Ernst Hänke |
Bergkirche Tannhausen-Erlenbusch 1988 | Tannhausen, im Waldenburger Bergland, um 1930 | Reste des Friedhofs Erlenbusch, 1988 |
Es gab Menschen, die hatten den Mut in dieser schrecklichen Zeit Ereignisse und Erlebnisse aufzuzeichnen. Hier können wir lesen, was im Raum Tannhausen Kreis Waldenburg, vom 21. April bis zum 25. Juni 1946 geschah und wie es die Menschen damals sahen (heute würde man vielleicht "bewerten" für "sahen" schreiben).
Diese einmalig authentischen Notizen verdanke ich meinem Landsmann Guenter Boehm, jetzt New York, der das Notizbuch auf seiner Internetseite veröffentlicht hat.
"Böhm-Chronik"
http://www.boehm-chronik.com
600-jährige Geschichte einer Familie
in Schlesien (1329-1948)
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Notizbuch für Ernst Hänke ____________________ Zeitgeschehen 1 vom April 1946 [März 1949] 21./VI. Russen ziehen ab. Vom 8. April an, sind die ersten weggemacht. Heut 9.4. haben Russen hier gehabt. Darauf unruhige Zeit. 1./5./46. ?...? von den Polen und, Bauern u. Leuten die mit den Polen nicht stimmen. Päsler, Schäl, Scholz H. Kunert, Elter, Heilmann Witwe, Schmidt, Klammer. Scholz Heinrich hat sich verdünnisiert mit Famlie. 2/5. Scholz H. wieder daheim. Donnerau getreckt. 3/5. Unser Pole verreist. 4/5. Hausdorf und Bärsdorf wurde heut evakuiert. 5/5. Wüstewaltersdf. u. Reußendf. wurde heut evakuiert. Hiesige Gespanne haben die Leute gefahren. Nervenzerreißend. 6/5. Ein Mann aus Lehmwasser (Präkelt) ist zurück gekommen vom Treck. Vom Engländer Urlaub erhalten. Will seine Schwiegereltern holen. Hat viel Briefe mitgebracht. Abends war ich daheim. Weil Vater Bergmann ist, ist das Trecken für ihn bei Todesstrafe verboten. Bis runter zur Teichmühle, wurden heut die Leute raus geworfen zum Trecken. 7/5. Die Leute (rausgeworfen) liegen alle noch in Wüstewaltersdf. da keine Waggon`s mehr vorhanden sind. Sonst war der Tag ruhig. Abends war ich noch mal bei Tschirner. Gestern haben die Polen, bei Scholz H. zwei, bei Scholz F. ein, Schäl ein, und bei Brauner H. 2 Pferde weggeholt. (?...?) In Erlenbusch wurden den Leuten die Ziegen weggenommen. 8/5. Heut wurde die Waldenburger Straße evakuiert. (Muttel v. Großvater) 9/5. Polnischer Feiertag. Nachmittag wurde die Neuroderstr. evakuiert. 10/5. Heut wurde die Waldenburger Straße evakuiert. Bei Sannig`s u. Völker`s waren auch mit. 11/5. Frau Völker wieder zurück. (kein Treckschein) Nachmittags wurde die Schweidnitzer Straße evakuiert. Brauner H., Heinzel, Rauer usw, Alle waren miteinander sehr aufgeregt. 12/5. Heut Ruhe. Von Howag erfahren: 2700 Leute sollen weg sein u. 3000 sollten. Es soll jetzt ein paar Tage ruhig sein! Heut Nacht, Herr Kummer von den Russen leichsinniger Weise erschossen. 13/5. Heut war es ruhig. Die Russen vom Schloß haben in der Schmiede neue Eisen für die Pferde bestellt. Sie sollen sich geäußert haben, daß sie in drei Tagen abziehen. In Donnerau hat es noch Bauern, die über 10 Kühe haben. Bei Sand-Kammel sind noch 14 im Stall. 14/5. Der Tag verlief ruhig. (daheim g.) 15/5. Heute ebenfalls Ruhe. Die letzten Evakuierten haben bis heut in Altwasser gelegen. Sind nun erst abtransportiert worden. ?Kuhabgabe!? Zeitgeschehen 2 16/5. Der Tag verlief ruhig. Durch Anschläge werden die Leute zum Impfen aufgefordert. (daheim g.) 17/5. Ruhig! Heut haben wir Barackenteile vom Durchgangslager Tannhausen, nach Waldenburg gefahren. 