auf mich. Unser Chef wurde auf einem Schlitten vorbeigefahren, er hatte einen Bauchschuß abbekommen. Als unsere Einheit etwa 20 km Rückzug hinter sich hatte, trat wieder etwas Ruhe ein. Ein Offizier ließ den Rest seiner Truppe antreten. Da wurden erst einmal die Verwundeten und die mit Erfrierungen aussortiert. Ich noch am selben Tag, abends, auf den Hauptverbandsplatz. In einem gedeckten Plattenwagen, der mit etwas Stroh ausgelegt war, wurden wir durch die eiskalte Nacht und den dicken Schnee gefahren. Es war so kalt, daß im Wagen jedes Eisenteil eine weiße Mütze aufhatte. Einige Male mußte uns der Fahrer des Lkw und sein Beifahrer aus den Schneewehen herausschaufeln. Als wir am Verbandsplatz ankamen, bekommen wir etwas Warmes zu trinken und ein Käsebrot, das schon sehr trocken war. Heute war Heiliger Abend, wir liegen auf Stroh, bis zur Abfahrt ins Lazarett Gschatzk, das etwa 80 km von Moskau entfernt ist.

Erst werden Verwundete und Soldaten, die Erfrierungen haben, mit neuen Verbänden versorgt, denn die Läuse machen allen zu schaffen, denn sie machen sich über die eitrigen Wunden her! Am frühen Morgen kommt ein Krankenwagen und holt uns ab. Hier im Lazarett können wir erst einmal anständig baden und bekommen frische Wäsche. Ein Kumpel von mir, mit dem ich bis zu meinem weiteren Abtransport in ein Heimatlazarett, ständig zusammen war, hatte nur die Fingerspitzen angefroren. Er konnte laufen und holte ab und zu unsere Feldpost. Manchmal kam sogar ein 100-g-Päckchenmit Speck an, was wir uns dann geteilt haben. Er bekam in diesen Tagen die Gelbsucht und mußte zurückbleiben in Gschatzk und wir haben uns nicht wiedergesehen. Er war fast ein Freund. Nach 26 Jahren lese ich im „Wüstewaltersdorfer Heimatboten“ seine Anschrift! Ich schreibe von Coesfeld aus und meine Nachricht bekommt er genau an seinem Geburtstag! Die Freude war so groß, daß er sofort antwortete, Mensch Ernst, das war mein allerschönstes Geburtstagsgeschenk! --------

Mein Lazarettzug fuhr durch die russische Landschaft bis Brest-Litowsk. Hier wieder Entlausung, frische Wäsche, gute Verpflegung und ein weißes Bett. Mannometer, man kam sich vor, wie Graf Rotz! Aber ----- ich habe die erste Nacht im molligen Bett so gut geschlafen, daß ich das Bett vollgepinkelt habe, so daß noch eine Lache unter dem Bett hervorlief. Als am Morgen die hübschen jungen Schwestern das erste tolle Frühstück ans Bett bringen, sahen sie die Bescherung. Ich hätte vor Scham ins kleinste Mauseloch kriechen wollen, konnte mich aber nur entschuldigen. Da lachte die Schwester und sagte, Sie brauchen sich bestimmt nicht zuschämen, denn das passiert allen, die von der Ostfront kommen und die eisige Kälte von 45 Grad ertragen mußten! Hier wurde ich 14 Tage fast verwöhnt und dann mit dem Lazarettzug von Brest-Litowsk nach Wien verlegt. Hier wieder Entlausung, frische Wäsche und ein frisches, weiches Bett. Schlimm war für uns, daß uns sämtliche Körperhaare abgeschnitten bzw. abrasiert wurden. Offiziere blieben von dieser Prozedur verschont. Wenn man in den Spiegel sah, kam man sich vor, wie ein Zuchthäusler. Sonst war es in Wien sehr schön, besonders dann, als ich nach Wochen wieder Schuhe anziehen konnte!

Von Wie aus bekam ich, vor der Abfahrt an die Ostfront, 1 Tage Genesungsurlaub. Danach mußte ich mich beim Ersatzhaufen in Königshütte melden und wurde nach wenigen Tagen wieder an die Front geschickt.

Hier bei Gschatzk werde ich zur II. Abteilung der Artillerie, kommandiert. Es ist die leichte Artillerie, 10,5 cm Geschütze, erst als Meldereiter dann auch am Geschütz eingeteilt. Noch ist Stellungskrieg, wir hausen in Bunkern, die Einheiten werden neu aufgestellt.

Das Leben im Bunker ist fürchterlich, mit mehreren Mann schlafen, die Schweißsocken stinken zum Himmel, alle furzen – sicher, das ist menschlich, wenn aber dann noch in diesem Gemeinschaftsraum getrunken und gegessen werden muß, da schmecken Essen und Kaffee nicht mehr. Das wiederholt sich während des ganzen Rückzuges. Der Russe wird immer stärker und die deutsche Armee ----- immer schwächer! Es bleiben meist nur Abwehrkämpfe und Rückzugsmöglichkeiten. An einen Sieg glaubt keiner mehr, man darf es nur nicht laut sagen! Scheiß-Krieg! Daß Hitler, der Kriegsverbrecher, mit seinem Gefolge in bombensicheren Bunkern Sicherheit genießt, dürfen wir nur denken! Die Soldaten müssen nur den Arsch hinhalten und den Mund halten! -------

Ein Rückzug nach dem anderen, wenig Gegenwehr, es fehlt an allem. Essen aus der Gulaschkanone, fast jeden Tag Graupen, Erbsen, Linsen und Kartoffelsuppe. Mit dieser Suppe habe ich eine dicke, schwarze, glänzende Kakerlake auf dem Löffel. Vor Ekel und Wut werfe ich das Kochgeschirr mit Inhalt weit in die Landschaft. Mir ist der Appetit vergangen!

Wieder kommt ein Stellungswechsel, die armen Pferde müssen sofort eingespannt werden und über den langen Knüppeldamm zur Feuerstellung der 4 Geschütze, nach dem Waldrand in Grebenzi gebracht werden. Der Russe ist aber fast ehre da, als wir, denn wir können nicht mehr weg. Mit einem Geschrei und „uhrää, uhrää“ kommen sie an, die Maschinenpistole unter dem Arm, schon im Anschlag und besetzen so ganz einfach unsere Geschütze. Unsere ganzen eigenen Sachen liegen in den Protzen und sind auch vereinnahmt – weg für immer!

Als ich meinen Karabiner zur Verteidigung über beide Pferderücken in Anschlag bringe, saust mir ein Geschoß vom Russen direkt am linken Auge und Ohr vorbei, aber schlitzt mit, Gott sei Dank, nur die Haut auf. Wieder einmal hatte ich einen Schutzengel! Natürlich blieb mir nur das Fliehen durch den Wald. An einer Anhöhe kam ich heraus, rannte, wie ein Stoppelhase, denn der Russe konnte die Fläche einsehen und noch einmal hatte ich Glück, denn hinter dem Hügel fand ich meine versprengte Einheit. Der Chef kam sofort und freute sich, Mensch Jauernick, meinte er, ich habe sie schon als vermißt geglaubt! Ich bekam von ihm sofort eine Zigarette und das blutunterlaufene Auge wurde behandelt. Einen Gegenangriff, am nächsten Tag, brauchte ich nicht mitzumachen. So, wie ich hörte, war er sowieso erfolglos Bis wir wieder Geschütze bekamen, das dauerte. Inzwischen wurden wir auf andere Einheiten aufgeteilt.

Es geht wieder einmal zurück, bei Gorki ist die neue Stellung. Hier sehe ich eines Tages von einem Splitterloch her einen Luftkampf zwischen deutschen und russischen Fliegern, daß einem Angst und Bange wird. Ich kann alles beobachten, wenn ich den Kopf aus dem Loch stecke. Jagdflugzeuge rasen durch die Luft, von beiden Seiten schießt die Flak. Ich zähle 11 Flugzeuge, die abstürzen, einem reißt die ganze Kanzel ab, das Flugzeug kommt kopfüber herunter, die Besatzung mit. Andere kommen heruntergepurzelt, weil die Tragflächen abgeschossen wurden.

Es geht in den nächsten Tagen wieder zurück, oft bleibt nur noch eine kleiner Schlauch, wo wir noch durchkommen können. Der Russe fängt an, seine eigenen Dörfer niederzubrennen, damit wir behindert werden, uns irgendwo zu erholen. Inzwischen piesacken uns die Läuse und wenn wir mal eine alte Scheune oder einen Stall für eine Pause erwischen, kommen noch die Ratten und Mäuse, die uns auch nicht leiden mögen!

Die Front hat sich wieder beruhigt, ---- so können wir die Zugpferde nach einigen eisigen Wochen, in einem großen Stall auf einer Kolchose unterbringen. Gott sei ewig Lob und Dank, auch ich kann mir nach dem Versorgen der Pferde, ein Plätzchen im Stroh zum Schlafen suchen. Seit Wochen das erste Mal kann ich mir die Schuh ausziehen! Ach du lieber Himmel, ich hätte in den letzten Tagen in den Waldgebieten heulen können vor Schmerzen, bei der eisigen Kälte, jetzt sehe ich auch, warum! An den Socken bleiben zwei Fußnägel hängen, sie sind abgefroren. Ein Arzt war nicht bei uns, aber ein Veterinär, für die Behandlung von Pferden. Als er das sieht, sagt er nur „oh“ und streut mir ein Puder drauf. Ich kann weder in Schuhe, noch in Stiefel. Da kommt auch schon ein Überfall von den Iwans. Ganz schnell zerreiße ich eine Pferdedecke und wickle beide Füße ein. Da kommt auch schon der Chef und schreit, alles sofort marschbereit machen, anspannen zum Rückzug! Wer nicht schnell genug ist, fällt dem Russen in die Hände. Ich hole meine beiden Pferde und „möchte“ wohl noch anspannen, aber ---- da tritt mir ein Pferd auf die Fußlappen und ich stehe barfuß im eiskalten Schnee. Beim Laufen ist jeder Fußabdruck im Schnee blutig! Einer der Kameraden sieht das und setzt mich auf einem Munitionswagen auf den Bock! Beide Seiten der Rollbahn sind vom Iwan besetzt, ich sitze als Zielscheibe auf dem Bock des Wagens, denn laufen kann ich nicht mehr. Aber, ich hatte wohl einen Schutzengel, denn kein Schuß fiel auf mich. Unser Chef wurde auf einem Schlitten vorbeigefahren, er hatte einen Bauchschuß abbekommen. Als unsere Einheit etwa 20 km Rückzug hinter sich hatte, trat wieder etwas Ruhe ein. Ein Offizier ließ den Rest seiner Truppe antreten. Da wurden erst einmal die Verwundeten und die mit Erfrierungen aussortiert. Ich noch am selben Tag, abends, auf den Hauptverbandsplatz. In einem gedeckten Plattenwagen, der mit etwas Stroh ausgelegt war, wurden wir durch die eiskalte Nacht und den dicken Schnee gefahren. Es war so kalt, daß im Wagen jedes Eisenteil eine weiße Mütze aufhatte. Einige Male mußte uns der Fahrer des Lkw und sein Beifahrer aus den Schneewehen herausschaufeln. Als wir am Verbandsplatz ankamen, bekommen wir etwas Warmes zu trinken und ein Käsebrot, das schon sehr trocken war. Heute war Heiliger Abend, wir liegen auf Stroh, bis zur Abfahrt ins Lazarett Gschatzk, das etwa 80 km von Moskau entfernt ist.