18/5. Der Tag verlief ruhig. Die Typhus- Impfung ist im vollen Gange. 19/5. Heut wieder Erlenbusch evakuiert, fast alle Bauern kamen mit weg. Die polnische Zeitung hat selbst geschrieben, daß die Westmächte ihr Handel u. ihr Treiben verboten haben. Zum Schluß heißt es und trotzdem tun wir es 20/5. Heut war ich mit dem Polen in Görbersdorf. Der Ort ist stark von Russen besetzt. Amerika hat den Polen den Kredit gesperrt. Die Lebensmittellieferungen aufgehoben (laut Radio London). 21/5. Heut war ich Impfen. Bei Tschirner`s haben sich freiwillig fort gemeldet. 22/5. Bei Wunder wurden heut aus der Wohnung gewiesen. Sämtliche gepackten Sachen weggenommen. Aus Frankreich sollen polnische Bergleute hier her kommen. Die politische Lage ist sehr gespannt. Der Krieg ist nicht mehr fern (heut im Radio) 23/5. Der Tag verlief ruhig. Bin Sch. gewesen. Der Jude Jakob hat Rietig`s zwei Ziegen weggeholt. 24/5. Den Bergleuten ist das Halten von Ziegen gestattet. Ein Pole hat sich mir gegenüber geäußert, er hätte gehört, die Leute die nach Kohlfurt gekommen sind, müßten den Rückweg zu Fuß gehen. 25/5. Der Tag verlief ruhig. Auf den 3. Juni soll wieder Pferdemusterung sein. Der Pole Rogale soll verschwunden sein. Jeder Jude, ich weiß nicht mehr, soll 30 000 Zl bekommen haben. 26/5. Bei Potpischil war heut Haussuchung, von der Miliz wegen Waffen. Bei Schmidt Sattler eingebrochen Fr. Schmidt Schlaganfall. Bei Großpietsch eingebrochen alle haben sie Prügel bekommen / v. Deutschen. 27/5. Der Tag verlief ruhig. 28/5. Evakuierung. (Freiwillige die mehrzahl) Fiedler, Pajon, Emmler H., Urban usw. Heut war ich impfen. Bei G. u. daheim. 29/5. Ruhig. Daheim gewesen. 30/5. Polen sind weggemacht, weil die Wirtschaft nichts einbringt. Nowak wieder Herr! 31/5. Nowak sagt, die Polen hätten sich bei uns ihr Essen selbst kaufen müssen u. noch andere Gründe hat er angegeben. Wenn Fr. Rösner freiwillig weg wollte, so würde er sie aufschreiben. 1./6 Heut war ich in Waldenburg. Es war dort ruhig. Im Mai hatt sich Hillmer Heinz und Heinsch Werner gemeldet. Heinsch Werner hat im Westen seinen Vater getroffen. 2/6. Der Tag war ruhig. Polen waren aufschreiben. 3./6. Heut war in Wüstegiersdf. Pferdemusterung. Wir mußten 50 ZL bezahlen. 4./6. Die Bauern sollen demnächst alle wegkommen. In der Tschechei sind 65% Komunisten (Wahlergebnis). Die Polen suchen jetzt tüchtig deutsche Leute zur Arbeit. 5./6. In Bärsdorf sind heut die Bauern getreckt. Auch der Vater v. Fr. Rösner. In Fellhammer hat ein Bauer, (anfang Mai) weil man ihm nicht alles lassen wollte, was er mit auf den Treck nahm, sein Haus in die Luft gesprengt. Die Polen 4 und seine Familie u. er waren alle tot. 6./6. Bei Martin (Schuster) haben 7 Polen bekommen. 7/6. Heut war ich in Friedland. Es herrscht dort der selbe Zustand wie hier. Die Stadt selbst ist sozusagen von Russen überschwemmt. Die Straße von Blumenau bis Friedland ist sehr schlecht. Hampel hat nur noch einen Ochsen als Zugkraft. Scholz Fritz und Paul haben müssen 1, u. Paul 2 Pferde, Steller ebenfalls 2 Pferde abgeben. 8./6. Der Tag verlief ruhig. Morgen soll wieder mal getreckt werden. 9./6. Pfingsten. Heut wurde Ober- Wüstegiersdorf, Dörnhau, Lehmwasser u. Sophienau evakuiert. Es ist ein richtiger Skandal wie die Leute traktiert wurden. Fuhrwerke durften überhaupt nicht fahren u. die Leute durften sich nur mitnehmen was sie ertrugen u. die Reisekörbe waren vielfach mit Rädeln versehen. Die polnische Miliz schlugen mit den Gewehrkolben die Rädel ab, so daß viel stehen gelassen wurden, weil es die Leute nicht alles ertrugen. Und so was nennt sich planmäßige Evakurirung! Ein Jüngling (Schornsteinfegerlehrling) der mit einem Mädel spazieren ging wurde überfallen. Mit 18 Messerstichen verletzt, fand man ihn. Das Mädel ist verschwunden. 10/6. Heut wurde in Tannhausen evakuiert. Scholz Paul, Herfort, Steller, der alte Herr Merks, Vokmer, Völker und andere mehr sind fort gekommen. Hampels sollten auch weg, da hat aber der Pole die Treckscheine zerrissen. Scholz Fritz u. Heinrich konnten auch hier bleiben. Bei Fritz war die Gerda noch im Spital u. bei Heinrich waren die Polen nicht hier. 11./6. Heut war alles ruhig. Doch ein jeder sehnt sich fort. 12./6. Fr. Rösner, Ernst, Lenchen u. Else haben sich heut fort gemacht. In O.Wüstegiersdorf sind nur noch zwei Bauern hier. Es sind auch noch andere weggekommen. Heut ist Michelsdorf getreckt, sowie Hausdorf u. Friedersdorf. 13/6. Heute Ruhe. W. von Fr. K. bekommen u. Schuhe, 1 Paar. Köchin ebenfalls. Pospischil arbeitet wieder, bei Eßmann (?Küsler?). Er ist ist aber genau noch genau so blöd wie vor. 14/6. Die letzten Evakuierten v. Michelsdorf usw. sind gestern wieder zurück gekommen. Weil kein Transport mehr ging. Es soll jetzt ein paar Wochen Ruhe sein. 15./6. Ruhig. Der Major W. Böhm hat geschrieben. Er arbeitet als Schlosser in einer Autowerkstatt. Nord-Deutschland. Zeitgeschehen 3 16/6. Diese Nacht ist in unserer Kirche, sowie ins Pfarrhaus eingebrochen worden. Die wehrpflichtigen Polen sollen alle gemustert werden. Ende dieses Monat`s, soll eine Wahl bei den Polen stattfinden. Nach dem Gerede der Polen, sollen deutsche Komunisten die Evakuierungen angezettelt haben! 17/6. Zum 30.ten soll wieder mal die Konferenz der Siegermächte Abschluß finden (laut neue Parole!). Auf einem Spaziergang im Wald haben die Polen den Deutschen, Sachen weggenommen (Fr. und Hannchen Peter). 18/6. Die Polen stellen sogar schon Kruzifixe in ihre Gärten. Es ist ein reiner Hohn. 19/6. Ein Jude hat sich geäußert. Schlesien bleibt deutsch, aber die Wochen, die die Polen noch hier sind werden nicht leicht sein. 20/6. Die Polen haben heut einen großen kirchlichen Feiertag. (Frohnleichnahm). Verschiedene haben große Kreuze aufgestellt. Tante Klara hat geschrieben. 21/6. Die Polen wollen die Bergleute über 45 Jahre entlassen? (?Parow?) 22/6. Die Flüchtlinge in Beyern sollen alle wegkommen. Ob zurück oder wo anders hin weiß ich nicht! 23/6. In Italien hat eine Wahl stattgefunden. Die meisten Stimmen hat die Christliche Partei. In West- Deutschland wird ebenfalls gewählt. Auf dem Weg zur Bahn wurde mein Vater von drei Polen angefallen, da er schnell flüchtete ist er mit ein paar Stockschlägen noch davon gekommen. Ein anderer Bergmann, der mehr Pech hatte, ist seine Schuhe los geworden. 24/6. Zb. abgemetzgert. Heut waren die Polen wieder das Vieh zählen. 25/6. Neue Parole. Bis Ende Juli Trecken aufgehoben. Schäl Bauer und Knorrn`s haben geschrieben. Sie haben schon Arbeit gefunden. Tchirner Bauer soll umgesiedelt werden. |