Erst werden Verwundete und Soldaten, die Erfrierungen haben, mit neuen Verbänden versorgt, denn die Läuse machen allen zu schaffen, denn sie machen sich über die eitrigen Wunden her! Am frühen Morgen kommt ein Krankenwagen und holt uns ab. Hier im Lazarett können wir erst einmal anständig baden und bekommen frische Wäsche. Ein Kumpel von mir, mit dem ich bis zu meinem weiteren Abtransport in ein Heimatlazarett, ständig zusammen war, hatte nur die Fingerspitzen angefroren. Er konnte laufen und holte ab und zu unsere Feldpost. Manchmal kam sogar ein 100-g-Päckchenmit Speck an, was wir uns dann geteilt haben. Er bekam in diesen Tagen die Gelbsucht und mußte zurückbleiben in Gschatzk und wir haben uns nicht wiedergesehen. Er war fast ein Freund. Nach 26 Jahren lese ich im „Wüstewaltersdorfer Heimatboten“ seine Anschrift! Ich schreibe von Coesfeld aus und meine Nachricht bekommt er genau an seinem Geburtstag! Die Freude war so groß, daß er sofort antwortete, Mensch Ernst, das war mein allerschönstes Geburtstagsgeschenk! --------

Mein Lazarettzug fuhr durch die russische Landschaft bis Brest-Litowsk. Hier wieder Entlausung, frische Wäsche, gute Verpflegung und ein weißes Bett. Mannometer, man kam sich vor, wie Graf Rotz! Aber ----- ich habe die erste Nacht im molligen Bett so gut geschlafen, daß ich das Bett vollgepinkelt habe, so daß noch eine Lache unter dem Bett hervorlief. Als am Morgen die hübschen jungen Schwestern das erste tolle Frühstück ans Bett bringen, sahen sie die Bescherung. Ich hätte vor Scham ins kleinste Mauseloch kriechen wollen, konnte mich aber nur entschuldigen. Da lachte die Schwester und sagte, Sie brauchen sich bestimmt nicht zuschämen, denn das passiert allen, die von der Ostfront kommen und die eisige Kälte von 45 Grad ertragen mußten! Hier wurde ich 14 Tage fast verwöhnt und dann mit dem Lazarettzug von Brest-Litowsk nach Wien verlegt. Hier wieder Entlausung, frische Wäsche und ein frisches, weiches Bett. Schlimm war für uns, daß uns sämtliche Körperhaare abgeschnitten bzw. abrasiert wurden. Offiziere blieben von dieser Prozedur verschont. Wenn man in den Spiegel sah, kam man sich vor, wie ein Zuchthäusler. Sonst war es in Wien sehr schön, besonders dann, als ich nach Wochen wieder Schuhe anziehen konnte!

Von Wie aus bekam ich, vor der Abfahrt an die Ostfront, 1 Tage Genesungsurlaub. Danach mußte ich mich beim Ersatzhaufen in Königshütte melden und wurde nach wenigen Tagen wieder an die Front geschickt.

Hier bei Gschatzk werde ich zur II. Abteilung der Artillerie, kommandiert. Es ist die leichte Artillerie, 10,5 cm Geschütze, erst als Meldereiter dann auch am Geschütz eingeteilt. Noch ist Stellungskrieg, wir hausen in Bunkern, die Einheiten werden neu aufgestellt.

Das Leben im Bunker ist fürchterlich, mit mehreren Mann schlafen, die Schweißsocken stinken zum Himmel, alle furzen – sicher, das ist menschlich, wenn aber dann noch in diesem Gemeinschaftsraum getrunken und gegessen werden muß, da schmecken Essen und Kaffee nicht mehr. Das wiederholt sich während des ganzen Rückzuges. Der Russe wird immer stärker und die deutsche Armee ----- immer schwächer! Es bleiben meist nur Abwehrkämpfe und Rückzugsmöglichkeiten. An einen Sieg glaubt keiner mehr, man darf es nur nicht laut sagen! Scheiß-Krieg! Daß Hitler, der Kriegsverbrecher, mit seinem Gefolge in bombensicheren Bunkern Sicherheit genießt, dürfen wir nur denken! Die Soldaten müssen nur den Arsch hinhalten und den Mund halten! -------

Ein Rückzug nach dem anderen, wenig Gegenwehr, es fehlt an allem. Essen aus der Gulaschkanone, fast jeden Tag Graupen, Erbsen, Linsen und Kartoffelsuppe. Mit dieser Suppe habe ich eine dicke, schwarze, glänzende Kakerlake auf dem Löffel. Vor Ekel und Wut werfe ich das Kochgeschirr mit Inhalt weit in die Landschaft. Mir ist der Appetit vergangen!

Wieder kommt ein Stellungswechsel, die armen Pferde müssen sofort eingespannt werden und über den langen Knüppeldamm zur Feuerstellung der 4 Geschütze, nach dem Waldrand in Grebenzi gebracht werden. Der Russe ist aber fast eher da, als wir, denn wir können nicht mehr weg. Mit einem Geschrei und „uhrää, uhrää“ kommen sie an, die Maschinenpistole unter dem Arm, schon im Anschlag und besetzen so ganz einfach unsere Geschütze. Unsere ganzen eigenen Sachen liegen in den Protzen und sind auch vereinnahmt – weg für immer!

Als ich meinen Karabiner zur Verteidigung über beide Pferderücken in Anschlag bringe, saust mir ein Geschoß vom Russen direkt am linken Auge und Ohr vorbei, aber schlitzt mit, Gott sei Dank, nur die Haut auf. Wieder einmal hatte ich einen Schutzengel! Natürlich blieb mir nur das Fliehen durch den Wald. An einer Anhöhe kam ich heraus, rannte, wie ein Stoppelhase, denn der Russe konnte die Fläche einsehen und noch einmal hatte ich Glück, denn hinter dem Hügel fand ich meine versprengte Einheit. Der Chef kam sofort und freute sich, Mensch Jauernick, meinte er, ich habe sie schon als vermißt geglaubt! Ich bekam von ihm sofort eine Zigarette und das blutunterlaufene Auge wurde behandelt. Einen Gegenangriff, am nächsten Tag, brauchte ich nicht mitzumachen. So, wie ich hörte, war er sowieso erfolglos Bis wir wieder Geschütze bekamen, das dauerte. Inzwischen wurden wir auf andere Einheiten aufgeteilt.

Es geht wieder einmal zurück, bei Gorki ist die neue Stellung. Hier sehe ich eines Tages von einem Splitterloch her einen Luftkampf zwischen deutschen und russischen Fliegern, daß einem Angst und Bange wird. Ich kann alles beobachten, wenn ich den Kopf aus dem Loch stecke. Jagdflugzeuge rasen durch die Luft, von beiden Seiten schießt die Flak. Ich zähle 11 Flugzeuge, die abstürzen, einem reißt die ganze Kanzel ab, das Flugzeug kommt kopfüber herunter, die Besatzung mit. Andere kommen heruntergepurzelt, weil die Tragflächen abgeschossen wurden.

Es geht in den nächsten Tagen wieder zurück, oft bleibt nur noch eine kleiner Schlauch, wo wir noch durchkommen können. Der Russe fängt an, seine eigenen Dörfer niederzubrennen, damit wir behindert werden, uns irgendwo zu erholen. Inzwischen piesacken uns die Läuse und wenn wir mal eine alte Scheune oder einen Stall für eine Pause erwischen, kommen noch die Ratten und Mäuse, die uns auch nicht leiden mögen!

 

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Meldereiter Wer von den Landsern wird überleben? Getarntes Geschütz - Alarm!

 

Als wir eines Tages in Dorogobusch ankommen, will man uns das Leben etwas verschönern, hier ist nämlich, bis jetzt noch, die Frontbühne. Wir dürfen uns an einem Film mit Marika Rökk erfreuen. So lange, schöne tanzende Frauenbeine haben auch sehr lange nicht gesehen. Ich bekomme sogar den Jahresurlaub und darf für 14 Tage nach Hause fahren. Meine Fahrt geht über Brest-Litowsk, Litzmannstadt, Warschau, Breslau, Schweidnitz, Hausdorf. Von hier werde ich mit der Kutsche abgeholt.

Als ich dann zurückkomme, hat die Einheit Stellungskrieg, beide Seiten gönnen sich eine Pause. Es sind inzwischen auch Bunker gebaut worden. Ab und zu hört man Abschüsse von der Artillerie. Die Geschützbedienung vom II. Geschütz sitzt zwischen den Holmen und spielt Skat. Ich grabe mit dem Spaten, sicherheitshalber, ein Splitterschutzloch. Man kann nie wissen! Da brummt es in der Luft, man hört auch schon, daß in der Nähe Bomben fallen. Da sage ich noch zu den Spielern, die tun uns hier nichts mehr, die haben schon abgeladen. Aber, da kommt einer, genau in unsere Richtung, öffnet die Luken und 4 Bomben wackeln auf uns zu! Ach, du Scheiße, die kommen genau hier her! ----- Ich verkrieche mich im Ein-Mann-Splitterschutzloch. Es knallt und kracht, die Splitter und der Dreck fliegen über das Loch.

Das Geschütz total im Eimer und die Mannschaft schwer verwundet Ich denke wieder an den Schutzengel und der hilft mir noch oft! -----

Die Geschütze sind kaputt und ich werde Meldereiter. Mein Chef ist jetzt ein großer, breitschultriger, rothaariger Ostpreuße. Er heißt „Weier“. Wenn er telefoniert, meldet er sich: „Hier ist Oberleutnant Weier, großes W und kleine Eier.“ Er sagt zu mir, Jauernick, da unten im Tal ist eine Kolchose, reiten Sie mal dahin und gucken, ob da Hühner sind. Ich habe so Appetit auf ein gebratenes Huhn! An der Front war es still, mit etwas Schiß reite ich hin, mit dem Huhn das klappt. Es steht sogar mitten auf dem Hof ein Backofenhäuschen ausHolzbalken. Das Huhn in heißem Wasser gebrüht, gerupft, gewaschen und ausgenommen. Das klappte prima, da hingen sogar Pfannen an der Wand! Fett in die Pfanne, das Huhn in das heiße Fett, Pfeffer und Salz hatte ich mit. Nach etwa einer viertel Stunde hebe ich den Deckel, da höre ich, von weit her einen Abschuß, das Huhn schön braun, ehe ich mich freuen kann, könnte ich heulen, denn die Granatsplitter zerfetzen die Holzbalken. Der Staub und Dreck auch Holzsplitter bedecken das braungebackene Tier. Rechts und links, wo ich stand, waren die Holzbalken von Splittern zerfetzt und ich stand mittendrin! Ist das nicht Glück? Es kommen noch zwei Abschüsse, aber sie treffen nicht mehr diese Bude. Als ich zurückreite, wartet schon mein Chef auf mich: „Jauernick, ich hatte verdammte Angst um sie, ich hatte sie schon auf die Vermißtenliste gesetzt.“

Einige Tage später wurde ich an der Ferse operiert und mußte ------- wieder einmal ins Lazarett, diesmal in Warschau und nach etwa einer Woche nach Lähn, im Riesengebirge. Als ich wieder Laufen konnte, kam ich erst nach Baumholder, von hier wieder an die Ostfront.

Mit meinem Chef mußte ich zur B-Stelle (Beobachtungsstelle) reiten, direkt an der Front, Frontkämpferpäckchen abgeben. Der nächste Weg dahin führte durch einen Wald, der voller Sumpflöcher war. Die Löcher kannte ich schon, die waren zum Teil unberechenbar. So schlug ich dem Chef vor, vorneweg zu reiten, weil ich wußte, daß er die hinterlistigen Wasserlöcher nicht kannte. „Jauernick, ich reite vorneweg! Es dauerte nicht lange, da sank sein Pferd mit den Vorderfüßen tief in den Schlamm und mein Herr Oberleutnant machte einen tollen Salto über den Kopf des Pferdes. Ich durfte ja nicht lachen, aber als er sich aus dem Schlamm aufrappelte, war er von oben bis unten voller Matsche! Wer nicht hören will, muß fühlen! -----

Nicht immer haben die Offiziere recht, ich habe es erlebt bei Orscha. Unsere Batterie hat sich um einen großen Strohschober zu einer Pause gelagert. Der Herr Chef ritt allein ins Gelände, um zu prüfen, wo wir am besten in Stellung gehen könnten. Als er zurückkommt, befiehlt er den Weitermarsch mit den Geschützen. . Ich hatte noch mein liebes Reitpferdchen Minka, ein geflecktes Schimmelchen.

In den Munitionswagen lagen zum Teil Verwundete, weil wir sowieso auf dem Rückzug nicht verteidigen konnten. Dazu kam es aber nicht mehr, in einer halbrunden Schützenkette kommt der Russe an und jagt uns in den dort liegenden Sumpf. Um zu entkommen, müssen wir alle über eine Schmalspurbahn, die am Sumpf vorbei führt, die einzige Möglichkeit, um nicht den Russen in die Hände zu fallen! Auf der andern Seite ist nur Sumpf, aber wir müssen über die Gleise, die höher liegen – auf dem Damm! Die Fahrer der Geschütze und Munitionswagen ------  müssen und können nur noch über die Gleise, aber die Pferde, 4-spännig, verstricken sich in den Sielengeschirren, weil sie alle den Hang hinunterfallen, in den Sumpf. Die Verwundeten schreien in den umgekippten Wagen, nach dem Arzt, nach dem Sanitäter und auch nach der Mutter. Der Morast, das Wasser, löscht alles Leben aus. Auch ich muß mein liebes Schimmelchen zurücklassen. Als nur noch der Kopf aus dem saugenden Sumpf herausguckt, wiehert es noch nach mir hin und versank!

Ich habe bei dieser Flucht geheult, wie ein kleines Kind! Wenn man heute von „Helden“ spricht, was sind Helden?

Der Schutzengel hat es mit mir wieder gut gemeint ! ----- Aber mein armes Pferdchen ist versunken und ich konnte ihm nicht helfen.

Diese letzten Berichte sind von den Kämpfen Jelnja – Dorogobusch und Gorki, 1943, an der Pantherstellung.

Mit einem Mittelhandbruch schickt man mich erst einmal in die Krankenstation. Nach einigen Wochen kommen ich zur Truppe zurück, sie liegt bei Orscha, wird aber bald verlegt in den Raum in den Raum Gorodok, Newel, wo eine Gegenoffensive gestartet werden soll.

Ich habe jetzt ein anderes Pferd und unternehme mit dem Chef einen flotten Geländeritt in einem großen Wiesengelände, eingerahmt von Sträuchern, auch ein kleines Bächlein plätschert in vielen Kurven dahin. Es macht Spaß, denn es ist schönes Wetter! In der einen Kurve ist eine kleine Holzbrücke, der Chef ist schon drüber weg und mein Pferd schiebt beim Galopp die Rundhölzer zusammen. Die Vorderbeine sacken in den Bach und ich mache einen Salto über den Kopf des Pferdes und bleibe mit dem linken Fuß im Steigbügel hängen. Die dabei verdrehte Stelle im Knie habe ich noch viele Jahre mit leichtem Schmerz gemerkt.

Hier bei Gorodino, Schumolino, Obol ist reines Partisanengebiet. Es werden wiederholt Nachschubzüge gesprengt. Wir müssen uns ans Hungern gewöhnen, es gibt schon lange nur Kartoffelsuppe, Erbsensuppe und Linsensuppe. Ab und zu reicht es mal für Nudeln mit Gulasch.

Die Amis helfen den Russen mit vielen Bombengeschwadern. Unsere eigenen Flugzeuge, Panzer und die sonstigen motorisierten Fahrzeuge bekommen nur sehr wenig Sprit! Die Wehrkraft ist fast im Eimer. Da denke ich oft an die Worte, die ein Gast in unserem Gasthof meinem Vater sagte: Du Karl, paß mal auf, die deutschen Truppen werden sich in diesem Riesenreich totlaufen und so schnell zurückgetrieben werden, daß sie sich die braunen Hosen vollscheißen. Er meinte damit die fanatischen Hitleranhänger. Zu meinem Vater konnte er das sagen, denn mein Vater war ein Erzgegner von den Hitlergenossen!

So ging es auch mit den deutschen Truppen ständig zurück, sie waren ziemlich machtlos geworden.

Von der Düna, Ulla, Uschatschi wurden die deutschen Truppen nach dem Abschnitt Raseinen verlegt. Im September 1944 weiterer Rückzug an den Brückenkopf am Narew. Der Rückzug erfolgte von Zichenau – Nas


Als wir eines Tages in Dorogobusch ankommen, will man uns das Leben etwas verschönern, hier ist nämlich, bis jetzt noch, die Frontbühne. Wir dürfen uns an einem Film mit Marika Rökk erfreuen. So lange, schöne tanzende Frauenbeine haben auch sehr lange nicht gesehen. Ich bekomme sogar den Jahresurlaub und darf für 14 Tage nach Hause fahren. Meine Fahrt geht über Brest-Litowsk, Litzmannstadt, Warschau, Breslau, Schweidnitz, Hausdorf. Von hier werde ich mit der Kutsche abgeholt.

Als ich dann zurückkomme, hat die Einheit Stellungskrieg, beide Seiten gönnen sich eine Pause. Es sind inzwischen auch Bunker gebaut worden. Ab und zu hört man Abschüsse von der Artillerie. Die Geschützbedienung vom II. Geschütz sitzt zwischen den Holmen und spielt Skat. Ich grabe mit dem Spaten, sicherheitshalber, ein Splitterschutzloch. Man kann nie wissen! Da brummt es in der Luft, man hört auch schon, daß in der Nähe Bomben fallen. Da sage ich noch zu den Spielern, die tun uns hier nichts mehr, die haben schon abgeladen. Aber, da kommt einer, genau in unsere Richtung, öffnet die Luken und 4 Bomben wackeln auf uns zu! Ach, du Scheiße, die kommen genau hier her! ----- Ich verkrieche mich im Ein-Mann-Splitterschutzloch. Es knallt und kracht, die Splitter und der Dreck fliegen über das Loch.

Das Geschütz total im Eimer und die Mannschaft schwer verwundet Ich denke wieder an den Schutzengel und der hilft mir noch oft! -----

Die Geschütze sind kaputt und ich werde Meldereiter. Mein Chef ist jetzt ein großer, breitschultriger, rothaariger Ostpreuße. Er heißt „Weier“. Wenn er telefoniert, meldet er sich: „Hier ist Oberleutnant Weier, großes W und kleine Eier.“ Er sagt zu mir, Jauernick, da unten im Tal ist eine Kolchose, reiten Sie mal dahin und gucken, ob da Hühner sind. Ich habe so Appetit auf ein gebratenes Huhn! An der Front war es still, mit etwas Schiß reite ich hin, mit dem Huhn das klappt. Es steht sogar mitten auf dem Hof ein Backofenhäuschen aus Holzbalken. Das Huhn in heißem Wasser gebrüht, gerupft, gewaschen und ausgenommen. Das klappte prima, da hingen sogar Pfannen an der Wand! Fett in die Pfanne, das Huhn in das heiße Fett, Pfeffer und Salz hatte ich mit. Nach etwa einer viertel Stunde hebe ich den Deckel, da höre ich, von weit her einen Abschuß, das Huhn schön braun, ehe ich mich freuen kann, könnte ich heulen, denn die Granatsplitter zerfetzen die Holzbalken. Der Staub und Dreck auch Holzsplitter bedecken das braungebackene Tier. Rechts und links, wo ich stand, waren die Holzbalken von Splittern zerfetzt und ich stand mittendrin! Ist das nicht Glück? Es kommen noch zwei Abschüsse, aber sie treffen nicht mehr diese Bude. Als ich zurückreite, wartet schon mein Chef auf mich: „Jauernick, ich hatte verdammte Angst um sie, ich hatte sie schon auf die Vermißtenliste gesetzt.“

Einige Tage später wurde ich an der Ferse operiert und mußte ------- wieder einmal ins Lazarett, diesmal in Warschau und nach etwa einer Woche nach Lähn, im Riesengebirge. Als ich wieder Laufen konnte, kam ich erst nach Baumholder, von hier wieder an die Ostfront.

Mit meinem Chef mußte ich zur B-Stelle (Beobachtungsstelle) reiten, direkt an der Front, Frontkämpferpäckchen abgeben. Der nächste Weg dahin führte durch einen Wald, der voller Sumpflöcher war. Die Löcher kannte ich schon, die waren zum Teil unberechenbar. So schlug ich dem Chef vor, vorneweg zu reiten, weil ich wußte, daß er die hinterlistigen Wasserlöcher nicht kannte. „Jauernick, ich reite vorneweg! Es dauerte nicht lange, da sank sein Pferd mit den Vorderfüßen tief in den Schlamm und mein Herr Oberleutnant machte einen tollen Salto über den Kopf des Pferdes. Ich durfte ja nicht lachen, aber als er sich aus dem Schlamm aufrappelte, war er von oben bis unten voller Matsche! Wer nicht hören will, muß fühlen! -----

Nicht immer haben die Offiziere recht, ich habe es erlebt bei Orscha. Unsere Batterie hat sich um einen großen Strohschober zu einer Pause gelagert. Der Herr Chef ritt allein ins Gelände, um zu prüfen, wo wir am besten in Stellung gehen könnten. Als er zurückkommt, befiehlt er den Weitermarsch mit den Geschützen. . Ich hatte noch mein liebes Reitpferdchen Minka, ein geflecktes Schimmelchen.

In den Munitionswagen lagen zum Teil Verwundete, weil wir sowieso auf dem Rückzug nicht verteidigen konnten. Dazu kam es aber nicht mehr, in einer halbrunden Schützenkette kommt der Russe an und jagt uns in den dort liegenden Sumpf. Um zu entkommen, müssen wir alle über eine Schmalspurbahn, die am Sumpf vorbei führt, die einzige Möglichkeit, um nicht den Russen in die Hände zu fallen! Auf der andern Seite ist nur Sumpf, aber wir müssen über die Gleise, die höher liegen – auf dem Damm! Die Fahrer der Geschütze und Munitionswagen ------  müssen und können nur noch über die Gleise, aber die Pferde, 4-spännig, verstricken sich in den Sielengeschirren, weil sie alle den Hang hinunterfallen, in den Sumpf. Die Verwundeten schreien in den umgekippten Wagen, nach dem Arzt, nach dem Sanitäter und auch nach der Mutter. Der Morast, das Wasser, löscht alles Leben aus. Auch ich muß mein liebes Schimmelchen zurücklassen. Als nur noch der Kopf aus dem saugenden Sumpf herausguckt, wiehert es noch nach mir hin und versank!

Ich habe bei dieser Flucht geheult, wie ein kleines Kind! Wenn man heute von „Helden“ spricht, was sind Helden?

Der Schutzengel hat es mit mir wieder gut gemeint ! ----- Aber mein armes Pferdchen ist versunken und ich konnte ihm nicht helfen.

Diese letzten Berichte sind von den Kämpfen Jelnja – Dorogobusch und Gorki, 1943, an der Pantherstellung.

Mit einem Mittelhandbruch schickt man mich erst einmal in die Krankenstation. Nach einigen Wochen kommen ich zur Truppe zurück, sie liegt bei Orscha, wird aber bald verlegt in den Raum in den Raum Gorodok, Newel, wo eine Gegenoffensive gestartet werden soll.

Ich habe jetzt ein anderes Pferd und unternehme mit dem Chef einen flotten Geländeritt in einem großen Wiesengelände, eingerahmt von Sträuchern, auch ein kleines Bächlein plätschert in vielen Kurven dahin. Es macht Spaß, denn es ist schönes Wetter! In der einen Kurve ist eine kleine Holzbrücke, der Chef ist schon drüber weg und mein Pferd schiebt beim Galopp die Rundhölzer zusammen. Die Vorderbeine sacken in den Bach und ich mache einen Salto über den Kopf des Pferdes und bleibe mit dem linken Fuß im Steigbügel hängen. Die dabei verdrehte Stelle im Knie habe ich noch viele Jahre mit leichtem Schmerz gemerkt.

Hier bei Gorodino, Schumolino, Obol ist reines Partisanengebiet. Es werden wiederholt Nachschubzüge gesprengt. Wir müssen uns ans Hungern gewöhnen, es gibt schon lange nur Kartoffelsuppe, Erbsensuppe und Linsensuppe. Ab und zu reicht es mal für Nudeln mit Gulasch.

Die Amis helfen den Russen mit vielen Bombengeschwadern. Unsere eigenen Flugzeuge, Panzer und die sonstigen motorisierten Fahrzeuge bekommen nur sehr wenig Sprit! Die Wehrkraft ist fast im Eimer. Da denke ich oft an die Worte, die ein Gast in unserem Gasthof meinem Vater sagte: Du Karl, paß mal auf, die deutschen Truppen werden sich in diesem Riesenreich totlaufen und so schnell zurückgetrieben werden, daß sie sich die braunen Hosen vollscheißen. Er meinte damit die fanatischen Hitleranhänger. Zu meinem Vater konnte er das sagen, denn mein Vater war ein Erzgegner von den Hitlergenossen!

So ging es auch mit den deutschen Truppen ständig zurück, sie waren ziemlich machtlos geworden.

  1. Von der Düna, Ulla, Uschatschi wurden die deutschen Truppen nach dem Abschnitt Raseinen verlegt. Im September 1944 weiterer Rückzug an den Brückenkopf am Narew. Der Rückzug erfolgte von Zichenau – Nasielsk.

 

 

Als wir eines Tages in Dorogobusch ankommen, will man uns das Leben etwas verschönern, hier ist nämlich, bis jetzt noch, die Frontbühne. Wir dürfen uns an einem Film mit Marika Rökk erfreuen. So lange, schöne tanzende Frauenbeine haben auch sehr lange nicht gesehen. Ich bekomme sogar den Jahresurlaub und darf für 14 Tage nach Hause fahren. Meine Fahrt geht über Brest-Litowsk, Litzmannstadt, Warschau, Breslau, Schweidnitz, Hausdorf. Von hier werde ich mit der Kutsche abgeholt.

Als ich dann zurückkomme, hat die Einheit Stellungskrieg, beide Seiten gönnen sich eine Pause. Es sind inzwischen auch Bunker gebaut worden. Ab und zu hört man Abschüsse von der Artillerie. Die Geschützbedienung vom II. Geschütz sitzt zwischen den Holmen und spielt Skat. Ich grabe mit dem Spaten, sicherheitshalber, ein Splitterschutzloch. Man kann nie wissen! Da brummt es in der Luft, man hört auch schon, daß in der Nähe Bomben fallen. Da sage ich noch zu den Spielern, die tun uns hier nichts mehr, die haben schon abgeladen. Aber, da kommt einer, genau in unsere Richtung, öffnet die Luken und 4 Bomben wackeln auf uns zu! Ach, du Scheiße, die kommen genau hier her! ----- Ich verkrieche mich im Ein-Mann-Splitterschutzloch. Es knallt und kracht, die Splitter und der Dreck fliegen über das Loch.

Das Geschütz total im Eimer und die Mannschaft schwer verwundet Ich denke wieder an den Schutzengel und der hilft mir noch oft! -----

Die Geschütze sind kaputt und ich werde Meldereiter. Mein Chef ist jetzt ein großer, breitschultriger, rothaariger Ostpreuße. Er heißt „Weier“. Wenn er telefoniert, meldet er sich: „Hier ist Oberleutnant Weier, großes W und kleine Eier.“ Er sagt zu mir, Jauernick, da unten im Tal ist eine Kolchose, reiten Sie mal dahin und gucken, ob da Hühner sind. Ich habe so Appetit auf ein gebratenes Huhn! An der Front war es still, mit etwas Schiß reite ich hin, mit dem Huhn das klappt. Es steht sogar mitten auf dem Hof ein Backofenhäuschen aus Holzbalken. Das Huhn in heißem Wasser gebrüht, gerupft, gewaschen und ausgenommen. Das klappte prima, da hingen sogar Pfannen an der Wand! Fett in die Pfanne, das Huhn in das heiße Fett, Pfeffer und Salz hatte ich mit. Nach etwa einer viertel Stunde hebe ich den Deckel, da höre ich, von weit her einen Abschuß, das Huhn schön braun, ehe ich mich freuen kann, könnte ich heulen, denn die Granatsplitter zerfetzen die Holzbalken. Der Staub und Dreck auch Holzsplitter bedecken das braungebackene Tier. Rechts und links, wo ich stand, waren die Holzbalken von Splittern zerfetzt und ich stand mittendrin! Ist das nicht Glück? Es kommen noch zwei Abschüsse, aber sie treffen nicht mehr diese Bude. Als ich zurückreite, wartet schon mein Chef auf mich: „Jauernick, ich hatte verdammte Angst um sie, ich hatte sie schon auf die Vermißtenliste gesetzt.“

Einige Tage später wurde ich an der Ferse operiert und mußte ------- wieder einmal ins Lazarett, diesmal in Warschau und nach etwa einer Woche nach Lähn, im Riesengebirge. Als ich wieder Laufen konnte, kam ich erst nach Baumholder, von hier wieder an die Ostfront.

Mit meinem Chef mußte ich zur B-Stelle (Beobachtungsstelle) reiten, direkt an der Front, Frontkämpferpäckchen abgeben. Der nächste Weg dahin führte durch einen Wald, der voller Sumpflöcher war. Die Löcher kannte ich schon, die waren zum Teil unberechenbar. So schlug ich dem Chef vor, vorneweg zu reiten, weil ich wußte, daß er die hinterlistigen Wasserlöcher nicht kannte. „Jauernick, ich reite vorneweg! Es dauerte nicht lange, da sank sein Pferd mit den Vorderfüßen tief in den Schlamm und mein Herr Oberleutnant machte einen tollen Salto über den Kopf des Pferdes. Ich durfte ja nicht lachen, aber als er sich aus dem Schlamm aufrappelte, war er von oben bis unten voller Matsche! Wer nicht hören will, muß fühlen! -----

Nicht immer haben die Offiziere recht, ich habe es erlebt bei Orscha. Unsere Batterie hat sich um einen großen Strohschober zu einer Pause gelagert. Der Herr Chef ritt allein ins Gelände, um zu prüfen, wo wir am besten in Stellung gehen könnten. Als er zurückkommt, befiehlt er den Weitermarsch mit den Geschützen. . Ich hatte noch mein liebes Reitpferdchen Minka, ein geflecktes Schimmelchen.

In den Munitionswagen lagen zum Teil Verwundete, weil wir sowieso auf dem Rückzug nicht verteidigen konnten. Dazu kam es aber nicht mehr, in einer halbrunden Schützenkette kommt der Russe an und jagt uns in den dort liegenden Sumpf. Um zu entkommen, müssen wir alle über eine Schmalspurbahn, die am Sumpf vorbei führt, die einzige Möglichkeit, um nicht den Russen in die Hände zu fallen! Auf der andern Seite ist nur Sumpf, aber wir müssen über die Gleise, die höher liegen – auf dem Damm! Die Fahrer der Geschütze und Munitionswagen ------  müssen und können nur noch über die Gleise, aber die Pferde, 4-spännig, verstricken sich in den Sielengeschirren, weil sie alle den Hang hinunterfallen, in den Sumpf. Die Verwundeten schreien in den umgekippten Wagen, nach dem Arzt, nach dem Sanitäter und auch nach der Mutter. Der Morast, das Wasser, löscht alles Leben aus. Auch ich muß mein liebes Schimmelchen zurücklassen. Als nur noch der Kopf aus dem saugenden Sumpf herausguckt, wiehert es noch nach mir hin und versank!

Ich habe bei dieser Flucht geheult, wie ein kleines Kind! Wenn man heute von „Helden“ spricht, was sind Helden?

Der Schutzengel hat es mit mir wieder gut gemeint ! ----- Aber mein armes Pferdchen ist versunken und ich konnte ihm nicht helfen.

Diese letzten Berichte sind von den Kämpfen Jelnja – Dorogobusch und Gorki, 1943, an der Pantherstellung.

Mit einem Mittelhandbruch schickt man mich erst einmal in die Krankenstation. Nach einigen Wochen kommen ich zur Truppe zurück, sie liegt bei Orscha, wird aber bald verlegt in den Raum in den Raum Gorodok, Newel, wo eine Gegenoffensive gestartet werden soll.

Ich habe jetzt ein anderes Pferd und unternehme mit dem Chef einen flotten Geländeritt in einem großen Wiesengelände, eingerahmt von Sträuchern, auch ein kleines Bächlein plätschert in vielen Kurven dahin. Es macht Spaß, denn es ist schönes Wetter! In der einen Kurve ist eine kleine Holzbrücke, der Chef ist schon drüber weg und mein Pferd schiebt beim Galopp die Rundhölzer zusammen. Die Vorderbeine sacken in den Bach und ich mache einen Salto über den Kopf des Pferdes und bleibe mit dem linken Fuß im Steigbügel hängen. Die dabei verdrehte Stelle im Knie habe ich noch viele Jahre mit leichtem Schmerz gemerkt.

Hier bei Gorodino, Schumolino, Obol ist reines Partisanengebiet. Es werden wiederholt Nachschubzüge gesprengt. Wir müssen uns ans Hungern gewöhnen, es gibt schon lange nur Kartoffelsuppe, Erbsensuppe und Linsensuppe. Ab und zu reicht es mal für Nudeln mit Gulasch.

Die Amis helfen den Russen mit vielen Bombengeschwadern. Unsere eigenen Flugzeuge, Panzer und die sonstigen motorisierten Fahrzeuge bekommen nur sehr wenig Sprit! Die Wehrkraft ist fast im Eimer. Da denke ich oft an die Worte, die ein Gast in unserem Gasthof meinem Vater sagte: Du Karl, paß mal auf, die deutschen Truppen werden sich in diesem Riesenreich totlaufen und so schnell zurückgetrieben werden, daß sie sich die braunen Hosen vollscheißen. Er meinte damit die fanatischen Hitleranhänger. Zu meinem Vater konnte er das sagen, denn mein Vater war ein Erzgegner von den Hitlergenossen!

So ging es auch mit den deutschen Truppen ständig zurück, sie waren ziemlich machtlos geworden.

Von der Düna, Ulla, Uschatschi wurden die deutschen Truppen nach dem Abschnitt Raseinen verlegt. Im September 1944 weiterer Rückzug an den Brückenkopf am Narew. Der Rückzug erfolgte von Zichenau – Nasielsk.

Als wir eines Tages in Dorogobusch ankommen, will man uns das Leben etwas verschönern, hier ist nämlich, bis jetzt noch, die Frontbühne. Wir dürfen uns an einem Film mit Marika Rökk erfreuen. So lange, schöne tanzende Frauenbeine haben auch sehr lange nicht gesehen. Ich bekomme sogar den Jahresurlaub und darf für 14 Tage nach Hause fahren. Meine Fahrt geht über Brest-Litowsk, Litzmannstadt, Warschau, Breslau, Schweidnitz, Hausdorf. Von hier werde ich mit der Kutsche abgeholt.

Als ich dann zurückkomme, hat die Einheit Stellungskrieg, beide Seiten gönnen sich eine Pause. Es sind inzwischen auch Bunker gebaut worden. Ab und zu hört man Abschüsse von der Artillerie. Die Geschützbedienung vom II. Geschütz sitzt zwischen den Holmen und spielt Skat. Ich grabe mit dem Spaten, sicherheitshalber, ein Splitterschutzloch. Man kann nie wissen! Da brummt es in der Luft, man hört auch schon, daß in der Nähe Bomben fallen. Da sage ich noch zu den Spielern, die tun uns hier nichts mehr, die haben schon abgeladen. Aber, da kommt einer, genau in unsere Richtung, öffnet die Luken und 4 Bomben wackeln auf uns zu! Ach, du Scheiße, die kommen genau hier her! ----- Ich verkrieche mich im Ein-Mann-Splitterschutzloch. Es knallt und kracht, die Splitter und der Dreck fliegen über das Loch.

Das Geschütz total im Eimer und die Mannschaft schwer verwundet Ich denke wieder an den Schutzengel und der hilft mir noch oft! -----

Die Geschütze sind kaputt und ich werde Meldereiter. Mein Chef ist jetzt ein großer, breitschultriger, rothaariger Ostpreuße. Er heißt „Weier“. Wenn er telefoniert, meldet er sich: „Hier ist Oberleutnant Weier, großes W und kleine Eier.“ Er sagt zu mir, Jauernick, da unten im Tal ist eine Kolchose, reiten Sie mal dahin und gucken, ob da Hühner sind. Ich habe so Appetit auf ein gebratenes Huhn! An der Front war es still, mit etwas Schiß reite ich hin, mit dem Huhn das klappt. Es steht sogar mitten auf dem Hof ein Backofenhäuschen aus Holzbalken. Das Huhn in heißem Wasser gebrüht, gerupft, gewaschen und ausgenommen. Das klappte prima, da hingen sogar Pfannen an der Wand! Fett in die Pfanne, das Huhn in das heiße Fett, Pfeffer und Salz hatte ich mit. Nach etwa einer viertel Stunde hebe ich den Deckel, da höre ich, von weit her einen Abschuß, das Huhn schön braun, ehe ich mich freuen kann, könnte ich heulen, denn die Granatsplitter zerfetzen die Holzbalken. Der Staub und Dreck auch Holzsplitter bedecken das braungebackene Tier. Rechts und links, wo ich stand, waren die Holzbalken von Splittern zerfetzt und ich stand mittendrin! Ist das nicht Glück? Es kommen noch zwei Abschüsse, aber sie treffen nicht mehr diese Bude. Als ich zurückreite, wartet schon mein Chef auf mich: „Jauernick, ich hatte verdammte Angst um sie, ich hatte sie schon auf die Vermißtenliste gesetzt.“

Einige Tage später wurde ich an der Ferse operiert und mußte ------- wieder einmal ins Lazarett, diesmal in Warschau und nach etwa einer Woche nach Lähn, im Riesengebirge. Als ich wieder Laufen konnte, kam ich erst nach Baumholder, von hier wieder an die Ostfront.

Mit meinem Chef mußte ich zur B-Stelle (Beobachtungsstelle) reiten, direkt an der Front, Frontkämpferpäckchen abgeben. Der nächste Weg dahin führte durch einen Wald, der voller Sumpflöcher war. Die Löcher kannte ich schon, die waren zum Teil unberechenbar. So schlug ich dem Chef vor, vorneweg zu reiten, weil ich wußte, daß er die hinterlistigen Wasserlöcher nicht kannte. „Jauernick, ich reite vorneweg! Es dauerte nicht lange, da sank sein Pferd mit den Vorderfüßen tief in den Schlamm und mein Herr Oberleutnant machte einen tollen Salto über den Kopf des Pferdes. Ich durfte ja nicht lachen, aber als er sich aus dem Schlamm aufrappelte, war er von oben bis unten voller Matsche! Wer nicht hören will, muß fühlen! -----

Nicht immer haben die Offiziere recht, ich habe es erlebt bei Orscha. Unsere Batterie hat sich um einen großen Strohschober zu einer Pause gelagert. Der Herr Chef ritt allein ins Gelände, um zu prüfen, wo wir am besten in Stellung gehen könnten. Als er zurückkommt, befiehlt er den Weitermarsch mit den Geschützen. . Ich hatte noch mein liebes Reitpferdchen Minka, ein geflecktes Schimmelchen.

In den Munitionswagen lagen zum Teil Verwundete, weil wir sowieso auf dem Rückzug nicht verteidigen konnten. Dazu kam es aber nicht mehr, in einer halbrunden Schützenkette kommt der Russe an und jagt uns in den dort liegenden Sumpf. Um zu entkommen, müssen wir alle über eine Schmalspurbahn, die am Sumpf vorbei führt, die einzige Möglichkeit, um nicht den Russen in die Hände zu fallen! Auf der andern Seite ist nur Sumpf, aber wir müssen über die Gleise, die höher liegen – auf dem Damm! Die Fahrer der Geschütze und Munitionswagen ------  müssen und können nur noch über die Gleise, aber die Pferde, 4-spännig, verstricken sich in den Sielengeschirren, weil sie alle den Hang hinunterfallen, in den Sumpf. Die Verwundeten schreien in den umgekippten Wagen, nach dem Arzt, nach dem Sanitäter und auch nach der Mutter. Der Morast, das Wasser, löscht alles Leben aus. Auch ich muß mein liebes Schimmelchen zurücklassen. Als nur noch der Kopf aus dem saugenden Sumpf herausguckt, wiehert es noch nach mir hin und versank!

Ich habe bei dieser Flucht geheult, wie ein kleines Kind! Wenn man heute von „Helden“ spricht, was sind Helden?

Der Schutzengel hat es mit mir wieder gut gemeint ! ----- Aber mein armes Pferdchen ist versunken und ich konnte ihm nicht helfen.

Diese letzten Berichte sind von den Kämpfen Jelnja – Dorogobusch und Gorki, 1943, an der Pantherstellung.

Mit einem Mittelhandbruch schickt man mich erst einmal in die Krankenstation. Nach einigen Wochen kommen ich zur Truppe zurück, sie liegt bei Orscha, wird aber bald verlegt in den Raum in den Raum Gorodok, Newel, wo eine Gegenoffensive gestartet werden soll.

Ich habe jetzt ein anderes Pferd und unternehme mit dem Chef einen flotten Geländeritt in einem großen Wiesengelände, eingerahmt von Sträuchern, auch ein kleines Bächlein plätschert in vielen Kurven dahin. Es macht Spaß, denn es ist schönes Wetter! In der einen Kurve ist eine kleine Holzbrücke, der Chef ist schon drüber weg und mein Pferd schiebt beim Galopp die Rundhölzer zusammen. Die Vorderbeine sacken in den Bach und ich mache einen Salto über den Kopf des Pferdes und bleibe mit dem linken Fuß im Steigbügel hängen. Die dabei verdrehte Stelle im Knie habe ich noch viele Jahre mit leichtem Schmerz gemerkt.

Hier bei Gorodino, Schumolino, Obol ist reines Partisanengebiet. Es werden wiederholt Nachschubzüge gesprengt. Wir müssen uns ans Hungern gewöhnen, es gibt schon lange nur Kartoffelsuppe, Erbsensuppe und Linsensuppe. Ab und zu reicht es mal für Nudeln mit Gulasch.

Die Amis helfen den Russen mit vielen Bombengeschwadern. Unsere eigenen Flugzeuge, Panzer und die sonstigen motorisierten Fahrzeuge bekommen nur sehr wenig Sprit! Die Wehrkraft ist fast im Eimer. Da denke ich oft an die Worte, die ein Gast in unserem Gasthof meinem Vater sagte: Du Karl, paß mal auf, die deutschen Truppen werden sich in diesem Riesenreich totlaufen und so schnell zurückgetrieben werden, daß sie sich die braunen Hosen vollscheißen. Er meinte damit die fanatischen Hitleranhänger. Zu meinem Vater konnte er das sagen, denn mein Vater war ein Erzgegner von den Hitlergenossen!

So ging es auch mit den deutschen Truppen ständig zurück, sie waren ziemlich machtlos geworden.

Von der Düna, Ulla, Uschatschi wurden die deutschen Truppen nach dem Abschnitt Raseinen verlegt. Im September 1944 weiterer Rückzug an den Brückenkopf am Narew. Der Rückzug erfolgte von Zichenau – Nasielsk.

 

Als wir eines Tages in Dorogobusch ankommen, will man uns das Leben etwas verschönern, hier ist nämlich, bis jetzt noch, die Frontbühne. Wir dürfen uns an einem Film mit Marika Rökk erfreuen. So lange, schöne tanzende Frauenbeine haben auch sehr lange nicht gesehen. Ich bekomme sogar den Jahresurlaub und darf für 14 Tage nach Hause fahren. Meine Fahrt geht über Brest-Litowsk, Litzmannstadt, Warschau, Breslau, Schweidnitz, Hausdorf. Von hier werde ich mit der Kutsche abgeholt.

Als ich dann zurückkomme, hat die Einheit Stellungskrieg, beide Seiten gönnen sich eine Pause. Es sind inzwischen auch Bunker gebaut worden. Ab und zu hört man Abschüsse von der Artillerie. Die Geschützbedienung vom II. Geschütz sitzt zwischen den Holmen und spielt Skat. Ich grabe mit dem Spaten, sicherheitshalber, ein Splitterschutzloch. Man kann nie wissen! Da brummt es in der Luft, man hört auch schon, daß in der Nähe Bomben fallen. Da sage ich noch zu den Spielern, die tun uns hier nichts mehr, die haben schon abgeladen. Aber, da kommt einer, genau in unsere Richtung, öffnet die Luken und 4 Bomben wackeln auf uns zu! Ach, du Scheiße, die kommen genau hier her! ----- Ich verkrieche mich im Ein-Mann-Splitterschutzloch. Es knallt und kracht, die Splitter und der Dreck fliegen über das Loch.

Das Geschütz total im Eimer und die Mannschaft schwer verwundet Ich denke wieder an den Schutzengel und der hilft mir noch oft! -----

Die Geschütze sind kaputt und ich werde Meldereiter. Mein Chef ist jetzt ein großer, breitschultriger, rothaariger Ostpreuße. Er heißt „Weier“. Wenn er telefoniert, meldet er sich: „Hier ist Oberleutnant Weier, großes W und kleine Eier.“ Er sagt zu mir, Jauernick, da unten im Tal ist eine Kolchose, reiten Sie mal dahin und gucken, ob da Hühner sind. Ich habe so Appetit auf ein gebratenes Huhn! An der Front war es still, mit etwas Schiß reite ich hin, mit dem Huhn das klappt. Es steht sogar mitten auf dem Hof ein Backofenhäuschen aus Holzbalken. Das Huhn in heißem Wasser gebrüht, gerupft, gewaschen und ausgenommen. Das klappte prima, da hingen sogar Pfannen an der Wand! Fett in die Pfanne, das Huhn in das heiße Fett, Pfeffer und Salz hatte ich mit. Nach etwa einer viertel Stunde hebe ich den Deckel, da höre ich, von weit her einen Abschuß, das Huhn schön braun, ehe ich mich freuen kann, könnte ich heulen, denn die Granatsplitter zerfetzen die Holzbalken. Der Staub und Dreck auch Holzsplitter bedecken das braungebackene Tier. Rechts und links, wo ich stand, waren die Holzbalken von Splittern zerfetzt und ich stand mittendrin! Ist das nicht Glück? Es kommen noch zwei Abschüsse, aber sie treffen nicht mehr diese Bude. Als ich zurückreite, wartet schon mein Chef auf mich: „Jauernick, ich hatte verdammte Angst um sie, ich hatte sie schon auf die Vermißtenliste gesetzt.“

Einige Tage später wurde ich an der Ferse operiert und mußte ------- wieder einmal ins Lazarett, diesmal in Warschau und nach etwa einer Woche nach Lähn, im Riesengebirge. Als ich wieder Laufen konnte, kam ich erst nach Baumholder, von hier wieder an die Ostfront.

Mit meinem Chef mußte ich zur B-Stelle (Beobachtungsstelle) reiten, direkt an der Front, Frontkämpferpäckchen abgeben. Der nächste Weg dahin führte durch einen Wald, der voller Sumpflöcher war. Die Löcher kannte ich schon, die waren zum Teil unberechenbar. So schlug ich dem Chef vor, vorneweg zu reiten, weil ich wußte, daß er die hinterlistigen Wasserlöcher nicht kannte. „Jauernick, ich reite vorneweg! Es dauerte nicht lange, da sank sein Pferd mit den Vorderfüßen tief in den Schlamm und mein Herr Oberleutnant machte einen tollen Salto über den Kopf des Pferdes. Ich durfte ja nicht lachen, aber als er sich aus dem Schlamm aufrappelte, war er von oben bis unten voller Matsche! Wer nicht hören will, muß fühlen! -----

Nicht immer haben die Offiziere recht, ich habe es erlebt bei Orscha. Unsere Batterie hat sich um einen großen Strohschober zu einer Pause gelagert. Der Herr Chef ritt allein ins Gelände, um zu prüfen, wo wir am besten in Stellung gehen könnten. Als er zurückkommt, befiehlt er den Weitermarsch mit den Geschützen. . Ich hatte noch mein liebes Reitpferdchen Minka, ein geflecktes Schimmelchen.

In den Munitionswagen lagen zum Teil Verwundete, weil wir sowieso auf dem Rückzug nicht verteidigen konnten. Dazu kam es aber nicht mehr, in einer halbrunden Schützenkette kommt der Russe an und jagt uns in den dort liegenden Sumpf. Um zu entkommen, müssen wir alle über eine Schmalspurbahn, die am Sumpf vorbei führt, die einzige Möglichkeit, um nicht den Russen in die Hände zu fallen! Auf der andern Seite ist nur Sumpf, aber wir müssen über die Gleise, die höher liegen – auf dem Damm! Die Fahrer der Geschütze und Munitionswagen ------  müssen und können nur noch über die Gleise, aber die Pferde, 4-spännig, verstricken sich in den Sielengeschirren, weil sie alle den Hang hinunterfallen, in den Sumpf. Die Verwundeten schreien in den umgekippten Wagen, nach dem Arzt, nach dem Sanitäter und auch nach der Mutter. Der Morast, das Wasser, löscht alles Leben aus. Auch ich muß mein liebes Schimmelchen zurücklassen. Als nur noch der Kopf aus dem saugenden Sumpf herausguckt, wiehert es noch nach mir hin und versank!

Ich habe bei dieser Flucht geheult, wie ein kleines Kind! Wenn man heute von „Helden“ spricht, was sind Helden?

Der Schutzengel hat es mit mir wieder gut gemeint ! ----- Aber mein armes Pferdchen ist versunken und ich konnte ihm nicht helfen.

Diese letzten Berichte sind von den Kämpfen Jelnja – Dorogobusch und Gorki, 1943, an der Pantherstellung.

Mit einem Mittelhandbruch schickt man mich erst einmal in die Krankenstation. Nach einigen Wochen kommen ich zur Truppe zurück, sie liegt bei Orscha, wird aber bald verlegt in den Raum in den Raum Gorodok, Newel, wo eine Gegenoffensive gestartet werden soll.

Ich habe jetzt ein anderes Pferd und unternehme mit dem Chef einen flotten Geländeritt in einem großen Wiesengelände, eingerahmt von Sträuchern, auch ein kleines Bächlein plätschert in vielen Kurven dahin. Es macht Spaß, denn es ist schönes Wetter! In der einen Kurve ist eine kleine Holzbrücke, der Chef ist schon drüber weg und mein Pferd schiebt beim Galopp die Rundhölzer zusammen. Die Vorderbeine sacken in den Bach und ich mache einen Salto über den Kopf des Pferdes und bleibe mit dem linken Fuß im Steigbügel hängen. Die dabei verdrehte Stelle im Knie habe ich noch viele Jahre mit leichtem Schmerz gemerkt.

Hier bei Gorodino, Schumolino, Obol ist reines Partisanengebiet. Es werden wiederholt Nachschubzüge gesprengt. Wir müssen uns ans Hungern gewöhnen, es gibt schon lange nur Kartoffelsuppe, Erbsensuppe und Linsensuppe. Ab und zu reicht es mal für Nudeln mit Gulasch.

Die Amis helfen den Russen mit vielen Bombengeschwadern. Unsere eigenen Flugzeuge, Panzer und die sonstigen motorisierten Fahrzeuge bekommen nur sehr wenig Sprit! Die Wehrkraft ist fast im Eimer. Da denke ich oft an die Worte, die ein Gast in unserem Gasthof meinem Vater sagte: Du Karl, paß mal auf, die deutschen Truppen werden sich in diesem Riesenreich totlaufen und so schnell zurückgetrieben werden, daß sie sich die braunen Hosen vollscheißen. Er meinte damit die fanatischen Hitleranhänger. Zu meinem Vater konnte er das sagen, denn mein Vater war ein Erzgegner von den Hitlergenossen!

So ging es auch mit den deutschen Truppen ständig zurück, sie waren ziemlich machtlos geworden.

Von der Düna, Ulla, Uschatschi wurden die deutschen Truppen nach dem Abschnitt Raseinen verlegt. Im September 1944 weiterer Rückzug an den Brückenkopf am Narew. Der Rückzug erfolgte von Zichenau – Nasielsk.

Die Front hat sich wieder beruhigt, ---- so können wir die Zugpferde nach einigen eisigen Wochen, in einem großen Stall auf einer Kolchose unterbringen. Gott sei ewig Lob und Dank, auch ich kann mir nach dem Versorgen der Pferde, ein Plätzchen im Stroh zum Schlafen suchen. Seit Wochen das erste Mal kann ich mir die Schuh ausziehen! Ach du lieber Himmel, ich hätte in den letzten Tagen in den Waldgebieten heulen können vor Schmerzen, bei der eisigen Kälte, jetzt sehe ich auch, warum! An den Socken bleiben zwei Fußnägel hängen, sie sind abgefroren. Ein Arzt war nicht bei uns, aber ein Veterinär, für die Behandlung von Pferden. Als er das sieht, sagt er nur „oh“ und streut mir ein Puder drauf. Ich kann weder in Schuhe, noch in Stiefel. Da kommt auch schon ein Überfall von den Iwans. Ganz schnell zerreiße ich eine Pferdedecke und wickle beide Füße ein. Da kommt auch schon der Chef und schreit, alles sofort marschbereit machen, anspannen zum Rückzug! Wer nicht schnell genug ist, fällt dem Russen in die Hände. Ich hole meine beiden Pferde und „möchte“ wohl noch anspannen, aber ---- da tritt mir ein Pferd auf die Fußlappen und ich stehe barfuß im eiskalten Schnee. Beim Laufen ist jeder Fußabdruck im Schnee blutig! Einer der Kameraden sieht das und setzt mich auf einem Munitionswagen auf den Bock! Beide Seiten der Rollbahn sind vom Iwan besetzt, ich sitze als Zielscheibe auf dem Bock des Wagens, denn laufen kann ich nicht mehr. Aber, ich hatte wohl einen Schutzengel, denn kein Schuß fiel auf mich. Unser Chef wurde auf einem Schlitten vorbeigefahren, er hatte einen Bauchschuß abbekommen. Als unsere Einheit etwa 20 km Rückzug hinter sich hatte, trat wieder etwas Ruhe ein. Ein Offizier ließ den Rest seiner Truppe antreten. Da wurden erst einmal die Verwundeten und die mit Erfrierungen aussortiert. Ich noch am selben Tag, abends, auf den Hauptverbandsplatz. In einem gedeckten Plattenwagen, der mit etwas Stroh ausgelegt war, wurden wir durch die eiskalte Nacht und den dicken Schnee gefahren. Es war so kalt, daß im Wagen jedes Eisenteil eine weiße Mütze aufhatte. Einige Male mußte uns der Fahrer des Lkw und sein Beifahrer aus den Schneewehen herausschaufeln. Als wir am Verbandsplatz ankamen, bekommen wir etwas Warmes zu trinken und ein Käsebrot, das schon sehr trocken war. Heute war Heiliger Abend, wir liegen auf Stroh, bis zur Abfahrt ins Lazarett Gschatzk, das etwa 80 km von Moskau entfernt ist.

Erst werden Verwundete und Soldaten, die Erfrierungen haben, mit neuen Verbänden versorgt, denn die Läuse machen allen zu schaffen, denn sie machen sich über die eitrigen Wunden her! Am frühen Morgen kommt ein Krankenwagen und holt uns ab. Hier im Lazarett können wir erst einmal anständig baden und bekommen frische Wäsche. Ein Kumpel von mir, mit dem ich bis zu meinem weiteren Abtransport in ein Heimatlazarett, ständig zusammen war, hatte nur die Fingerspitzen angefroren. Er konnte laufen und holte ab und zu unsere Feldpost. Manchmal kam sogar ein 100-g-Päckchenmit Speck an, was wir uns dann geteilt haben. Er bekam in diesen Tagen die Gelbsucht und mußte zurückbleiben in Gschatzk und wir haben uns nicht wiedergesehen. Er war fast ein Freund. Nach 26 Jahren lese ich im „Wüstewaltersdorfer Heimatboten“ seine Anschrift! Ich schreibe von Coesfeld aus und meine Nachricht bekommt er genau an seinem Geburtstag! Die Freude war so groß, daß er sofort antwortete, Mensch Ernst, das war mein allerschönstes Geburtstagsgeschenk! --------

Mein Lazarettzug fuhr durch die russische Landschaft bis Brest-Litowsk. Hier wieder Entlausung, frische Wäsche, gute Verpflegung und ein weißes Bett. Mannometer, man kam sich vor, wie Graf Rotz! Aber ----- ich habe die erste Nacht im molligen Bett so gut geschlafen, daß ich das Bett vollgepinkelt habe, so daß noch eine Lache unter dem Bett hervorlief. Als am Morgen die hübschen jungen Schwestern das erste tolle Frühstück ans Bett bringen, sahen sie die Bescherung. Ich hätte vor Scham ins kleinste Mauseloch kriechen wollen, konnte mich aber nur entschuldigen. Da lachte die Schwester und sagte, Sie brauchen sich bestimmt nicht zuschämen, denn das passiert allen, die von der Ostfront kommen und die eisige Kälte von 45 Grad ertragen mußten! Hier wurde ich 14 Tage fast verwöhnt und dann mit dem Lazarettzug von Brest-Litowsk nach Wien verlegt. Hier wieder Entlausung, frische Wäsche und ein frisches, weiches Bett. Schlimm war für uns, daß uns sämtliche Körperhaare abgeschnitten bzw. abrasiert wurden. Offiziere blieben von dieser Prozedur verschont. Wenn man in den Spiegel sah, kam man sich vor, wie ein Zuchthäusler. Sonst war es in Wien sehr schön, besonders dann, als ich nach Wochen wieder Schuhe anziehen konnte!

Von Wie aus bekam ich, vor der Abfahrt an die Ostfront, 1 Tage Genesungsurlaub. Danach mußte ich mich beim Ersatzhaufen in Königshütte melden und wurde nach wenigen Tagen wieder an die Front geschickt.

Hier bei Gschatzk werde ich zur II. Abteilung der Artillerie, kommandiert. Es ist die leichte Artillerie, 10,5 cm Geschütze, erst als Meldereiter dann auch am Geschütz eingeteilt. Noch ist Stellungskrieg, wir hausen in Bunkern, die Einheiten werden neu aufgestellt.

Das Leben im Bunker ist fürchterlich, mit mehreren Mann schlafen, die Schweißsocken stinken zum Himmel, alle furzen – sicher, das ist menschlich, wenn aber dann noch in diesem Gemeinschaftsraum getrunken und gegessen werden muß, da schmecken Essen und Kaffee nicht mehr. Das wiederholt sich während des ganzen Rückzuges. Der Russe wird immer stärker und die deutsche Armee ----- immer schwächer! Es bleiben meist nur Abwehrkämpfe und Rückzugsmöglichkeiten. An einen Sieg glaubt keiner mehr, man darf es nur nicht laut sagen! Scheiß-Krieg! Daß Hitler, der Kriegsverbrecher, mit seinem Gefolge in bombensicheren Bunkern Sicherheit genießt, dürfen wir nur denken! Die Soldaten müssen nur den Arsch hinhalten und den Mund halten! -------

Ein Rückzug nach dem anderen, wenig Gegenwehr, es fehlt an allem. Essen aus der Gulaschkanone, fast jeden Tag Graupen, Erbsen, Linsen und Kartoffelsuppe. Mit dieser Suppe habe ich eine dicke, schwarze, glänzende Kakerlake auf dem Löffel. Vor Ekel und Wut werfe ich das Kochgeschirr mit Inhalt weit in die Landschaft. Mir ist der Appetit vergangen!

Wieder kommt ein Stellungswechsel, die armen Pferde müssen sofort eingespannt werden und über den langen Knüppeldamm zur Feuerstellung der 4 Geschütze, nach dem Waldrand in Grebenzi gebracht werden. Der Russe ist aber fast ehre da, als wir, denn wir können nicht mehr weg. Mit einem Geschrei und „uhrää, uhrää“ kommen sie an, die Maschinenpistole unter dem Arm, schon im Anschlag und besetzen so ganz einfach unsere Geschütze. Unsere ganzen eigenen Sachen liegen in den Protzen und sind auch vereinnahmt – weg für immer!

Als ich meinen Karabiner zur Verteidigung über beide Pferderücken in Anschlag bringe, saust mir ein Geschoß vom Russen direkt am linken Auge und Ohr vorbei, aber schlitzt mit, Gott sei Dank, nur die Haut auf. Wieder einmal hatte ich einen Schutzengel! Natürlich blieb mir nur das Fliehen durch den Wald. An einer Anhöhe kam ich heraus, rannte, wie ein Stoppelhase, denn der Russe konnte die Fläche einsehen und noch einmal hatte ich Glück, denn hinter dem Hügel fand ich meine versprengte Einheit. Der Chef kam sofort und freute sich, Mensch Jauernick, meinte er, ich habe sie schon als vermißt geglaubt! Ich bekam von ihm sofort eine Zigarette und das blutunterlaufene Auge wurde behandelt. Einen Gegenangriff, am nächsten Tag, brauchte ich nicht mitzumachen. So, wie ich hörte, war er sowieso erfolglos Bis wir wieder Geschütze bekamen, das dauerte. Inzwischen wurden wir auf andere Einheiten aufgeteilt.

Es geht wieder einmal zurück, bei Gorki ist die neue Stellung. Hier sehe ich eines Tages von einem Splitterloch her einen Luftkampf zwischen deutschen und russischen Fliegern, daß einem Angst und Bange wird. Ich kann alles beobachten, wenn ich den Kopf aus dem Loch stecke. Jagdflugzeuge rasen durch die Luft, von beiden Seiten schießt die Flak. Ich zähle 11 Flugzeuge, die abstürzen, einem reißt die ganze Kanzel ab, das Flugzeug kommt kopfüber herunter, die Besatzung mit. Andere kommen heruntergepurzelt, weil die Tragflächen abgeschossen wurden.

Es geht in den nächsten Tagen wieder zurück, oft bleibt nur noch eine kleiner Schlauch, wo wir noch durchkommen können. Der Russe fängt an, seine eigenen Dörfer niederzubrennen, damit wir behindert werden, uns irgendwo zu erholen. Inzwischen piesacken uns die Läuse und wenn wir mal eine alte Scheune oder einen Stall für eine Pause erwischen, kommen noch die Ratten und Mäuse, die uns auch nicht leiden mögen!

 

 

Einige Tage später wurde ich an der Ferse operiert und mußte ------- wieder einmal ins Lazarett, diesmal in Warschau und nach etwa einer Woche nach Lähn, im Riesengebirge. Als ich wieder Laufen konnte, kam ich erst nach Baumholder, von hier wieder an die Ostfront.

Mit meinem Chef mußte ich zur B-Stelle (Beobachtungsstelle) reiten, direkt an der Front, Frontkämpferpäckchen abgeben. Der nächste Weg dahin führte durch einen Wald, der voller Sumpflöcher war. Die Löcher kannte ich schon, die waren zum Teil unberechenbar. So schlug ich dem Chef vor, vorneweg zu reiten, weil ich wußte, daß er die hinterlistigen Wasserlöcher nicht kannte. „Jauernick, ich reite vorneweg! Es dauerte nicht lange, da sank sein Pferd mit den Vorderfüßen tief in den Schlamm und mein Herr Oberleutnant machte einen tollen Salto über den Kopf des Pferdes. Ich durfte ja nicht lachen, aber als er sich aus dem Schlamm aufrappelte, war er von oben bis unten voller Matsche! Wer nicht hören will, muß fühlen! -----

Nicht immer haben die Offiziere recht, ich habe es erlebt bei Orscha. Unsere Batterie hat sich um einen großen Strohschober zu einer Pause gelagert. Der Herr Chef ritt allein ins Gelände, um zu prüfen, wo wir am besten in Stellung gehen könnten. Als er zurückkommt, befiehlt er den Weitermarsch mit den Geschützen. . Ich hatte noch mein liebes Reitpferdchen Minka, ein geflecktes Schimmelchen.

In den Munitionswagen lagen zum Teil Verwundete, weil wir sowieso auf dem Rückzug nicht verteidigen konnten. Dazu kam es aber nicht mehr, in einer halbrunden Schützenkette kommt der Russe an und jagt uns in den dort liegenden Sumpf. Um zu entkommen, müssen wir alle über eine Schmalspurbahn, die am Sumpf vorbei führt, die einzige Möglichkeit, um nicht den Russen in die Hände zu fallen! Auf der andern Seite ist nur Sumpf, aber wir müssen über die Gleise, die höher liegen – auf dem Damm! Die Fahrer der Geschütze und Munitionswagen ------  müssen und können nur noch über die Gleise, aber die Pferde, 4-spännig, verstricken sich in den Sielengeschirren, weil sie alle den Hang hinunterfallen, in den Sumpf. Die Verwundeten schreien in den umgekippten Wagen, nach dem Arzt, nach dem Sanitäter und auch nach der Mutter. Der Morast, das Wasser, löscht alles Leben aus. Auch ich muß mein liebes Schimmelchen zurücklassen. Als nur noch der Kopf aus dem saugenden Sumpf herausguckt, wiehert es noch nach mir hin und versank!

Ich habe bei dieser Flucht geheult, wie ein kleines Kind! Wenn man heute von „Helden“ spricht, was sind Helden?

Der Schutzengel hat es mit mir wieder gut gemeint ! ----- Aber mein armes Pferdchen ist versunken und ich konnte ihm nicht helfen.

Diese letzten Berichte sind von den Kämpfen Jelnja – Dorogobusch und Gorki, 1943, an der Pantherstellung.

Mit einem Mittelhandbruch schickt man mich erst einmal in die Krankenstation. Nach einigen Wochen kommen ich zur Truppe zurück, sie liegt bei Orscha, wird aber bald verlegt in den Raum in den Raum Gorodok, Newel, wo eine Gegenoffensive gestartet werden soll.

Ich habe jetzt ein anderes Pferd und unternehme mit dem Chef einen flotten Geländeritt in einem großen Wiesengelände, eingerahmt von Sträuchern, auch ein kleines Bächlein plätschert in vielen Kurven dahin. Es macht Spaß, denn es ist schönes Wetter! In der einen Kurve ist eine kleine Holzbrücke, der Chef ist schon drüber weg und mein Pferd schiebt beim Galopp die Rundhölzer zusammen. Die Vorderbeine sacken in den Bach und ich mache einen Salto über den Kopf des Pferdes und bleibe mit dem linken Fuß im Steigbügel hängen. Die dabei verdrehte Stelle im Knie habe ich noch viele Jahre mit leichtem Schmerz gemerkt.

Hier bei Gorodino, Schumolino, Obol ist reines Partisanengebiet. Es werden wiederholt Nachschubzüge gesprengt. Wir müssen uns ans Hungern gewöhnen, es gibt schon lange nur Kartoffelsuppe, Erbsensuppe und Linsensuppe. Ab und zu reicht es mal für Nudeln mit Gulasch.

Die Amis helfen den Russen mit vielen Bombengeschwadern. Unsere eigenen Flugzeuge, Panzer und die sonstigen motorisierten Fahrzeuge bekommen nur sehr wenig Sprit! Die Wehrkraft ist fast im Eimer. Da denke ich oft an die Worte, die ein Gast in unserem Gasthof meinem Vater sagte: Du Karl, paß mal auf, die deutschen Truppen werden sich in diesem Riesenreich totlaufen und so schnell zurückgetrieben werden, daß sie sich die braunen Hosen vollscheißen. Er meinte damit die fanatischen Hitleranhänger. Zu meinem Vater konnte er das sagen, denn mein Vater war ein Erzgegner von den Hitlergenossen!

So ging es auch mit den deutschen Truppen ständig zurück, sie waren ziemlich machtlos geworden.

Von der Düna, Ulla, Uschatschi wurden die deutschen Truppen nach dem Abschnitt Raseinen verlegt. Im September 1944 weiterer Rückzug an den Brückenkopf am Narew. Der

Als wir eines Tages in Dorogobusch ankommen, will man uns das Leben etwas verschönern, hier ist nämlich, bis jetzt noch, die Frontbühne. Wir dürfen uns an einem Film mit Marika Rökk erfreuen. So lange, schöne tanzende Frauenbeine haben auch sehr lange nicht gesehen. Ich bekomme sogar den Jahresurlaub und darf für 14 Tage nach Hause fahren. Meine Fahrt geht über Brest-Litowsk, Litzmannstadt, Warschau, Breslau, Schweidnitz, Hausdorf. Von hier werde ich mit der Kutsche abgeholt.

Als ich dann zurückkomme, hat die Einheit Stellungskrieg, beide Seiten gönnen sich eine Pause. Es sind inzwischen auch Bunker gebaut worden. Ab und zu hört man Abschüsse von der Artillerie. Die Geschützbedienung vom II. Geschütz sitzt zwischen den Holmen und spielt Skat. Ich grabe mit dem Spaten, sicherheitshalber, ein Splitterschutzloch. Man kann nie wissen! Da brummt es in der Luft, man hört auch schon, daß in der Nähe Bomben fallen. Da sage ich noch zu den Spielern, die tun uns hier nichts mehr, die haben schon abgeladen. Aber, da kommt einer, genau in unsere Richtung, öffnet die Luken und 4 Bomben wackeln auf uns zu! Ach, du Scheiße, die kommen genau hier her! ----- Ich verkrieche mich im Ein-Mann-Splitterschutzloch. Es knallt und kracht, die Splitter und der Dreck fliegen über das Loch.

Das Geschütz total im Eimer und die Mannschaft schwer verwundet Ich denke wieder an den Schutzengel und der hilft mir noch oft! -----

Die Geschütze sind kaputt und ich werde Meldereiter. Mein Chef ist jetzt ein großer, breitschultriger, rothaariger Ostpreuße. Er heißt „Weier“. Wenn er telefoniert, meldet er sich: „Hier ist Oberleutnant Weier, großes W und kleine Eier.“ Er sagt zu mir, Jauernick, da unten im Tal ist eine Kolchose, reiten Sie mal dahin und gucken, ob da Hühner sind. Ich habe so Appetit auf ein gebratenes Huhn! An der Front war es still, mit etwas Schiß reite ich hin, mit dem Huhn das klappt. Es steht sogar mitten auf dem Hof ein Backofenhäuschen aus Holzbalken. Das Huhn in heißem Wasser gebrüht, gerupft, gewaschen und ausgenommen. Das klappte prima, da hingen sogar Pfannen an der Wand! Fett in die Pfanne, das Huhn in das heiße Fett, Pfeffer und Salz hatte ich mit. Nach etwa einer viertel Stunde hebe ich den Deckel, da höre ich, von weit her einen Abschuß, das Huhn schön braun, ehe ich mich freuen kann, könnte ich heulen, denn die Granatsplitter zerfetzen die Holzbalken. Der Staub und Dreck auch Holzsplitter bedecken das braungebackene Tier. Rechts und links, wo ich stand, waren die Holzbalken von Splittern zerfetzt und ich stand mittendrin! Ist das nicht Glück? Es kommen noch zwei Abschüsse, aber sie treffen nicht mehr diese Bude. Als ich zurückreite, wartet schon mein Chef auf mich: „Jauernick, ich hatte verdammte Angst um sie, ich hatte sie schon auf die Vermißtenliste gesetzt.“

Einige Tage später wurde ich an der Ferse operiert und mußte ------- wieder einmal ins Lazarett, diesmal in Warschau und nach etwa einer Woche nach Lähn, im Riesengebirge. Als ich wieder Laufen konnte, kam ich erst nach Baumholder, von hier wieder an die Ostfront.

Mit meinem Chef mußte ich zur B-Stelle (Beobachtungsstelle) reiten, direkt an der Front, Frontkämpferpäckchen abgeben. Der nächste Weg dahin führte durch einen Wald, der voller Sumpflöcher war. Die Löcher kannte ich schon, die waren zum Teil unberechenbar. So schlug ich dem Chef vor, vorneweg zu reiten, weil ich wußte, daß er die hinterlistigen Wasserlöcher nicht kannte. „Jauernick, ich reite vorneweg! Es dauerte nicht lange, da sank sein Pferd mit den Vorderfüßen tief in den Schlamm und mein Herr Oberleutnant machte einen tollen Salto über den Kopf des Pferdes. Ich durfte ja nicht lachen, aber als er sich aus dem Schlamm aufrappelte, war er von oben bis unten voller Matsche! Wer nicht hören will, muß fühlen! -----

Nicht immer haben die Offiziere recht, ich habe es erlebt bei Orscha. Unsere Batterie hat sich um einen großen Strohschober zu einer Pause gelagert. Der Herr Chef ritt allein ins Gelände, um zu prüfen, wo wir am besten in Stellung gehen könnten. Als er zurückkommt, befiehlt er den Weitermarsch mit den Geschützen. . Ich hatte noch mein liebes Reitpferdchen Minka, ein geflecktes Schimmelchen.

In den Munitionswagen lagen zum Teil Verwundete, weil wir sowieso auf dem Rückzug nicht verteidigen konnten. Dazu kam es aber nicht mehr, in einer halbrunden Schützenkette kommt der Russe an und jagt uns in den dort liegenden Sumpf. Um zu entkommen, müssen wir alle über eine Schmalspurbahn, die am Sumpf vorbei führt, die einzige Möglichkeit, um nicht den Russen in die Hände zu fallen! Auf der andern Seite ist nur Sumpf, aber wir müssen über die Gleise, die höher liegen – auf dem Damm! Die Fahrer der Geschütze und Munitionswagen ------  müssen und können nur noch über die Gleise, aber die Pferde, 4-spännig, verstricken sich in den Sielengeschirren, weil sie alle den Hang hinunterfallen, in den Sumpf. Die Verwundeten schreien in den umgekippten Wagen, nach dem Arzt, nach dem Sanitäter und auch nach der Mutter. Der Morast, das Wasser, löscht alles Leben aus. Auch ich muß mein liebes Schimmelchen zurücklassen. Als nur noch der Kopf aus dem saugenden Sumpf herausguckt, wiehert es noch nach mir hin und versank!

Ich habe bei dieser Flucht geheult, wie ein kleines Kind! Wenn man heute von „Helden“ spricht, was sind Helden?

Der Schutzengel hat es mit mir wieder gut gemeint ! ----- Aber mein armes Pferdchen ist versunken und ich konnte ihm nicht helfen.

Diese letzten Berichte sind von den Kämpfen Jelnja – Dorogobusch und Gorki, 1943, an der Pantherstellung.

Mit einem Mittelhandbruch schickt man mich erst einmal in die Krankenstation. Nach einigen Wochen kommen ich zur Truppe zurück, sie liegt bei Orscha, wird aber bald verlegt in den Raum in den Raum Gorodok, Newel, wo eine Gegenoffensive gestartet werden soll.

Ich habe jetzt ein anderes Pferd und unternehme mit dem Chef einen flotten Geländeritt in einem großen Wiesengelände, eingerahmt von Sträuchern, auch ein kleines Bächlein plätschert in vielen Kurven dahin. Es macht Spaß, denn es ist schönes Wetter! In der einen Kurve ist eine kleine Holzbrücke, der Chef ist schon drüber weg und mein Pferd schiebt beim Galopp die Rundhölzer zusammen. Die Vorderbeine sacken in den Bach und ich mache einen Salto über den Kopf des Pferdes und bleibe mit dem linken Fuß im Steigbügel hängen. Die dabei verdrehte Stelle im Knie habe ich noch viele Jahre mit leichtem Schmerz gemerkt.

Hier bei Gorodino, Schumolino, Obol ist reines Partisanengebiet. Es werden wiederholt Nachschubzüge gesprengt. Wir müssen uns ans Hungern gewöhnen, es gibt schon lange nur Kartoffelsuppe, Erbsensuppe und Linsensuppe. Ab und zu reicht es mal für Nudeln mit Gulasch.

Die Amis helfen den Russen mit vielen Bombengeschwadern. Unsere eigenen Flugzeuge, Panzer und die sonstigen motorisierten Fahrzeuge bekommen nur sehr wenig Sprit! Die Wehrkraft ist fast im Eimer. Da denke ich oft an die Worte, die ein Gast in unserem Gasthof meinem Vater sagte: Du Karl, paß mal auf, die deutschen Truppen werden sich in diesem Riesenreich totlaufen und so schnell zurückgetrieben werden, daß sie sich die braunen Hosen vollscheißen. Er meinte damit die fanatischen Hitleranhänger. Zu meinem Vater konnte er das sagen, denn mein Vater war ein Erzgegner von den Hitlergenossen!

So ging es auch mit den deutschen Truppen ständig zurück, sie waren ziemlich machtlos geworden.

Von der Düna, Ulla, Uschatschi wurden die deutschen Truppen nach dem Abschnitt Raseinen verlegt. Im September 1944 weiterer Rückzug an den Brückenkopf am Narew. Der Rückzug erfolgte von Zichenau – Nasielsk.

Rückzug erfolgte von Zichenau – Nasielsk.

 

osrfrberlin ostfrdresden ostfrtreck
Berlin, nach Bombenangriff Viele Kinder, die ihr Leben erst noch beginnen 
wollten, sind unter den 
Bombenopfern  (Dresden)
Grausamkeiten gegen die Zivilbevölkerung durch
die Rote Armee, war keine Erfindung der
 
Nazipropaganda. Viele Ostdeutsche versuchen nach
Westen zu entkommen.


infanteriedivision252
Divisionsgeschichte, der Name "Eichenblatt" bezieht sich auf die Landkarte Schlesiens


Hier endete für mich der Krieg im Osten, vorläufig! Ich kam noch einmal ins Lazarett. Mit dem letzten Lazarettzug, der noch über die Weichselbrücke fuhr, kam ich von Thorn nach Berlin! Hier erlebe ich diese wahnsinnigen Bombenangriffe, Nacht für Nacht.  Auf eigenen Wunsch wurde ich nach etwa 14 Tagen nach Hause entlassen. Inzwischen war Vater gestorben, das hatte ich nicht erfahren. Ein Platz am großen Eßtisch blieb leer. Als ich Vater auf dem Friedhof besuche, sehe ich mit Entsetzen, daß sich viel verändert hat, auf unserem Grundstück. Über unsere Felder fährt quer durch, bis in den Wolfsberg hinein, eine Schmalspurbahn, die das ganze Material für den Bunkerbau „Riese“ hineintransportiert. Der ganze Wald von 50 Morgen und etwa 25 Morgen Land, sind enteignet worden. Ein hoher Wall mit mehrfachem Stacheldraht, die Wachen mit geladenen Karabinern. Sie gehen auf und ab, so daß kein Mensch von uns mehr hinein kann. Auf einem großen Schild steht, ---- Halt! Kein Eingang! Hier wird geschossen! Der Russe wirft schon Flugblätter ab, die Bewohner sollen den Ort verlassen, er sei bald hier!

Ich kann noch meinen 25. Geburtstag (18. Februar 1945) zu Hause feiern. Mein Heimatdorf sollte ich nicht wiedersehen!

Ehe ich losfahren muß, packe ich noch einen großen Wagen mit den notwendigsten Sachen und vergrabe noch Vaters Jagdgewehre.

Am anderen Morgen muß ich nach Waldenburg, hier bekomme ich die Überweisung zu einer neuen Einheit, denn die 252. Eichenlaubdivision besteht nicht mehr!

Ein lautes Gebrüll und Geschrei am frühen Morgen. Als ich vom Fenster der Gaststube auf die Straße sehen kann, treibt man halbverhungerte, dem Tode ähnlich, zerlumpte Menschen vorbei. ----- Die Bewacher von beiden Seiten haben Stöcke und Knüppel in der Hand und machten manchmal auch Gebrauch davon. Vorneweg wurde eine riesige Kuhherde getrieben. ------

Ich dachte noch, wehe uns, wenn wir diesen Krieg verlieren!

Von Waldenburg aus muß ich zur 19. Panzerdivision in die Tschechei. Hier haben wir noch versucht zu kämpfen, aber auch hier half der Amerikaner kräftig. Habe ich schon die ständigen Bombennächte in Berlin erlebt, hier ist der Teufel los und die Tschechen machen uns das Leben zur Hölle. Am 8. Mai schießen wir noch mit dem 15 cm Geschütz einen russischen Panzer ab. Am frühen Morgen des 9. Mai 1945 ist, außer uns beiden am Geschütz, kein Soldat von uns mehr da. Die Führung und alle anderen waren weg, nur wir beide waren so blöd und haben nichts gemerkt! Vor uns, auf der einen Seite, eine Anhöhe auf der anderen Seite Wald, Wald, Wald --- nur etwa 60 km und ich wäre zu Hause. Wir waren hier in der Nähe von Deutsch-Brod. Aber, der Wald sitzt voller Partisanen. Wir werden uns nicht einig und gehen getrennte Wege. Meiner ist die Anhöhe – ich komme mir recht komisch vor, so alleine den Berg hinauf zu gehen! Es ist ein sonnig-heißer Tag. Ich komme ganz schön ins Schwitzen. Oben angelangt, liegt das Tal vor mir, der Anblick: Hunderte deutscher Gefangener werden von vielen russischen Posten bewacht. Ihre Karabiner mit aufgepflanztem, spitzen Bajonett, immer tief auf die Gefangenen gerichtet, die auf ihren Kochgeschirren sitzen müssen! -----

Da habe ich gedacht, du bist alleine, die knallen dich jeden Moment ab, aber nein, sie ließen mich kommen, ich war ja unbewaffnet. Aber sofort wurden meine sämtlichen Taschen ausgeräumt, das Koppelschloß, mit dem Hakenkreuz flog über Bord, Auszeichnungen abgerissen und in bereitstehende Behälter geworfen. Es blieb mir nichts, als die Uniform und das Kochgeschirr, auf das ich mich sofort zu setzen hatte. Alles andere war für immer weg, sogar das Soldbuch und die Hundemarke, die man um den Hals tragen mußte.

Abmarsch in 12-er Reihen nach Brünn, ins Zuchthaus. Hier kampieren wir alle auf dem Lehmboden. Am nächsten Tag ging es zum Bahnhof, mit 30 Mann im kleinen Viehwaggon, mit 60 Mann im großen, fuhr man uns von der Tschechei aus über Ungarn, Rumänien nach Konstanza. In der Mitte, im Fußboden ist ein kleines Loch, das WC für Gefangene. In Konstanza nimmt uns das rumänische Schiff „Transsilvania. auf und bringt uns nach Noverosisk von wo uns Lkw nach Krasnodar weitertransportieren.

Vier Jahren Krieg folgen viereinhalb Jahre Kriegsgefangenschaft, von der ich ja schon zuerst berichtet habe. Ein Wunder, daß ich diese lange, schwere Zeit überlebt habe, Millionen haben es nicht!

 

E N D E

 

Coesfeld, im März 2007,  Ernst Jauernick

 

Bei der Übertragung der Erinnerungen habe ich bewußt nicht chronologisch aneinander gereiht, sondern bin der  Reihenfolge des Niederschreibens gefolgt. Manche Ereignisse tauchen zweimal auf, da ja ursprünglich eine Niederschrift der Kriegserlebnisse nicht vorgesehen war. So sind mitunter Einzelheiten hinzugekommen, wodurch die wenigen sich wiederholenden Einzelereignisse nicht stören.

Auf meine Frage, ob ihm Vergewaltigungen durch Angehörige seiner Einheit in Rußland bekannt geworden sind, antwortete mir Ernst Jauernick mit „Nein!“

 

Digitalisiert, mit Bildern aus dem Buch „Der zweite Weltkrieg“, von Heinz Bergschicker, Deutscher Militärverlag, DDR 1963, ergänzt von Wolfgang Leistritz.

 

Leipzig, im Mai 2007, Wolfgang Leistritz

 

Am 4. Februar 2009 ist Ernst Jauernick in Coesfeld gestorben.